von Algier, der Metidja. Ueberall liegen gut gedeihende
Kolonistendörfer, von sorgsam kultivirten Weizenfeldern umgeb eit;
nur noch ganz einzeln findet man Douars, Zeltdörfer der Araberstämme,
welche einst die ganze Ebene, aus der sie die Kabylen
in die Randberge gedrängt hatten, bewohnten. Sie beschäftigen
sich noch fast ausschliesslich mit Viehzucht, in der üppigen, atich
im Sommer grünen Ebene können sie das auch ohne zu nornadi-
siren, aber sie fühlen sich doch unbehaglich, eine Besitzung nach
der anderen geht in Kolönistenhände über und der frühere Besitzer
wird, wenn ihm das erhaltene Kapital unter den Fingern
zerronnen ist, zum Viehtreiber und Tagelöhner. Meist aber zieht
„er es vor, nach Algier zu gehen und dort auf eine nicht allzuanstrengende
Weise seine geringen' Lebensbedürfnisse zu erwerben.
Ihm macht der Verlust seines Vermögens keinen grossen Kummer;
melctub rebbi, der Herr hats geschrieben, damit trösten sich die
unverbesserlichen Fatalisten; das Leben ist ja doch nur kurz und
im Paradiese wird er es um so besser haben. So weicht der
Araber auch ohne Zwang ziemlich rasch, aus den von der Kolonisation
einmal in Angriff genommenen Gebieten und seine Tage
in Nordäfrika, die Sahara ausgenommen, sind gezählt.
Wir durchfahren drei kleinere Stationen, Gue de Constan-
tine, wo die Strasse nach Aumale den Fluss überschreitet, Baba
Ali und Birtouta mit seinen grossen Ziegeleien. „ Dann beginnt die
Ebene sich mit Früchtbäumen zu füllen, Alleen von Cypressen
durchschneiden sie nach allen Richtungen, wir nähern uns Boufarik,
dem aufblühenden Centrum der Ebene. Kein anderes Städtchen
von Algerien hat so vom Fieber gelitten, wie dieser »Kirchhof
der Metidja«. Drei ganze Generationen von Ansiedlern sind den
Miasmen erlegen, die der frisch gerodete Boden aushauchte; aber
die Fruchtbarkeit der Felder lockte immer wieder neue Kolonisten
herbei, und schliesslich blieb die Kultur Sieger über die bösen
Geister, welche die 'verwilderten Länder zu hüten scheinen. Heute
ist Boufarik ein reiches blühendes Städtchen und so gesund wie
irgend ein anderes in ganz Nordafrika, und sein Wochenmarkt
ist der besuchteste in der ganzen Ebene. Hier liegen auch ausgedehnte
Baumschulen, welche.Algerien mit Orangen, Citronen
und anderen Früchtbäumen versorgen. Die Platanen, vom Sahel
gegen die Nordwinde geschützt, waren weiter vor als in dem
tiefer gelegenen Algier.
Nun nähert sich die Bahn dem Gebirge, dessen schluchtenreichen
Abhang man genau erkennen kann, bleibt aber immer
in der Ebene. Nach Norden hin übersieht man die Sahelkette
mit dem weiss leuchtenden Ko leah, der heiligen Stadt der
Uled Sidi Embarek, weiterhin ragt die gewaltige Pyramide
des numidischen Königsgrabes, ’das die Araber Rubber er Rumiah,,
Grab _ der Christin, nennen und'mit den manniOg fachsten Saönen
umsponnen haben, und noch weiter westlich erscheint am Horizont
die bläuliche Masse des CBenouah; deutlich erkennt man die
Scharte, in welcher der Mazagran die' Sahelkette durchbricht; er
und der Harrasch haben den See, der ehemals die Ebene einnahm,
trocken gelegt. Im vorigen Jahrhundert hatte sich in Folge der
Vernachlässigung des Mazagran am Fusse der Hügelkette gerade
unter dem Grab der Christin eine neue Wasseransammlung gebildet,
der See Halloula, der ebenfalls in den arabischen Sagen
eine bedeutende Rolle spielt; die Franzosen haben ihn durch
einen Kanal ausgetrocknet und dadurch die westliche Metidja
vom Fieber so ziemlich befreit. Damit ist freilich auch ein Erwerbszweig
der ärmeren Eingeborenen vernichtet worden, denn
im Halloula fanden sich massenhaft Blutegel (nicht unser Hirudo
officinalis, sondern H. interrupta Moq., der Dragoneregel, der sich
durch geringere Grösse und schwächere Mundbewaffnung auszeichnet).
Frauen und Kinder gingen ins Wasser und liessen
die Egel sich ansaugen ; die gefangenen gaben einen recht wichtigen
Exportartikel ab, so lange die alte medicinische Schule noch in
Blüthe war. Auch die Jagd auf Wasservögel in der Metidja hat
seitdem ihr ergiebigstes Feld verloren und die Algierer Feinschmecker
bekommen keine Aale mehr, da dieser Fisch sich jetzt
nur noch im Harrasch und zwar recht selten findet.
Von Boufarik aus läuft die Bahn immer dem Südrand der
Ebene entlang, meist durch Orangenpflanzungen, vorbei an dem
koketten Bli d ah und der Mündung der Schiffaschlucht, die wir
auf dem Rückwege zu besuchen gedenken, und tritt dann in das
Thal des Oued Dscher, welcher mit der Schiffa zusammen den
Mazagran bildet. Nach Süden hin beherrscht der gewaltige
Eschebel Mouzaia die Gegend, vor uns wird in blauer Ferne
die Glockenform des Zaccar sichtbar. Jenseits el Af f r oun wird
das Thal enger und beginnt -sich zu winden, und es müssen ein
paar Einschnitte und Tunnels passirt werden. Der Boden scheint
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