selbst gegen Italien; die einzige Verbindung zwischen Tunis und
Italien sollte ein Dampfer nach Genua alle vierzehn Tage unterhalten,
mit 18 Tagen Quarantäne für die Passagiere; die Küstenfahrten
nach Süden waren ganz eingestellt, aber auch nach Marseille
war die Verbindung ganz unsicher und vorläufig zeigte sich
keine Möglichkeit, ohne mehrwöchentliche Quarantäne von Tunis
wegzukommen. Das kostet aber nicht nur Zeit, sondern auch viel
Geld, denn in den italienischen Quarantänen muss man mehr
zahlen, als in den theuersten Hotels; wir entschlossen uns also
um so eher, abzuwarten, als ohnehin von einer Fortsetzung unsrer
Reise durch Sicilien und Kalabrien keine Rede mehr sein konnte.
In Tunis selbst aber zeigten sich die herkömmlichen Sanitätseinrichtungen
in ihrem vollen Glanz. Von Muhamedanern kann
man in der Beziehung nichts verlangen. Méktub Rebhi, der Herr
hat’s geschrieben, -sagen die unverbesserlichen Fatalisten; wenn
Allah will, wird die Cholera ' kommen, und es ist eben so vergeblich,
wie sündhaft, sich seinem Willen zu widersetzen. Darum
hat man in den muhamedanischen Häfen, wo noch die sogenannte
Kapitulationen gelten, die Sanitätspolizei den fremden Konsuln
übertragen und der so gebildeten Behörde 'bestimmte Abgaben
von den einlaufenden Sehiffen zugewiesen. Der Conseil génér a l
sani tai re von Tunis ist mit sehr weitgehenden Vollmachten ausgerüstet;
er kann Quarantänemassregeln mit völliger Autorität
auch gegen den Widerspruch der Regierung erlassen, er stellt die
betreffenden Beamten an und unterhält und beaufsichtigt die nöthigen
Quarantänegebäude. Das Einkommen aus den Schiffsabgaben
taxirt man auf ca. 50000 Fcs. jährlich; davon werden Quarantänegebäude
an ein paar Küstenpunkten unterhalten, einige Agenten
bezahlt und es müsste noch ein hübsches Sümmchen übrig bleiben,
wenn die Kasse nicht, wie behauptet wird, irgendwo ein grosses Loch
hätte. Faktisch ist für Sanitätsmassregeln niemals Geld vorhanden
und geschieht so wenig wie möglich.*) Ueber die Stadt hat aber
*) Die Franzosen haben furchtbar über die tunisischen Quarantäneeinrichtungen
gespottet, haben aber eigentlich gar keine Ursache dazu.
Algerien hat überhaupt këine Quarantäneanstalten; eben erbaut man für
Algier ein Hospital am KapMa t i f o u , sonst sollen die Forts von Me r s el
Ke b i r für Oran, Sidi F e r o u c h für Algier und F o r t Génoi s für Böne
dienen. Man war naiv genug zu verlangen, dass die Schiffe von Marseille
ihre Quarantäne in Marseille selbst abhalten sollten.
der Conseil sanitaire durchaus keine Gewalt; die tunisische Regierung
kann zwar ihren Unterthanen strassenpolizeiliche Vorschriften
machen und hält in der That die Maurensfadt relativ sauber, aber
schon im Judenviertel hat sie in der Beziehung nichts zu sagen,
da die jüdische Gemeinde sich unter ihrer Vertretung selbständig
regiert, und in den europäischen Quartieren steht ihr gar
keine Gewalt mehr zu. Aber auch die Konsuln haben auf ihre
Unterthänen in sanitäts- und strassenpolizeilicher Hinsicht keinen
Einfluss und die von den Maltesern und Italienern bewohnten Gässchen
des europäischen Viertels sind mindestens eben so schmutzig,
wie die in der Judenstadt. Trotzdem muss Tunis im Allgemeinen
als eine gesunde Stadt bezeichnet werden; Epidemieen sind äusserst
selten, Fieber kommt wenig vor, Typhus war unbekannt bis ihn
die Franzosen nach Goletta einschleppten, nur die Diphtheritis
machte sich in neuerer Zeit ziemlich unangenehm bemerklich. Die
reichliche Versorgung mit Quellwasser mag zu diesem Verhältniss
ebenso sehr beitra'gen, wie der Umstand, dass in die Bahira kein
Flüsschen mündet und sie somit reines Salzwasser enthält, in
welchem Bakterien und ähnliches Gesindel nicht gedeihen. *)
Bricht aber einmal eine Epidemie aus, so pflegt sie furchtbar zu
wüthen. Zu Anfang dieses Jahrhunderts unter Hamuda raffte
die Pest in der Stadt allein 130 000 Menschen weg, fast die Hälfte
der Bevölkerung, und in der Regentschaft überhaupt sollen damals
780 000 Personen gestorben sein ; freilich war auch die furchtbare
Hungersnoth von 1805 vorausgegangen und hatte das Feld
vorbereitet. Auch die Cholera in 1867 soll beinahe ein Drittel
der Bevölkerung mitgenommen haben und die Erinnerung an
diese Epidemie lebte noch, wenigstens unter der europäischen Bevölkerung,
und spornte zu einiger Energie an.
Dem Conseil sanitaire konnte man eigentlich keinen Mangel
an Eifer vorwerfen, denn er hielt täglich Sitzungen ab, wofür
seine Mitglieder allerdings ihre hübschen Diäten (10 Fcs. die
Sitzung) erhielten, und Verhängte sofort eine Quarantäne, von acht
Tagen gegen Marseille und Toulon, und von fünf Tagen gegen
*) Aus demselben Grunde ist aucb Venedig fieberfrei, aber wo die
Lagunen verlanden und dem Salzwasser unzugänglich werden, brechen alsbald
perniciöse Wechselfieber aus. Die -ehemals wichtigen Lagunenstädte
Tor c el lo und E r a c l e a sind dadurch verödet, Chi ogg i a ist ernstlich
bedroht.