gewesen — lange Zeit hindurch diese Tendenz begünstigt und o o o o
in manchen Gegenden erst den Arabern den Weg gebahnt. Aber
jetzt lernen in den Schulen Hunderte, dass sie die eigentlichen
Herren des Landes, die Araber nur Eindringlinge und Unterdrücker
sind', und die instinktmässige Abneigung, die der sesshafte
Kabyle immer gegen den schweifenden Araber empfand,
wird damit zum bewussten Hass. Ein Nationalbewusstsein erwacht,
die zersplitterten Stämme beginnen sich als Blutsverwandte
zu fühlen, und sie nehmen den Kampf mit dem Eindringling
auf. Die Franzosen sehen das nicht ungern, so lange die Bestrebungen
sich gegen den Araber richten; sie thun jetzt sogar
Alles, das kabvlische Nationalitätsgefühl zu stärken, sie versuchen,
eine kabylische Literatur mit französischer Schreibweise zu schaffen,
und so lange die Kabylen noch mit den Arabern zu thun haben
und man ihre Gemeindeeinrichtungen nicht antastet, werden sie
gute Freunde der Franzosen bleiben. Ihre Kulturfähigkeit haben sie
ja in Spanien und auch schon einmal' in Nordafrika erwiesen und
sie werden sie wohl noch einmal erweisen. Aber was wird dann
kommen? Wird der Kabyle mit dem Franzosen und dem Spanier zu
einem neuen liby-romanischen Kulturvolk verschmelzen? oder wird
er gesondert bleiben und wenn die Zeit gekommen, wenn er die
Naturkräfte so gut wie der Europäer meistern gelernt, auch diese
Fremden hinauszutreiben versuchen ? Es ist ein noch unverbrauchtes,
kräftiges Naturvolk, wer will sich vermessen, die Bahnen
seiner künftigen Entwickelung genau vorherzusagen ? Möglich,
dass es sich zum dritten Male zum Kampf mit Europa stellt,
dass es dann seine Unabhängigkeit erringt; aber wenn das geschieht,
wird das Berbervolk auch soweit fortgeschritten sein, dass die
Menschheit keine Einbusse dadurch erleidet und der freie Kabyle
wird sich der civilisirten Menschheit als nützliches Glied einfügen. —
Zwölftes Kapitel.
Von Bougie n ach Konstantine .
Mit dem ersten Mai schien endlich das Wetter sich besserfa
zu wollen, und da wir mit der Umgebung von Bougie ziemlich
fertig waren, entschlossen wir uns durch Ch ä b e t el- Akra
wieder zur Hochebene' hinauf zu steigen, um in Setif die Bahn
näch Konstantine zu gewinnen. Somit bezahlten wir am zweiten
Mai die unverschämt hohe Rechnung und nahmen Plätze nach
Kerata, wohin die Diligence um zwei Uhr Nachts abgehen sollte.
Um ein Uhr weckte uns der Kellner, ein biederer Schweizer, der,
e r s t seit Kurzem in Afrika, an Heimweh litt und die Kabylen
»arg grusig« fand, aber es war lange halb drei vorüber, ehe der
Wagen, sich in Bewegung setzte.
Die Strasse folgt dem Meeresstrand für beinahe vierzig Kilometer.
Als der Morgen graute, fuhren wir durch einen pracht-
volleti Wald hochstämmiger Bäume mit dichtem Unterholz und
bis zum Wipfel hinaufrankenden Schlingpflanzen. Wilder oder
wohl richtiger verwilderter Wein spielt eine Hauptrolle, die tropischen
Lianen ersetzend, und das ' Ganze ist, ein undurchdringliches,
sumpfiges Dickicht, wie gemacht zum Aufenthalt für Wildschweine
und den sie jagenden Panther. Nur ganz einzeln findet
ms*n in dieser fruchtbaren Ebene, Sidi Rehane genannt, europäische
; Ansiedelungen, denn das .Klima ist für den Europäer äusserst
verderblich, und mehrfach bekunden verwilderte Lichtungen und
zerfallene Häuser, welches Schicksal die von der wunderbaren
Fruchtbarkeit angelockten Kolonisten getroffen. Auch die Eingeborenen
leiden darunter und die Pflanzuflgen von Oelbäumen,
die man hier und da sieht, gehören zu Dörfern, welche weit oben
am Berghang liegen. Es ist schade um das herrliche Land und
meiner Ansicht nach ein schwerer Vorwurf für die Regierung;
würden die beiden hier mündenden Flüsschen und einige Bäche
regulirt, was sehr wenig Schwierigkeiten zu bieten scheint, so
würde diese Ebene bald die üppigsten Vegas Südspaniens und
die Goldmuschel von Palermo in den Schatten stellen. Man sollte
wirklich manchmal meinen, dass die Bewohner von Bougie nicht
ganz Unrecht haben, wenn sie behaupten, man vernachlässige ihre
Gegend absichtlich, um zu Gunsten der andren Küstenstädte, das
Aufblühen- ihrer Stadt zu hindern. s
An einem einsamen Gehöfte hielten wir, um Kaffee zu trinken;
die Leute sahen krank aus und neben der Thüre war der
Arrêt angeschlagen, durchweichen ihr Anwesen z u r Versteigerung
ausgesetzt wurde. Im Trab ging es hinauf nach dem scharf ins
i Meer hinein vorspringenden Kap Aok k a s , auf dem sich ein
Kolonistendorf zu entwickeln beginnt, und um dasselbe herum;
noch 2—3 ähnliche Vorsprünge folgen, dann öffnet sich ein weiteres
Thal, durch welches der O u ë d A g r i o u n dem Meere zu