Konförderationen in derselben Weise wie den Araberstämmen
Kaids und Aghas zu setzen und diesen dieselben Befugnisse zu
geben, wie im Araberland. Blutige Aufstände ohne Zahl sind
die Folge gewesen; die letzten Insurrektionen in der Aures waren
nicht gegen die Franzosen, sondern nur gegen die Kaids gerichtet.
Seit die Republik den kabylischen Gemeindeeinrichtungen
ein besseres Verstau dmss entgegenbringt und ihre demokratischen
Grundsätze achtet, denken die Berber an keinen Aufstand mehr und
helfen sogar gerne am Weiterausbau ihrer Gemeinde- und Stammverfassung.
So hat die französische Regierung neuerdings eine
Einrichtung eingeführt, welche den vollen Beifall der Kabylen
findet, eine Art Kreistag, die Schkai a . Zu bestimmten Terminen
treten die sämmtlicheii Amins eines Bezirkes unter Vorsitz
des französischen Kreisdirektors zusammen, ihre Berathungen sind
öffentlich und jeder Bewohner des Bezirkes kann in der Versammlung
erscheinen und seine Beschwerden Vorbringen. Das fiat
sich rasch eingebürgert und hier ist der Punkt, wo der Hebel
angesetzt werden muss, um die Kabylen für die Civilisation zu
gewinnen. So heilig nämlich der Berber das Herkommen achtet,
so gilt es ihm doch durchaus nicht für unveränderlich, er wird nie sein
Sklave, wie der Araber, sondern er behält sich jederzeit das Recht
vor, es nach den veränderten Umständen auch zu verändern.
Gelingt es, den einflussreichsten Leuten die Ueberzeugung beizubringen,
dass irgend ein alter Gebrauch nicht mehr zeitgemäss
sei, so wird dessen Abänderung bald genug durchgesetzt sein,
und wenn einmal die neuen Schulen, welche man seit zehn Jahren
im Kabylenland errichtet, ihre Schuldigkeit gethan haben und sich
eine kabylische Presse bilden kann, wird deren Einfluss ein ganz
anderer sein, als im Araberlande.
Dazu hilft der tiefgehende Unterschied in der religiösen
Ueberzeugung zwischen Araber und Kabyle. Beide sind eifrige
Muhamedaner und der Kabyle ist vielleicht, wenn ihn ein verehrter
Marabut in den heiligen Krieg ruft, der fanatischere von
beiden. Aber die Grundlehre des Islam ist ihm nicht in Fleisch
und Blut eingedrungen. Der Araber redet nicht nur, wie auch
unsre Frommen, immer davon, dass die Erde nur ein Jammerthal
sei, eine Prüfungsstation, ein Gasthaus, das dem Fremdling nur
für drei Tage Herberge bietet und dass es nicht verlohne, sich
darin behaglich einzurichten, dass vielmehr jedes Bemühen um
zeitliche Wohlfahrt nur dem ewigen Heile schädlich sei, sondern
er handelt auch danach. In der B e z i e h u n g ist der Araber unendlich
mehr Christ — denn Muhamed hat die betreffenden Le
ren ja dem Christenthum e n tle h n t- , als die frömmsten der
¿Diener am Worte Gottes«, die es durchaus nicht verschmähen,
auch für das Zeitliche zu sorgen und sich den Aufenthalt im
irdischen Jammerthal so bequem als möglich zu machen. Beim
Araber kann man aber auch erkennen,-wohin die Befolgung der
reinen christlichen Lehre führen muss und welche Bedeutung ur
das ganze Abendland die Germanisiruiig der ursprünglichen
semitischen Lehre und freilich noch mehr ihre wenn auch widerwillige
Anpassung an die seit dem fünfzehnten Jahrhundert wieder
erwachende heidnische Humanitätsidee gehabt hat. Vom
Araber ist darum eine Betheiligung an den Arbeiten der Cmli-
sation so w e n i g zu erhoffen, wie, wenn auch aus ändern Gründen,
vom Türken. „ , ,
Ganz anders der Kabyle. Er war allezeit ein Befolger des
den Grundlehren des Christenthums wie denen des Islams wi erbrechenden
Grundsatzes: .Hilf dir selbst, so hilft dir Gott«.
Vom Islam hat er darum nur den Theil angenommen, der ihm
passte, und das war wenig genug. Selbst um die ausseren Cere-
monien kümmert er sich nur sehr wenig und Kabylen, welche die
vorgeschriebenen -fünfmaligen Waschungen am Tage vollziehen,
sind äusserst selten. Ebensowenig halten sie die Speiseverbote, sie
essen unbedenklich das Fleisch gefallener Thiere, und wo Wem
wächst, wie z. B. im Rif, haben sie sich dessen Genuss niemals
wehren lassen. Erkrankt der Araber, so wird er selten ärztliche
“Hülfe in Anspruch nehmen, höchstens lässt er sich ein Amulet
‘ schreiben, hilft das nicht,.so mag es gehen wie Allah will Der
Kabyle dagegen ist ein guter Kunde der europäischen Aerzte, und
Chinin und manche Geheimmittel sind sehr gesuchte Artikel im
Kabylenlande. Was sie überhaupt glauben, davon haben wir
eigentlich noch keine rechte Idee. Allem Anschein nach tritt
aber Allah vor den lebenden oder noch nicht allzulang verstorbenen
Heiligen in den Hintergrund; die Verehrung der Heiligen ist der
Kern der kabylischen Religion und der Umstand, dass die Kub-
bahs derselben mit Vorliebe auf hochragenden Punkten stehen,
könnte darauf deuten, dass sie nur an die Stelle der alten einheimischen
Götter getreten sind. Freilich auch von denen wissen