Ein Stückchen unterhalb der Smalah hielten wir; hier hatte
die Regierung früher eine Musterschäferei eingerichtet, um in der
kühlen Berggegend Angoraziegen, Lamas und Vicunas an • das
algerische Klima zu gewöhnen. Es war das zu einer Zeit, wo
man noch alles Heil für Algerien von der Einführung fremder
Kulturen und Zuchtthiere hoffte. Dem Garten von Hammä ist
diese Strömung zu gut gekommen; heute hat man sich überzeugt,
dass die Veredelung der einheimischen Hausthierracen bessere
Resultate verspricht, als die Einführung fremder Arten, und der
Reaktion ist auch die Musterschäferei von Ben Chicao zum Opfer
gefallen. Die Angoraziege soll nicht sonderlich gediehen sein,
während ihre Zucht in Frankreich, wenigstens im Anfänge, recht
gute Resultate gegeben haben soll. Wenige Minuten jenseits der
Haltestelle erreichten wir mit cca. 1530 Meter den Kulminationspunkt
der Strasse. Nur vielleicht hundert Meter höher lag der
Gipfel des Dschebel Al i ben Hassen, einer der wichtigsten
Knotenpunkte der Provinz Algier, von dem aus die Bergketten
laufen, welche Isser, Scheliff und Schiffa und deren zahlreiche
Zuflüsse scheiden. Er muss ein prächtiges Panorama über das
ganze Bergland bieten, in welches hier die Hochebene bereits
verwandelt ist, aber es fehlte uns leider die Zeit, ihn zu besteigen
und wir mussten uns mit der ausgedehnten Fernsicht begnügen,
welche die Strasse bald nach links, wo in blauer Ferne der Dira
bei Aumale mit seinen seltsam geformten Kuppen den Horizont
begrenzt, bald nach rechts bis zum Matemata und den Zedernbergen
von Teniet el Haad darbot. Weiter ging es, immer auf
der Höhe hin. Von dem Plateau ist hier nur ein schmaler Bergzug
übrig geblieben, an dem von beiden Seiten her die Wasser nagen
und dessen Kamm die Strasse in grossen Windungen folgt, während
die arabischen Reitwege quer hindurchschneiden. Aber das
ganze Gebiet, das Eigenthum der Ali ben Hassen, ist ein
fruchtbares Schiefer- und Mergelland, nur hier und da von wenig
aufgerichteten Kalkbänken durchzogen und reichlich bewässert,
grün bis- auf die Kämme hinauf. Unter vernünftigem Schutz
werden sich selbst die höchsten Kuppen bald wieder mit Wald
bedecken. An dem steilen Abfall nach dem oberen Isserthal,
gute Ländereien für die Kolonisation verwenden zu können; man will die
verheiratheten Leute der Gensdarmerie zuweisen und in die Kasernen vertheilen
und nur ledige als Spahis hehalten.
welcher die Strasse zu mehrfachen Serpentinen zwingt hatsi
sogar recht hübscher Wald erhalten und m den Schluchten stehe
noch prächtige Eichen. Neben der immergrünen Eiche mit den
essbaren Früchten {Querem ballota) und der ebenfalls immergrünen
Korkeiche {Querem suber), welche' in ihrem Rindenpanzer der
Hitze am Meeresufer wie der Kälte im Hochgebirge trotzen kann
wächst hier die sommergrüne Ze n n e i c h e {Quercus Mtrbeelci),
die in dieser hohen Lage eben die ersten Blatter austneb.
Unten in einem weiten fruchtbaren Thalkessel, dessen Bache
zum I s s e r or i e n t a l - im Gegensatz zum Isser Occidental der
Provinz Oran ■ zusammenrinnen und durch die Gorges von
Palestro dem Meere Zuströmen, liegt Be r r u a g u i a , das Centrum
für die Kolonisation dieses Gebietes,. 1860 an einer Stelle^ gegründet,
wo der Bey von Titteri früher einen Marstall unterhielt.
Es liegt an der Stelle einer Römerstadt, m welcher Mac Carthy
die Station T i r i n a d i sieht, während Leon Remer auf Inschriften
— M e i M gefunden M Die nene
Ansiedelung ist noch ziemlich unbedeutend, da ihr die natürliche
Verbindung das Thal hinab fehlt und sie ihre Produkte nur auf
dem beschwerlichen Umweg über Medeah zum Meere^ schaffen
kann. Die Haupteinnahmequelle ist darum vorläufig le le
zücht, für welche die Gegend ganz besonders geeignet erscheint;
die Abi d, welche die Umgegend bewohnen, sind, wie die A
-ben Hassen, arabisirte Kabylen und emsige Ackerbauer; der
Markt von Berruaguia ist darum von grösser Bedeutung. Europäische
Farmen schieben sich in verschiedener Richtung j le
Seitenthäler hinein und prosperiren in dem tiefgründigen, fruchtbaren!,
reichbewässerten Boden unverkennbar.
Nach kurzer Rast ging es weiter. Ich musste unsere Pferde
bewundern; sie hatten schon 35 km im scharfen Trab gemacht,
davon 24 steil bergauf, aber noch war kein Haar nass, und sie
waren so wenig müde, dass sie. beim Halt eine tolle Balgerei
untereinander begannen und kaum auseinander gebracht werden
konnten Im tollen Galopp stürmten sie dann den Berg hinauf,
wussten sie ja doch den Stall in der Nähe. Und dabei bekommen
sie keinen Hafer, nur das Futter auf der Weide. Hafer wird
überhaupt den eingeborenen Pferden nicht gegeben, man e-
hauptet, sie vertrügen ihn nicht und gingen bei Haferfütterung
leicht zu Grunde: importirte Pferde dagegen befinden sich bei