noch in gutem Zustand. Erst mit dem Wiedererwachen der
Kunstthätigkeit am Mittelmeer begann die Verwüstung; Mauren
und Christen holten um die Wette die Prachtsäulen und Quader,
um Moscheen und Kirchen damit zu schmücken. Von den 1100
Säulen des Mezquita in Cordoba sind mehrere Hundert den Bauwerken
Karthagos entnommen; was noch übrig war, als Karl V.
hier landete, schafften die Genuesen in ihre Heimathstadt öder
verwandten tunisische Grosse für ihre Bauten. Kleinere Reste
findet man natürlich noch überall zerstreut; auch wir nähmen
ein Stückchen Mosaikfusshoden und ein Lämpchen, das uns ein
Araber anbot, zum Angedenken mit.
Wir stiegen sammelnd zur Höhe von St. Louis hinauf, die
eine wirklich wundervolle Aussicht bietet. Unten am Meeresstrande
sieht man die beiden künstlichen Häfen, denen Karthago
seine Bedeutung als Handelsstadt verdankte; ein Theil ist verschüttet
und überbaut, doch erkennt man immer noch deutlich
den runden Kriegshafen und den davor gelegenen Handelshafen.
Sie erscheinen klein für eine solche Handelsstadt, aber sie sind
doch grösser, als man glaubt; die genauen Forschungen B en le ’s*)
ergeben eine Gesammtoberfläche von reichlich 23 ha, also nur
4 ha weniger, als der Hafen von Marseille bis zur Anlage der
neuen Becken unter Napoleon III. besass. Bedenkt man, dass
die Ruderschiffe der Alten nur 5,60 m Breite hatten, so begreift
man, dass schon eine ziemliche Anzahl Raum in den beiden geschlossenen
Becken fanden; im Sommer mögen auch die meisten
am offenen Strande, wo Spuren eines Quais erkennbar sind, ein-
und ausgeladen haben. Die Forschungen Beule’s haben übrigens,
nebenbei das Resultat ergeben, dass die Hafen, Avenn von Schutt
und Flugsand gereinigt, heute noch völlig ihre alte Tiefe haben
würden; eine Niveauveränderung hat somit hier nicht stattgefunden
und die Verlandung von Utica muss auf andere Weise
erklärt werden**).
*) Fouilles ä. Carthage aux frais et sous la direction de M. Beule.
Paris 1861. 4°.
**) Zur Zeit, wo der Einfluss des Herrn Roustan im Zenith stand,
machte Herr Oscar Gay den Vorschlag, die Häfen von Karthago wieder mit
dem Meer in Verbindung zu setzen und Karthago wieder aufzuhauen. Trotz
der energischen Unterstützung seitens der Frau Elias Masulli lehnte der
Bey das Projekt ab und entschädigte den »genialen« Urheber lieber durch
Eine im höchsten Grade interessante Beobachtung über
Küstenveränderungen konnte ich übrigens in la Goletta selbst
machen. Schon am ersten Tage theilten mir die deutschen Maler
mit, dass am Seebad la Rotonde, das noch im Gebiet der Stadt
selbst liegt, seit einigen Monaten die- Tiefe des Wassers in auffallender
Weise -zunehme. Ein breiter Sandstrand, der noch im
vorigen Jahre vorhanden war, ist nun verschwunden, und das
Meer bespült unmittelbar die Terrassen, auf denen die Häuser-der
nächsten Strasse errichtet sind. Auch einzelne Häuser scheinen,
an der Senkung Theil zu nehmen und zeigen Sprünge. Die ganze
Erscheinung ist aber auf einen Raum von ein paar hundert
Schritten Breite beschränkt; weder an dem nur wenig entfernten
Kheireddin’schen Palast noch an dem Eingang des Hafens, tvo sie
sehr willkommen wäre, beobachtet man eine Vertiefung des Wassers.
Die Richtigkeit der Beobachtung steht ausser Zweifel; die Verlängerung
meines Aufenthaltes in Tunis in Folge des Ausbruchs der
Cholera gestattete mir, mich selbst zu überzeugen, dass im Laufe
von reichlich vier Wochen die Wassertiefe unter der Plateform des
Seebades um mindestens einen Fuss. zugenommen hatte. Von
einem Ausspülen des Grundes konnte keine Rede sein, denn um
dieselbe Höhe nahm die Entfernung zwischen der Plateform und
dem Meeresspiegel ab. Es handelt sich hier offenbar um die
Senkung einer ganz bestimmt umgrenzten kleinen Küstenstrecke,
die sehr rasch und dabei doch so gleichmässig erfolgte, dass keiner
der Pfähle aus dem Loth kam. Von vulkanischen Einwirkungen
kann hier kaum die Rede sein; drüben bei Hammam-el-Enf sprudeln -
zwar warme Quellen, aber die nächsten vulkanischen und plutonischen
Gesteine finden sich bei Kef tief im Inland und von einer Erstreckung
der Spalte von Ferdinandea bis hierher ist nichts bekannt.
Diese Erscheinung dürfte die Beachtung der Geologen und
eine genaue Beobachtung ihres ferneren Verlaufes verdienen; sie
würde uns in den Stand setzen, gar manche seither unerklärliche
Erscheinung lokalisirter Hebungen in Senkungsfeldern und Senkungen
in Hebungsgebieten richtig zu deuten, auch wenn es noch
nicht gelingt ihre Ursachen aufzufinden.
einen Orden und 25000 Frs.'- Davon sollte die würdige Dame, die damals
in Tunis allmächtig war, ihren vertragsmässigen Antheil erhalten, aber der
Herr Gemahl unterschlug ihn; ein furioser Brief, den sie deshalb an Herrn
Gay schrieb, spielte eine Hauptrolle im Prozess Rochefort-Roustan.