der Araber, der kein schützendes Obdach mehr erreichen konnte,
hüllt sich in den Burnus und legt sich, das Gesicht dem Boden
zugewandt, neben seine Thiere. Noch ein banger Augenblick,
dann wandeln dichte Staubmassen den Tag in Nacht, und ein
heulender Sturm fegt über den Erdboden, glühend, als ob er aus
einem Backofen käme. Vor ihm welken die Blätter an den Bäumen,
die Saaten verdorren, die Weintrauben am Stock schrumpfen zu
Rosinen zusammen; den Karawanen lässt er das Wasser aus den
Schläuchen verdunsten, dass sie nachher dem Durste erliegen. Das
ist der Samum, den die Egypter als Typhon, den Todfeind ihres
blühenden Lebens, bildeten, und die Griechen als einen gelbge-
mähnten Löwen mit oifenem Rachen, der alles Lebende verschlingen
will; sie errichteten ihm Tempel und brachten ihm
Opfer, damit er ihre Gestade verschone. Favugna nennt ihn der
Süditaliener, Solano oder Leveche der Andalusier, selbst auf dem
fernen, meerumschlossenen Madera fürchtet man ihn als Leste.
Heftige Stürme der Art kann man regelmässig durch ganz Italien
bis nach der Schweiz und Deutschland verfolgen, - und in der
Schweiz treten sie naturgemäss unter dem Bilde des Föhn auf,
heisser und unangenehmer, als am Südfuss der Alpenr gerade wie
der Scirocco in Palermo empfindlicher wird, wie in Südsicilien,
und in Apulien mehr als in Taranto. Manche Föhnwinde, und
gerade, die heftigsten, haben also trotz Dove’s Behauptung ihre
Quelle in der Sahara, wenn auch die meisten wohl nur Lokalerscheinungen
sind, bedingt durch verschiedenen Barometerstand
und dadurch hervorgerufenes Ueberströmen der Luft über -die
trennende Alpenkette. Ich habe den Scirocco zu oft sowohl am
Rande der Wüste wie diesseits des Mittelmeeres beobachtet, um
über seine Wüstenheimath noch irgendwie im Zweifel zu sein.
Der schwere Scirocco, der am 2. und 3. Dez. 1872 im vorderen
Mittelmeer so furchtbaren Schaden anrichtete und unter anderen
den Hafendamm in Neapel wegriss, führte in Taranto, wo ich ihn
frisch vom Meere herkommend beobachtete, ganz dieselben Staubmassen
mit sich, wie ein ächter afrikanischer Gebli. Ueberdies
haben auch Hellmann*) den sogenannten Passatstaub und
Ti -ssandi er undTacchini den Sciroccostaub in Europa völlig
identisch mit den feinen Bestandtheilen des Saharabodens ge-
*) Cf. Monatsber. Akad. Berlin 1878 p. 368.
funden. — Zum Glück für die Mittelmeerländer sind solche heftige
Stürme im Frühjahr selten, erst wenn im Mai der Boden der
Wüste von den steiler auffallenden Sonnenstrahlen stärker erhitzt
ist, beginnt die Gefahr, aber dann ist der Haupttheil der Ernte
auch schon in' Sicherheit. *)
Aber das nur nebenbei. Man mag über dieHeimath des Föhn
denken, wie man will, die Desor’sehe Eiszeit-Theorie ist unmöglich
.geworden, seit die neueren Reisen ergeben haben, dass weitaus
der grössere Theil der Sahara schon zur Kreidezeit und noch
früher Festland gewesen ist und dass die Theile, welche zur
Tertiärzeit oder gar noch, später vom Meere bedeckt waren, nur
einen verschwindend kleinen Theil der Oberfläche einnehmen.
Schalen von Cardium edule hat zwar Ma re s noch in der Seehöhe
von 130 m bei Ouargla und selbst in 400 m Höhe an der
Daja von Habessa südlich vom 32. Breitegrade gefunden, es hat
'somit ein Theil der Sahara an der Hebung der Atlasregion Theil
genommen, doch sind es nur kleinere Parthien, welche Spuren
von Meeresbedeckung zeigen; weitaus der grössere Theil ist älteren,
' zum Theil uralten Ursprungs.
Aber war er immer Wüste, wie heute? Das ist eine Frage
von weittragender Bedeutung und ihre Beantwortung von grösser
Wichtigkeit für die_ allgemeine Klimatologie und unsere. Vermuthungen
über die Zukunft der Erde. Dass nicht immer der
ungeheuere, 160 000 Quadratmeilen einnehmende Raum zwischen
. Atlas und Mittelmeer einerseits und dem Sudan andererseits mit
Ausnahme der heutigen Oasen unbewachsene Einöde gewesen,
kann keinem Zweifel unterliegen. Die trockenen, aber tief eingerissenen
steilrandigen Flussbetten, die man allenthalben in der
Sahara antrifft, beweisen, dass früher sich hier wenigstens zeitweise
grosse Wassermassen bewegten, wie sie heute nicht mehr
Vorkommen können. Noch in dem Beginn der geschichtlichen
Zeit muss die Sahara wegsamer gewesen sein, als heute; schon
der Umstand, dass vor der Einführung des Kameels überhaupt
ein Verkehr zwischen den Mittelmeerländern und dem Sudan
*) Woher kommt der Name Scirocco ? Ich habe bis jetzt noch keine
befriedigende Ableitung gefunden. G., vom R a t h (Reisebriefe II. p. 19)
möchte ihn von esch-Scheria ableiten, dem arabischen Namen der Jordanspalte,
durch welche der arabische Wüstenwind nach Nordpalästina und
Syrien hereinbricht, doch will mir das nicht recht einleuchten.