es aber nicht entbehren ; in einem seiner forstbotanischen Werke
sah ich mit Freuden die bekannten Holzschnitte aus Rossmässlers
Wald, musste mich aber auch überzeugen, das?; das Forstpersonal
in Algerien, trotz der ganz anderen Vegetation und der vollkommen
anderen Verhältnisse des Bodens und des Klimas, sich
mit der Literatur behelfen muss, die für das Mutterland geschrieben
ist.
Natürlich fragten wir nach den Löwen, denn dass die
Wälder um Batna noch von diesen Bestien wimmeln, gilt in
ganz" Algerien für ausgemacht; aber auch hier wurde uns die
Antwort, dafür seien wir um ein -paar Jahre zu spät gekommen.
Unser Gewährsmann wohnte nun acht Jahre in den Cedern-
wäldern, aber in der ganzen Zeit hatte er weder von einem
Löwen noch von einem Panther gehört,' geschweige denn einen
gesehen. Hier hat besonders Chas s ai ng unter den Raubthieren
aufgeräumt, aber .er hat bösen Dank dafür bekommen. Im Frühling
1870 war er in einem französischen Bade, um seinen Rheumatismus
auszukuriren; Frau und Tochter bewirthschafteten .seine
Ferme in einem Vorthale der Aures und blieben, vertrauend auf
die Anhänglichkeit der umwohnenden Eingeborenen, als die
Berber sich erhoben. Aber die wilden Schäwi, 7 zur VerzweiflunOg'
gebracht durch die Erpressungen der arabischen Kaids, die ihnen
die Franzosen aufgezwungen, schonten Niemand; die armen
Frauen wurden nach schauderhaften Martern lebendig verbrannt
und der Mann, der die Gegend von den Löwen befreite, befindet
sich jetzt im Irrenhause.
Vierzehn Jahre sind seitdem vergangen, aber noch liegt der
düstere Schatten des damaligen Aufstandes auf der Gegend. Er
dauerte nur wenige Wochen, aber er brach mit einer solchen wahrhaft
vulkanischen Gewalt aus, dass, obschon die Provinz damals noch
ihre ganze Besatzung hatte, nur mit Mühe Batna' und Lambessa
gegen die wüthenden Bergstämme gehalten wurden. Noch ein
paar Mal haben seitdem'schwächere Zuckungen stattgefunden und
noch immer sind die Aures das am schwersten zu regierende Gebiet
Algeriens, wie sie ja auch die letzte Burg der Mauru’sier
gegen Römer, Vandalen und Byzantiner waren. Kurz oberhalb
der Försterwohnung lagen die Trümmer einer europäischen Mühle ;
brule en 1870, sagte unser Brahim, und erzählte mit sichtlichem
Schauder, dass hier siebzehn Personen mit verbrannt worden
seien. Es war ihm selbst gar nicht geheuer; er war ein Araber
von den Ouled Kantara und schien die Schäwi für . eine Art
Menschenfresser zu halten.
An der Mühle führte zu unserer grossen Ueberraschung der
weiter unten ganz ausgetrocknete Bach klares Wasser genug, und
hier begann ein reizendes Waldthal, wie wir es in Afrika nicht
vermuthet hätten. Zwischen zwei hohen Felsenrücken zog es sich
um den Cedernpik herum, von dem Bache durchrauscht, von'
üppigem Grün erfüllt; ein paar Stücke Vieh weideten auf den
Bergwiesen, die Vögel jubelten, Schmetterlinge flogen, *) es war
wie in einem unserer deutschen Gebirge. Aber am Hange standen
überall-Cedern, bald uralte verwetterte Riesen mit pinienartigen
Kronen, aber immer ein paar solcher Schirme an einem Stamme
über einander gesetzt, bald jüngere pfeilgerade Säulenstämme,
wie die Edeltannen des Schwarzwaldes, und dazwischen überall
junger Nachwuchs, die reizendsten Christbäumchen, die man sich
denken kann. Je höher wir stiegen, um so ausschliesslicher
herrschten sie, anfangs nur am Berghange, dann auch im Thale,
ein-ganz eigenartiger unvergleichlich schöner Wald. Der Weg,
ein ziemlich praktikabler Fahrweg, zog sich in bequemer Steigung
um den Pik herum bis zu dem Joch, das den isolirten Gipfel an
die - Hauptgebirgsmasse anschliesst. Hier, bei den Trümmern einer
auch 1870 zerstörten Sägemühle, hatte sich eine Familie Eingeborener
angesiedelt, und hier Hessen wir unseren Brahim mit dem
\ Proviant, denn einens Führer brauchten wir nicht mehr. Gerade
über uns, etwa noch 500 Meter hoch, stand der Gipfel des Spitzberges,
dachartig steil nach allen Seiten abfallend, aber sonst kein
Hinderniss bietend.
Durch einen steilen Ravin stiegen wir hinauf. Mit jedem
Meter, den wir höher kamen, wurden die Cedern schöner; Stämme
von zwei Meter Durchmesser waren bald keine Seltenheit mehr.
Zwischen den lebenden grünen Bäumen standen aber auch in Menge
abgestorbene, entrindet bis zum Gipfel, weiss wie Gerippe, ein
*) Hier sah ich zum ersten Mal den prächtigen nur auf die Aures beschränkten
Abdelkader, der mit seinen schwarzschillernden Flügeln einen ganz
eigenthümlichen Eindruck macht. Leider gelang es mir nicht, .ein unversehrtes
Exemplar zu erhaschen. und auch H err Merkl, ein ungarischer Ento-
' mologe, den ich später in Lambessa traf, war nicht glücklicher gewesen;
jedem gefangenen war ein keilförmiges Stück .aus dem Flügel gebissen.