führte. Ein prächtiges Poma t i a s , das wir hier in grösser
Menge fanden, erfreute uns um so mehr, als die Existenz dieser
Gattung m Tunisien noch nicht - einmal bekannt war und unser
Fund die Lücke zwischen den algerischen Fundorten in der Provinz
Konstantine und Westsicilien ausfüllte. Ausserdem fänden
wir noch eine andere, uns neue, sehr auffallende Schnecke und
auch sonst noch manches Interessante, alles - auf einen kleinen
aum zusammengedrängt, und seelenvergnügt kletterten wir an
dem steilen Hang empor , in der Hoflhung, an den Gipfelfelsen
noch weitere Entdeckungen zu machen.
Leider wurde aber das Gestein bald schieferig und damit
schwand die Hoffnung auf Ausbeute, und als wir endlich an den
oberen Felsen anlangten v boten sie nichts anderes, - als die unteren
auch. Da der Horizont umzogen war, hatte es keinen Zweck, bis
zum Gipfel hinaufzusteigen; wir gingen eine Zeit lang dem mit
Wachholderbüschen bewachsenen Kamm entlang und stiegen dann
wieder ins Thal hinunter.
Unten überraschte uns die Zwergpalme durch ihre Häufigkeit;
um Goletta hatten wir sie nicht gesehen, auch sonst haben
wir sie in Tunisien nicht gefunden und auch hier am Bon Kornein
ist sie auf eine ziemlich kleine Stelle am Westfuss beschränkt
und steigt nicht am Hange empor; hier -beginnt also schon das
eigenthümliche, auf vorspringende Kaps beschränkte Vorkommen,
welches sich der Westküste Italiens entlang bis-nach Toskana
fortsetzt.
In-der Bretterbude bei dem alten Metzer fänden wir ein ganz"
gutes Mittagessen. Dann ging ich allein noch einmal den Felsen
zu, welche sich etwas mehr nach Tunis hin erheben. Ein niederes,
aber steil abfallendes Vorgebirge'tritt dort in die Ebene hinein;
seine äusserste Spitze, die eineh verfallenen Wachtthurm trägt’
ist durch eine schmale Kluft v_om Reste getrennt. Die scharfe
Scharte ist auch von Tunis aus sichtbar und die nimmer rastende
Phantasie des Arabers hat sie mit einer Legende umsponnen;
Darbet m’ta Sidna Ali, den Hieb unseres Herrn Ali, nennt
er sie, und erzählt, Ali, der Schwiegersohn des Propheten habe,
in der Ebene unten von den Ungläubigen schwer bedrängt, mit
seinem Schwerte den Felsen gespalten, und so seinem Heere
einen Ausweg gebahnt. Dieselbe Sage .knüpft sich freilich auch
noch an einen ähnlichen Felsenspalt in Südtunis, und nach anderen
war es nicht Sidna*) Ali, der den Hieb führte, sondern Sidi
Saissa, der biblische Simson, welchen die maghrebinischen
Märchenerzähler als ihren Landsmann in Anspruch nehmen. **)
Nach der tunisischen Seite hin fällt der Vorsprung steil ab, von
Hammam Linf aus aber führt ein bequemer, offenbar früher viel
betretener Weg hinauf und gerade in die Scharte hinein. Diese
selbst ist eine äusserst merkwürdige Bildung. Allem Anschein
nach ist hier eine natürliche Kluft immer gewesen; am Steilhang O " o
führt sie hinunter bis zur Ebene, ist aber bis auf einen schlotartigen
Rest ausgefüllt; die Wände sind mit einem Uebeizug von
eigenthümlich angeordneten Kalkspathkrystallen überdeckt. Der
obere Theil aber ist offenbar auf künstlichem Wege erweitert und
für Saumthiere passirbar gemacht. Man erkennt ganz deutlich,
dass der Vorsprung früher als ein Kap ins Meer hinein ragte
und die Verbindung zwischen Tunis und der nach Hammamet
führenden Strasse vollständig sperrte; die schmale Ebene ist eine
neue Bildung der Miliana und bei schweren Stürmen wird das
*) Sidna bedeutet unser Herr, und wird nur den allerhöchsten Heiligen
beigelegt; neben Ali hat eigentlich nur Aissa ben Mirjam,- also Jesus, Anspruch
auf diesen Ehrentitel; alle anderen müssen sich mit Sidi, mein Herr,
begnügen. Gewöhnliche Leute titulirt man nur Si.
**) Folgende-Legende erzählte im Ramadan ein Märchenerzähler in
'Goletta: Sidi Saisäa kam eines Tages nach Stambül; dort ging er vor den
Palast des Grosssultans und sagte zum Wächter: Sage dem- Sultan, dass
ich ihn sehen will, er soll morgen zu mir kommen. Der Wächter lachte
und sagte es dem Hofnarren und dieser meldete es dem Grossherrn, der sich
über den komischen Kauz weidlich ablachte. Am anderen Tage kam der
Riese wieder und sagte zum W ächter: Warum ist der Sultan nicht gekommen?
ich habe bis drei Uhr auf ihn gewartet. Sage ihm, dass er morgen früh
um sieben pünktlich kommen soll, sonst werde ich böse. Das meldete wieder
der Wächter dem Hofnarren und dieser dem Sultan; und nun ging ein Bote
zu Sidi Saissa und befahl ihm schleunigst zum Sultan zu kommen. Aber
der kam schlecht an. Ist der Sultan verrückt ?, fuhr ihn der Riese an, ich
bin solche Botschaft nicht gewohnt, sag’ ihm, er solle sofort herkommeri,
sonst geht es ihm schlecht. Der Sultan sandte seine Wache, aber mit einer
Handbewegung warf Saissa sie über den Haufen. Dann kam ein Janitscha-
renregiment. Aber nun zog der Riese sein furchtbares Schwert; ein Hieb
und die Köpfe des ganzen Regimentes lagen am Boden. Dann stürmte er
zum Konak, zertrümmerte ihn, holte den "Sultan heraus und erschlug ihn.
Und dann ging er in den Maghreb zurück, und wenn er nicht gestorben
wäre, lebte er heute noch. — (Ich verdanke die Uebersetzung dem Herrn
Maler Fuchs).