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die Zahl der Anbauer zurückgegangen , die bepflanzte Fläche
aber sich gleich geblieben ; der Anbau konzentrirt sich immer
mehr in den Händen der Grossgrundbesitzer und Aktiengesellschaften.
Um dem nachtheiligen Einfluss des Monopols zu begegnen,
beabsichtigt man, eine grossartige Manufaktur, die hauptsächlich
für den Export arbeiten soll, in Algerien’ zu errichten.
Unter der Reaktion hat natürlich der Akklimatissationsgarten am
meisten zu leiden gehabt. Von Jahr zu Jahr hat man das ohnehin
niemals allzureichliche Budget beschnitten und schliesslich
das ganze Unternehmen der Soci é t é f r a n c o - a f r i c a in e übergeben,
welche gegen die Verpflichtung, den Rest in seiner»
alten Zustande und dem Publikum jederzeit geöffnet zu halten-
einen Theil des 58 ha. grossen Gartens in Bauplätze für Villen
verwandeln durfte. Eine Aktiengesellschaft kann natürlich niemals
wissenschaftliche Bestrebungen haben," und 'so wird gegenwärtig
nur noch die Zucht von Palmen, Kasuarinen und'Zierpflanzen
betrieben und der Rest des Gartens vernachlässigt. Ein
völliges Untergehen ist zum Glück bei dem Klima Algiers und
der Lage, des Gartens an einer ziemlich feuchteif Stelle nicht zu
fürchten.
Allerdings ist Algier trotz seiner glücklichen Lage durchaus
nicht frostfrei, ja, es ist Frösten viel mehr ausgesetzt, als das
nördlicher gelegene Palermo, und während dort der Thermometer
m diesem Jahrhundert noch kaum unter den Gefrierpunkt gesunken
ist, wergehen in Algier selten Winter ohne1 einen mehr
oder minder scharfen Frost. Aus dem Winter 187.7 —78 führt
Tc h i h a t c h e f f *} neun Frosttage' an, deren kältester 4,8"° G.
hatte ; im Januar dauerte der Frost sechs Tage hintereinander
an, im März noch drei (15.—19. März). In - unserem Klima
reicht, ein Fallen des Thermometers auf 0,5°. hin, die Treibhauspflanzen
zu tödten ; im Jardin d essai, wo damals 258 tropische
Arten kultivirt wurden, erlag diesen starken Frösten nur eine
einzige Art, Ravenalea Madagascarxensis;'< der Baum der Reisenden:
aus Madagaskar; 26 andere Arten litten, doch ohne einzugehèn.
Selbst der ganz ungewöhnlich rauhe Winter von 1871 tödtete
nur 8 Arten, davon verschiedene, die bereits früher gekümmert
hatten. Wie erklärt sich das ? Tchihatcheff glaubt sich berèch-
*) Spanien, Algerien und Tunis. Keisebriefe a i Michel Chevalier.
Deutsche Ausgabe, 1882.
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tigt, anzunehmen, dass der Boden von Algier das Privilegium
besitze, den Tropenpflanzen eine besondere Widerstandsfähigkeit
mitzutheilen. Es ist das aber durchaus kein besonderes Privilegium
für Algier allein ; überall am Mittelmeer sehen wir Pflanzen
im Freien ohne Schaden Temperaturen überstehen, die bei uns nicht
nur sie, sondern auch längst eingebürgerte Arten tödten, und die
Erklärung hegt nahe genug: Pflanzën erfrieren, sobald der Saft
in ihren Zellen sich in Eis verwandelt und beim Gefrieren durch
seine Ausdehnung die Zellenwände zerstört;-es kommt also dabei
nicht nur die Temperatur der Luft, sondern auch die des Pflanzen-
saftes in Betracht. Letztere ist aber durchschnittlich annähernd
dieselbe wie die des Grundwassers, also die mittlere Jahrestemperatur
des Ortes.- In Algier ist diese 18,90 C., und man
begreift leicht, dass ein bedeutend höherer Kältegrad nöthig ist, um
dort den Pflanzensaft in Eis zu verwandeln, als bei uns,1 wo die
Temperatur nur 6—8° beträgt. Auch länger dauernde Frostperioden
werden weniger verderblich, weil der Frost nur selten
den Tag über andauert 'und somit die Pflanze Zeit behält, sich
im Innern wieder zu erwärmen.
Schlägt man auf Place Bresson statt der geradeaus führenden
Rue Bab Azoun die langsam ansteigende Rue d’Isly ein,
so gelangt man durch das schöne Thor von Gonstantine in ein
Gebiet, das sich nur mit dem Posilippo von Neapel vergleichen
lässt; Hier reiht sich Villa an Villa, jede mit gleich prachtvoller
Aussicht aufs Meer und die untere Stadt; eine Villa in Mus t
a p h a s u p é r i e u r ist das höchste Ziel, das sich der Ehrgeiz
eines algerischen Franzosen steckt. Kein grösserer Gegensatz als
der zwischen diesem Quartier und dem regen Treiben in der Strasse
von lslv, wo sich Läden und Werkstätten aneinander reihen. Namentlich
die Sattler haben sieb hier angesiedelt, und vor ihren Lokalen
ist immer ein reger Verkehr von Arabern, denen ein schönes Sattelzeug
über Alles geht. . Draussen in dem vornehmen Villenquartier
sieht man dagegen fon Eingeborenen nur die Dieüer der Villenbesitzer,
Biskris, deren Tracht zu einer mehr oder minder phantastischen
Livree zugestutzt ist. Hier liegt auch der Sommer-
palast des Gouverneurs, ein zierliches maurisches Bauwerk von
einem üppigen Garten umgeben, leider nur gegen. Erlaubniss-
karten zugänglich, die man sich im Stadtpalast holen muss. Wer
sich diese nicht verschaffen kann und will, braucht nur ein paar