sie den Sardinenfang an der provençalischen Küste fast ausschliesslich
in Händen; sie gehen auch nach Algerien hinüber, können
aber dort gegen die Sicilianer nicht aufkommen.
Auf eine Länge von fast 25 Kilometer läuft die Bahn dem
Etang entlang, dann steigt sie ziemlich rasch empor und durchbricht
in einem langen Tunnel die Cha î n e de l ’E s ta que.
Am Ausgang erscheinen in der Ferne die Leuchtthürme, dann auch
die Strassenlichter von Marseille, und in einem weiten Bogen
geht es hinunter zum Bahnhof.
Als wii am ändern Morgen die Läden unseres kleinen Zimmers
im Hôtel Beauvau Öffneten, lag unmittelbar vor uns der
Innenhafen, der heute nur noch dem Lokalverkèhr und als Bootshafen
dient ; links oben schimmerte die vergoldete Statue »unserer
lieben Frauen von der Hüth« (Notr e dame de la Garde) durch
den Morgennebel, der Himmel war dick und trüb, aber der Sturm
hatte sich gelegt und es war ganz behaglich warm. Unseres,
Bleibens im Zimmer war nicht lange; schon bei guter Zeit waren
wir unterwegs, um der Heiligen, die ja über die Wellen des
Mittelmeeres eine ganz specielle Herrschaft ausübt; unseren pflichtschuldigen
Besuch abzustatten, dabei eine Uebersicht über die
Stadt zu gewinnen, und nebenbei ein wenig zu sammeln. Der
Weg ist nicht zu fehlen. Durch hübsche breite Strassen, in deren
Rinnsteinen überall das Wasser der Durance rieselt, stiegen wir
empor und gelangten bald in die P r om en ade de P i e r r e
P u g e t , eine reizende von Strandkiefern beschattete Anlage mit
Teppichbeeten, Kaskaden und Bassins und einer wunderbaren Aussicht
auf die Stadt, den Hafen und die Inseln davor. Eine enge
Gasse führt weiter hinauf und endet an dem kahlen Kreidefelseft,
der das Heiligthum trägt. Derselbe ist ziemlich steil, erlaubt aber
überall das Emporsteigen ; in diesem Frühjahr war er fast kahl,
denn auch hier hatte sich der Winter durch Regenmangel ausgezeichnet.
Hier oben hat von jeher ein Heiligthum gestanden,
schon zur Zeit als der Phokäer Eu x inos hier landete und von
der Tochter des Segobriger-Fürsten Nann. zum Gemahl erwählt
Massilia gründete, und kein Seefahrer unterliess ès, hier oben von
der grossën Göttermutter Schutz zu erflehen, ehe- er den Hafen
verliess. Das bliëb auch so, als das Christenthum die alten Götter
stürzte, und heute noch vergisst es selten ein katholischer Matrose,
vor der Abfahrt oben eine Messe zu hören und 'ein Bild
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der Mutter Gottes zu kaufen, das, an den Mast befestigt, vor Schiffbruch
behütet. Seit 1214 stand eine Kapelle hier oben, aber sie
hat dem frommen Sinn unter dem zweiten Kaiserreiche nicht
mehr genügt und musste einem mehr prunkvollen, als schönen
Neubau Platz machen, von dessen Thurme das goldglänzende Bild
der Jungfrau mit dem Kinde das Meer überschaut, dem Schiffer
bei Tage' die sicherste LaBdmarke. Die kostbarsten Materialien
sind bei dem Bau verwendet worden, .das Innere ist mit carrarischem
Marmor ausgekleidet, mit Mosaiken und Wandmalereien
überreich verziert, aber das Schönste bleibt doch die wunderbare
Aussicht von der Terrasse- auf die amphitheatralisch am Hang sich
auf bauende Stadt mit ihren Häfen und den Küstenbergen dahinter.
Die Mutter Gottes hatte vielen Zuspruch, namentlich vonge-
putzen jungen Damen; sie erstreckt also ihre Wirksamkeit nicht
nur auf das Meer. Die Besucherinnen kamen aber fast ausnahmslos
in eleganten Equipagen, denn man hat eine bequeme Fahrstrasse
bis ; zum Beginn der Marmortreppe angelegt, die auch wir
beim Hinabsteigen einschlugen. Sie führte uns an den ungeheuren
Steinbrüchen vorüber, aus denen die rasch wachsende Grossstadt
ihr Bau- und Pflastermaterial bezieht und die mit der Zeit den
ganzen Hügel abzutragen drohen; Versteinerungen fanden wir darin
nur spärlich.
Nach dem Frühstück besuchten wir den Stolz Marseilles, die
Rue Cannebi e r e . Von einem Cafe der Börse gegenüber aus
sähen wir dem Treiben zü, das hier bunter ist als sonst auf der
europäischen Seite des Mittelmeers. Mauren, Türken, Araber,
Griechen, Albanesen in ihren Nationalkostümen passiren vorüber,
dazwischen die Trambahnwagen mit schweren Apfelschimmeln
bespannt, Droschken und elegante Privatequipagen mit den zierlichen
Pferdchen von Corsika und aus der Camargue, und schwere
zwei- und vierrädrige Karren mit 4—6 Pferden oder Mauleseln
hintereinander. Dem Fremden fällt die eigentümliche Form der
Kummete auf; sie sind nicht leierförmig, wie sonst in Südfrankreich,
sondern haben nach oben eine lange Spitze; um den Lederkörper
herum läuft ein gebogenes Holz, dessen beide Enden seitlich
vorspringen, sie tragen Ringe für die Zügel und an ihnen ist
gewöhnlich ein aufgerolltes F eil befestigt mit dem man die Thiere
bei schlechtem Wetter-zudeckt. Wie überall, wo Franzosen wohnen,
waren die Pferde gut gehalten, auch die Hunde zeichneten sich