gewohnt sind.
Die eigentliche Gemeindeverwaltung liegt bei den Kabylen
des Dschurdschura in den Händen der Djemäa*), der Gemeindeversammlung
, und diese besteht aus allen erwachsenen waffenfähigen
Einwohnern männlichen Geschlechts; als erwachsen gilt
aber wer den Fastengesetzen des Ramadan in ihrer ganzen Strenge
nachkommen, d. h. vom Beginn der Morgendämmerung bis
zum Ende der Abenddämmerung sich jedes Genusses von Speise
und Trank enthalten kann. Das ist Arabersitte; nach altem
kabylischem Recht gilt der junge Mann (nach einer interessanten
Mittheilung von Sabat ier**) dann für volljährig, wenn ein um
seinen Hals gelegter Faden, wenn doppelt genommen, gerade solang
ist, wie die Linie um Stirn und Hinterhaupt herum. Die Idee,
ein bestimmtes Verhältniss der Halsweite zum Schädelumfang als
Kennzeichen der eingetretenen Volljährigkeit anzusehen, lässt die
Kabylen als denkende Kraniologen erscheinen und es wäre nicht
uninteressant, wenn die (Wissenschaft einmal den hier in Betracht
kommenden Verhältnissen ihre Beachtung schenkte.
Die Djemäa ist völlig souverän, aber sie ist gebunden an den
Kan oun , das uralte Recht und Herkommen, das, obschon ungeschrieben,
wie die Weisthümer der alten deutschen Dorfge-'
meinden, unverändert von Generation zu Generation überliefert
wird. Alle ihre Mitglieder sind, wenigstens theoretisch, vollkommen
gleichberechtigt, und für die wichtigeren Beschlüsse genügt
nicht die Majorität, sondern es ist Einstimmigkeit nöthig. Das erfordert
natürlich endlose Verhandlungen, die in vollständigster
parlamentarischer Ordnung geführt werden kein Redner unterbricht
den anderen, keiner spricht, ehe ihm der Amin das Wort
ertheilt. Kann man sich nicht einigen, so wird entweder die
Sache auf ein andermal vertagt, oder man legt sie einem Schiedsrichter,
.einem Marabut oder dem Amin eines anderen Dorfes vor,
dessen Entscheidung man sich dann unweigerlich unterwirft Zur
Ausführung der gefassten Beschlüsse und zur Erledigung der
laufenden Geschäfte wählt die Djemäa einen Bürgermeister,
*) Der Name bedeutet eigentlich das-Versammlungshaus der Gemeinde;
er ist eigentümlicherweise dem Arabischen entlehnt; kabylisirt lautet er
tha - djemäith.
**) Revue geographique internationale 1883 p. 104.
Ame k k e r a n oder Amr a r , gewöhnlich mit dem arabischen
Ausdruck Amin bezeichnet; er ist der Gemeinde verantwortlich
und in Budgetangelegenheiten .einer strengen Kontrole unterworfen
; seine Amtsdauer ist unbestimmt; wird die Gemeinde unzufrieden
mit ihm, so kann er jeden Augenblick abberuien werden,
er muss sein mühevolles Amt unentgeltlich verwalten,, und doch
ist der Kampf um die Stelle eines Amin in einem kabylischen
Dorfe eben so lebhaft und wird mit denselben Mitteln geführt,
wie in Deutschland bei einer Bürgermeisterwahl.
Dem Bürgermeister zugeordnet sind die T e m. m a n (Einzahl
Tarnen), ursprünglich nur als vollstreckende Gewalt, gleichsam als
Ortsdiener; ihre Stellung ist aber eine wesentlich andere dadurch, dass „
sie gleichzeitig die Vertreter der einzelnen Kharrouba, der Geschlechter,
sind. Das Geschlecht, Adroum,*) doch gewöhnlich
Kharrouba oder kabylisirt Thakher roubt genannt — weil man
die Vereinigung mit der viele Kerne enthaltenden Schote des Johannis-
brodbaumes vergleicht, - die Vereinigung der blutsverwandten
Männer, ist die Einheit des kabylischen Dorfes; der Mann gilt nur
als Glied seines Geschlechtes, er steht ein für seine Genossen und diese
für ihn, doch haben die einzelnen Glieder des Geschlechtes gesonder-
tes Eigenthum, was dieses von den serbischen Familienverbänden
unterscheidet. Jede Kharrouba regiert sich nach denselben
demokratischen Principien, wie die Gemeinde,. und da ihr Vorsteher
gleichzeitig T a rn en ist, fungirt die Gemeinschaft der Tem-
man in minder wichtigen Angelegenheiten auch' statt der Gemeindeversammlung.
Der Tarnen hat gleichzeitig innerhalb'seines
Geschlechtes die Ausführung der Gemeindebeschlüsse zu besorgen
und die Steuern zu' erheben, was die Geschäfte wesentlich vereinfacht
und Widersprüche gegen die gefassten Beschlüsse verhütet,
In der neueren Zeit, wo die französische Regierung sich
die. Ernennung oder doch Bestätigung des Amin Vorbehalten hat,
sind die Temman ausdrücklich als Vertreter ihrer Geschlechter
anerkannt worden, und für diese der Regierung gegenüber verantwortlich,
ihre Gemeinschaft hat damit ganz die Stellung eines
Gemein der athes' erhalten und die Djemäa wird nur noch bei wichtigeren
Gelegenheiten zusammenberufen. Neben ihnen bleibt aber
immer noch den Akil, den Alten oder Weisen, ein bedeutender
*) Bei den freien Alt Aissa im hohen Atlas nach Sabatier J r ’eus.