Bresche in die Bingmauer der Kasbah und in der Nacht verliess
der grössere Theil der Bebelien die Citadelle durch ein nach aussen
führendes Thor*) und flüchtete ins Innere. Sie wurden von der
Beiterei des Bey eingeholt und bis zum letzten Mann niedergehauen;
das Corps der Yol d a s ch i wurde aufgelöst, die Macht
der Türken damit für immer gebrochen.
Ihre Ueberreste versuchten 1817 unter Mahmud noch einmal,
die verlorene Macht durch eine Bevolution wieder zu gewinnen
; sie waren auch im Anfang siegreich und bemächtigten
sich der Stadt und des Arsenals in Goletta. Als aber Prinz
I sma i l , den sie zum Bey ausrufen wollten, sich weigerte, mit
ihnen gemeinsame Sache zu machen, gaben sie selbst das Spiel
verloren und flüchteten mit ein paar Schiffen, die gerade im
Hafen lagen, in ihre Heimath. Nur wenige Türken blieben in
Tunis zurück, und sie und die Nachkommen der Kuluglis, die
an der Bevolution keinen Theil genommen, weil sie von ihren
Vätern ja doch nicht als ebenbürtig angesehen wurden, sind es,
denen man heute noch in Tunis begegnet. Ihre Privilegien haben
sie schon seit geraumer Zeit verloren, und ihre Zahl vermindert
sich rasch.
Unter den Europäern spielt noch immer das italienische
Element die Hauptrolle. Vor der Uebernahme des Protektorates
herrschte es fast ausschliesslich ; Franzosen waren kaum vorhanden,
auch die durch Boustan so berühmt gewordene »franz
ö s ische Colonie in Tunis« bestand fast ausschliesslich aus
geborenen Tunisern, die zwar unter französischem Schutz standen,
aber in ihren Familien gewöhnlich italienisch sprachen. Die
»Colonie« war übrigens so wenig zahlreich, dass sie ganz gut an
einem einzigen Tische im Café Cercle Platz hatte und sich bei
feierlichen Gelegenheiten, wenn sie in corpore aufmarschirte, vorsichtigerweise
immer nur als » d é p u t a t io n de la Coloni e
f r a n ç a i s e « bezeichnete. Die einträglichen Stellen bei der
Quarantäne, bei den Tribunalen, bei der Douane waren sämmtlich
in italienischen Händen und ihre Inhaber führen eben einen
stillen, aber erbitterten Kampf mit der französischen Behörde, bei
*) Das Thor wurde zugemauert und heisst seitdem B ah e l G-ha dar ,
das Thor der Yerräther; es wurde erst wieder geöffnet, ¡als die Franzosen
vor Tunis erschienen, und sie zogen durch es in die Kasbah ein; den Tunisern
erschien der Name als ein Omen!
dem es sich allerdings um ihre Existenz handelt. Aber der
Kampf ist ungleich und trotz der Unterstützung durch die Coterie
des Bey muss ein Italiener .nach dem anderen weichen; die Auflösung
der Commission financière und die Einführung der französischen
Tribunale hat dem italienischen Einfluss den Todesstoss
gegeben. Die Zahl der Franzosen nimmt natürlich entsprechend
zu, aber vorläufig sind es noch nicht immer die besten Elemente,
die nach Tunis einwandern, und selbst die französischen Banken
sind ihren Landsleuten gegenüber ganz besonders skrupulös.
Gerade zur Zeit meiner Anwesenheit suchte man durch Gründung
aller möglicher Vereine und Gesellschaften die französische Kolonie
zu heben, aber die Kaufleute haben mit einem zähen Widerstand
sowohl seitens der Italiener, als auch seitens der Mauren und selbst
der eingeborenen Juden zu kämpfen und ihre Stellung ist meistens
nicht glänzend.
Von einer Kolonisation in Tunisien kann aber noch keine
Bede sein und könnte keine sein, .auch wenn Frankreich überschüssiges
Kolonistenmaterial hätte. Vor der Hand ist die
Schwierigkeit, Grundbesitz zu erwerben, noch ' zu gross. Europäer
haben allerdings seit. 1862 das Recht, Ländereien zu kaufen, und
hier und da hat man auch Gebrauch davon gemacht. Der erste
Europäer, der sich ein grösseres Gut kaufte, war ein Engländer,
Thorwa l d Ll ewyl l e n Smi t h, später unter dem Namen
»le Kr o umi r Smit« in den französischen Zeitungen viel genannt,
da man seinen Rathschlägen alle Misserfolge der Franzosen
zuschrieb. Aber das Kaufen wird erschwert durch die Unsicherheit
der Besitztitel und durch die Existenz einer Menge gefälschter
Urkunden. Von Domänen, die allenfalls verkauft werden
könnten, ist wenig mehr da, da die letzten Beys beinahe das
ganze Staatsgut an die Günstlinge verschenkten. Expropriationen
von Stammeseigenthum wären nur in Südtunis möglich, denn nur
dort gilt arabisches Recht, im Norden ist Alles Privateigenthum,
ein unwiderleglicher Beweis dafür, dass hier die Araber niemals
über die Ureinwohner Herr geworden sind ; im Süden aber ist
das Klima wieder das der Vorwüste und für den Franzosen als
Arbeiter kaum geeignet. Ehe nicht ein Kataster angelegt und
Alles neu vermessen ist, werden diese Zustände sich auch schwerlich
bessern. Die Regierung sieht das wohl ein und hat auf Andrängen
des Residenten Campon eine Kommission niedergesetzt,