nach in einen noch jungen, aber sorgsam gepflegten Park übergehen.
Unschwer kann man, wie an den Jahrringen eines Baumes
den Jahreszuwachs, so hier die Zonen jährlicher Erweiterung an
den flott gedeihenden Eukalypten und Kasuarinen verfolgen, die
um so höher werden, je näher man dem eigentlichen Badeetablissement
kommt. Schliesslich folgen Blumenbeete, von Rosenhecken
eingefasst, die ganz aus einer unserer feinsten Treibsorten
(Marschall Niel) bestehen. Gleich darauf stehen wir vor dem ganz
heuerbauten Hotel. Gleichzeitig aber thut sich auch eine Aussicht
vor uns auf, welche die Augen mit Gewalt fesselt. Wir
stehen auf einer Hochebene, 550 m. über dem Meer, nur wenig
unter dem höchsten Kamm, der aber doch noch hoch genug ansteigt,
um im Winter Schutz vor dem rauhen Nord zu bieten.
Tief unter uns liegt, das Thal des Oued Dscher, dahinteraufeiner
anderen Hochebene das freundliche Dörfchen Ve s ou 1 -Bani an,
eine der wenigen Ansiedelungen in Algerien, die eine gleichartige
Bevölkerung aufweisen können; es sind lauter Franche-Comtois,
die zusammen ihre Heimath verlassen und sich hier angesiedelt
haben; sie finden durch Getreidebau und Viehzucht ihr ganz her-
hagliches Auskommen. Weiterhin erheben sich die Höhenzüge,
Welche uns vom Scheliiliha( trennen, und über sie hinweg ragen
in blauer Ferne die Berge v o n T e n i e t e lH a a d , die Stätte der
berühmten Cedernwälder, Zur Linken schliesst der D sehe bei
Mouzaia das Bild, zur Rechten erhebt sich unmittelbar gegenüber
der gewaltige Zaccar , 1580 m. hoch, von Nebelwolken
umzogen, wie fast immer Nachmittags, bei der wechselnden Beleuchtung
ein wunderbar schönes Bild bietend. Freilich ist die
Landschaft kahl, nur die nächsten Höhen um das Bad herum
sind mit Strandkiefern bedeckt, aber die prachtvollen Formen der
Berge und der wärmeren Tinten des Südens lassen das Grün
kaum vermissen.
Das Badehötel ist völlig neu, ein mächtiger Bau, leider
ganz im Styl aller modernen Badehötels erbaut, eine geräumige
Kaserne mit hübschen freundlichen Zimmern und allem Comfort
der Neuzeit. Es erhebt sich etwas oberhalb der alten arabischen
Badeanlage auf der Terrasse, welche einst die Römerstadt Aq u ae
Ca l i d a e trug. Die Stadt soll zur Zeit des Tiberius begründet
worden sein (32 n. Chr.) und blühte mit dem römischen Nordafrika
empor; eine direkte Strasse, deren Spuren noch heute zu
erkennen sind, verband sie mit Julia Caesarea, der Residenzstadt
Jubas, dem heutigen Cherchell. Es sind uns nicht allzuviel
Nachrichten über sie geblieben, aber bei dem fast leidenschaftlichen
Hang der Alten zum Gebrauch von warmen Bädern
können wir nicht bezweifeln, dass auch hier sich Tempel und
prachtvolle Thermenanlagen erhoben, denn die Quellen haben
ausser in Hammam Meskhoutin nicht ihres Gleichen in Nordafrika.
Ein paar Grabinschriften und Stümpfe von Säulen, sowie
ein paar Statuenreste, die mall beim Ausgraben der Fundamente
des neuen Hotels gefunden, und hier und da ein paar
Mauersteine, das ist Alles, was von der üppigen Römerstadt übrig
geblieben. Ueberall in Nordafrika ist ja die Zerstörung eine so
gründliche, wie nirgends sonst. Fragt man, wer das gethan, so
erhält man natürlich zur Antwort: die Vandalen Die haben einen
so furchtbaren Hass gegen die Römerkultur gehabt, dass sie sich
selbst an den entlegensten Orten die Mühe nahmen, die festesten
Bauwerke einzureissen und jeden einzelnen Stein noch einmal zu
zertrümmern! Die armen Vandalen müssen einmal Alles gethan'
haben. Sie haben gewagt, Rom anzutasten; das war mindestens,
ein’ so schweres Verbrechen, wie dass die Deutschen sich ver-
massen, Paris zu belagern; sie haben ausserdem der herrschenden
Kirche als 'Ketzer arg auf den Fuss getreten und den grossen
Fehler begangen, uns nicht selbst Nachrichten von ihrem Thun
und Treiben zu hinterlassen. So wissen wirs nur aus den Schriften
ihrer Feinde, die sicher ebenso glaubwürdig und unparteiisch sind,
wie die Berichte der französischen Blätter über die Ulans und
deren Vorliebe für die Pendulen; in welchem Lichte würden diese
erscheinen, wenn nur französische Berichte auf die. Nachwelt
kämen? Der Geschichtsschreiber Prokop von Caesarea, der mit
Belisar und dem Patrizius Salomon im Lande war, weiss wohl von
den üppigen marmorgeschmückten. Landsitzen, aber - noch nichts
vor der Zerstörungssticht der Vandalen zu melden, erst spätere
Schriftsteller erzählen davon und mit den Jahrhunderten ist es zum
feststehenden Glaubensartikel geworden, dass alle-die Zerstörungen
m Nordafrika den Vandalen zuzuschreiben seien. Ich werde an -
einer anderen Stelle nachzuweisen-suchen, dass die Vandalen nur
insofern eine Schuld trifft, als sie die Ringmauern der Städte
brachen und somit den wilden Bergstämmen den Weg bahnten.
Diese hatten dann allerdings in dem Zwischenraum zwischen dem