den Trümmern des Türkenforts standen, da gestand ich meinem
Freunde gerne zu, was ich ihm seither immer bestritten, dass
diese Aussicht mit der von Camaldoli bei Neapel gar wohl um
die Palme der Schönheit streiten könne. Zu unseren Füssen lag
Algier in seiner üppig grünen Baumumrahmung, durch die von
weissen Häuschen belebten Thäler Frais Vallon und Vallee des
Consuls von uns geschieden, dahinter dehnt sich der weite tiefblaue
Golf bis zum fernen Cap Matifou und hinter ihm ragt die
kühne Gestalt des Bou Zegsa und noch ferner der schneebedeckte
- Dschurdschura. Daran schliesst sich rechts die prangende
Metidscha mit ihren grünen Feldern und weissen Dörfern ;
deutlich erkennt man die dunklen Orangenhaine von Boufarik
und Blidah, und hinter ihnen erhebt sich der prächtige Bergkranz
vom Beni Sala und Mouzaia aus' bis zum Zaccar und dem
Chenoua. Zwischen den beiden letzteren hindurch schweift der
Blick über die gezackte Nordküste hinaus bis zu dem in blauer
Ferne verschwimmenden Cap von Tenes; uns näher übersieht
man die Gehänge des Sahel bis zur Mündung des Mazagran und
die weit vorspringende Halbinsel von Sidi Ferouch, auf der einst
die Franzosen landeten. Es ist ein wunderbares Bild, mit dem
sich am Mittelmeer nur ganz wenige messen können.
Weiter gingen wir dann den Kamm entlang, anfangs durch
Gerstenfelder, in denen die reizende Schwertlilie, (Gladiolus sejje-
tum) fast das Getreide überwucherte, dann über Triftland, auf
dem eben der übelriechende Asphodill verwelkte. Gleich hinter
dem Dorfe Bouzarea kamen wir an einer Kubbah vorbei, mit
der eine arabische Schule verbunden ist ; sie ist berühmt wegen der
prachtvollen Zwergpalmen, welche sie umstehen ; ich habe sie selbst
in Gärten bei sorgsamster Pflege nie so hochstämmig und üppig
gesehen; Noch eine kurze Strecke führt der Wbg dann zwischen
Kaktushecken und Ansiedelungen hin, dann tritt er ins Freie
hinaus und ein niederer Buschwald umfängt uns, schauderhaft
verwüstet, denn er muss Algier hauptsächlich das Material für
seine Küchenfeuer liefern. Vor dreissig Jahren standen hier
noch stattliche Kiefern, jetzt sind sie verschwunden und damit ■
"ist der Name des Berges, »Vater der Fruchtbarkeit,« zum Spott
geworden. Nichts traurigeres und öderes, als ein solcher Wald,
den selbst die Insekten zu meiden scheinen. Drei Stunden lang
sahen wir kaum eine lebende Kreatur, keinen Vogel, keinen
Käfer, trotz der Blüthenmenge kaum einen Schmetterling. Nur
die Aussicht blieb immer gleich herrlich. Endlich senkte sich
der Weg, hier und da standen einzelne verkümmerte Strandkiefern,
dann zerstreute Horste stattlicherer Bäume, schliesslich
sogar grössere Waldparzellen. Mitten in den Strandkiefern lag
ein Hain von Eukalypten und in seinem Schutz hatte sich,
obschon der australische Baum als Fremdling, natürlich selbst
keine Insekten ernährt, *) ein reiches Insektenleben entwickelt,
das merkwürdig abstach gegen die Todtenstille des Buschwaldes
Wir streiften hier die Grenze einer Exploitation forestière, die
wir auf dem Heimweg noch genauer kennen lernen wollten.
Unmittelbar darauf beitraten wir wieder das Gebiet der Fermen
und ausgedehnte Weinberge umgaben uns von allen Seiten, die
Stöcke reich mit handlangen Gescheinen beladen. Unten stiessen
wir auf den Vicinalweg von Gu y o t v i l l e nach C h e r a g a , an
dem die Dolmen liegen sollten, aber vergeblich sahen wir uns
. nach -ihnen um ; endlich half der Propriétaire eines nahen Gutes
auf die Spur und wies uns nach einer noch reichlich zwei Kilometer
weiter liegenden Ferme, wo die tomb e a u x a n t i q u e s
sein sollten. Ein schnurgerader Feldweg führte zwischen Weinbergen
dorthin. Eine junge Dame empfing uns'sehr freundlich
und wies uns in den Garten, wo ein älterer Herr mit riesigem
Strohhut an den Reben herumarbeitete. Schon die ersten Worte
ergaben, dass ich einen Landsmann vor mir hatte, obendrein
einen Rheinländer, der vier Jahre als Hofmeister im Berna’schen
Hause in Frankfurt verlebt hatte und diese Zeit — es war um
1848 gewesen — die schönste seines Lebens nannte. Herr
Küster war dann nach Frankreich gerathen und im französischen
Schuldienst hängen geblieben, und fühlte sich nun als Professor
am Lyceum in Algier ganz behaglich. Zufällig war er mit
seiner Frau, einer liebenswürdigen Französin aus Collioure, und
mit seinem Sohn und seiner Tochter, die beide ganz geläufig
deutsch sprachen, in den Ferien hier auf seinem Weingut, das
16 Hektaren einnimmt und im ausgezeichnetsten Zustande ist.
Obschon naturalisirter Franzose, ist er ganz der ächte joviale
Rheinländer geblieben, dem die Hebung des Weinbaues Herzens*
*) Die Biene ausgenommen, deren feiner Instinkt sie auch an fremden
Pflanzen leicht den Honig erkennen lässt. In Sicilien pflanzt man verschiedene
schon jung blühende Eukalypten ausschliesslich als Bienenfutter