geradezu gespenstiger Anblick, umgestürzte und ihre zersplitterten
Aeste Jagen überall zwischen den Felsen umher, wie bleichendes
Riesengebein. Das 'Holz alter Cedern scheint fast unvergänglich.
Im Ravin lag ein mächtiger Stamm, sicher schon vor vielen Jahrzehnten
gestürzt, denn bis zu einem Viertel seiner Dicke hatte
sich neben ihm der Humus angehäuft; er reichte mir trotzdem
noch bis an die Brust und vergeblich versuchte ich das Messer
in sein Holz hineinzubohren.
Unter einer steilen Felswand rasteten wir für ein paar Minuten.
Es war ein reizendes Plätzchen. Wir lagen in weichem Moose';
Moos und Flechten bedeckten, eine Seltenheit in Algerien, auch
den Felsen, Farren nickten aus den Spalten ; um uns stand so
manche Pflanze, »bekannt überm Meer«, die wir m Algerien sonst
nicht gesehen; unser Weissdorn bildete,tüchtige Bäume, eine Erle
kroch am Boden hin, Muscari racemosum, ein- gelber Ranunkel,
ein wohlriechendes Veilchen und ein herrlich duftendes Ornitho-
galum schmückten den steilen Abhang;" auf die Cedern sahen wir
aber gerade von oben herab und bemerkten mit Erstaunen, dass
die meisten alten Stämme, oben eirfe horizontale, scheibenförmige
Krone von etwa einem Meter Durchmesser bildeten, wie ein
riesiges Vogelnest. Dann ging es die letzte steile Höhe hinan
und bald standen wir auf der Spitze, die eben nur für ein trigonometrisches
Signal und einen es umgebenden Wall aus zusammengetragenen
Steinen Raum bietet. Eine wunderbare Aussicht er-
öffnete sich uns. Wie eine Reliefkarte in riesigem Massstabe lag
die Provinz Konstantine zu unseren Füssen. Naqh Norden erkannte
ich deutlich den Col des Oliviers und die Deux Mamelles
am Bahnübergänge nach Philippeville, aber ein leichter Dunst
verschleierte das Meer. Nach Süden schweifte das Auge über die
Hochpbene und ihre Randberge in die endlose Sahara hinein;
deutlich unterscheidet man den, Mund der Wüste bei el Kantara
und mit dem Fernrohr erkennt man dunkle Flecken in der hellen
Fläche, die Palmenwälder der Zibanoasen. Zu unseren Füssen
lagen die Ebene von Batna und das grüne Thal von Lambessa,
und dahinter thürmten sich die Aures, immer ein langer Rücken
hinter dem anderen, bis'zu'dem Scheliah, den Gewitterwolken
verhüllten. Nach Westen hin äber fliegt der Blick über einige
wenig niedrigere, mit prächtigen Cedernwäldern bestandene Berge
auf die weite Hochebene bis zu den niederen Ketten, .j welche die
fruchtbare Medjana hinter Setif begrenzen; bei klarem Wetter
erkennt man am Horizonte sogar die Schneegipfel des fernen
Dschurdschura. Kein zweiter Punkt in Algerien bietet eine ähnliche,
nach allen Seiten hin freie Aussicht, wie der ganz isolirt
aufsteigende Hochgipfel des Cedernpiks. Von Batna aus kann
man zu Pferde die Tour ganz bequem in drei Stunden machen,
man kann sogar in einem leichten Wägelchen bis zur Jochhöhe
fahren, trotzdem verirrt sich nur selten ein Reisender hinauf und
faàt alle Wüstenfahrer begnügen sich, die Cedern mit dem Fernrohr
zu betrachten. Man kann sie nirgends so bequem besuchen
wie hier, wo ja doch jeder .Tourist in der Nähe vorbeikommt.
Freilich, im April liegt oben meist noch Schnee, und' wer wagt
bis zum Mai in Algerien zu bleiben?
Aber die Zeit drängte. -Noch einen Blick auf die Höhenzüge des
Tuggur und auf den steilen Hang unter uns mit seinen grünen und
abgestorbenen Cedern und dem bleichenden Geäst zwischen den
Felsen, dann ging’s rasch wieder hinab zu der zerstörten Sägemühle.
Aber umsonst suchten wir nach unserem Brahim, umsonst riefen
wir seinen Namen aus allen Kräften, er war verschwunden, und
mit ihm unsere Viktualien, nach denen wir sehr lebhaftes Verlangen
empfanden. Er hatte sich gefürchtet, bei den Bergbewohnern
allein zu bleiben und war, als er uns nicht mehr sah,
davon gelaufen, um uns am Ausgange des Thaies zu erwarten.
Die Leute waren sehr freundlich gegen uns und erquickten uns
mit Milch; als sie aber hörten, dass wir Deutsche seien, glühten
ihre Augen, und .einer, der etwas besser französisch verstand,
stiess mich an und flüsterte mir zu : Pruss bon, Pruss fort, Pruss
faire guerre aux français. Man sieht, die Kolonisten haben nicht
so Unrecht, wenn sie lieber in Batna wohnen, als draussen in der
Campagne. Von den Ruinen zwischen Batna und Lambessa
mag auch ein guter Theil aus jener Schreckenszeit herrühren.
Die Leute im Tuggur tragen sich arabisch, und nach der gewöhnlichen
Annahme soll die Einsenkung von Batna die Grenze zwischen
den Schäwi und den Arabern bilden, aber unsere Wirthe waren
unzweifelhaft Berber und Brahim behauptete auch ganz bestimmt,
sie seien weder Araber noch Rechtgläubige. Wäre ich darüber
im Geringsten im Zweifel gewesen, so hätte das Benehmen des
stattlichen -Alten, dessen Gäste wir waren, mich aufgeklärt; als
ich dem Jungen, der uns die Milch gebracht, ein Zweifranken