Gegenwärtig geht freilich noch nicht einmal eine Fahrstrasse,
durch das Defilé, in welchem der Scheliff sich durch den Plateauabhang
durchwinde^ aber ihre Erbauung kann nicht lange mehr
aufgeschoben werden und wird Affreville einen neuen Aufschwung
bringen.
Am Ostende deä Städtchens biegen wir in ein enges fast
schluchtartiges Thal ein, in dessen Hintergrund sich der Zaccar,
von hier aus gesehen ein breiter Rücken mit mehreren Gipfeln,
mächtig erhebt; anscheinend an seinem Fuss liegt, von grünen
Gärten umgeben, Mi l ianah, beherrscht von dem ausgedehnten
Militärspital, dem die Franzosen hier wie in allen Garnisonsstädten
vernünftiger Weise eine freie dominirende Lage gegeben haben.
Unser Kutscher, obschon er europäische Tracht trägt und auf
den Namen Jean hört, ist ein Vollblutkabyle, und Kabylen sind
auch alle die Knechte, welche die Produkte der zahlreichen, vom
Ouéd Bou t a n getriebenen Mühlen nach dem Bahnhof befördern.
Bald erweitert sich das Thal, Gärten füllen seine Abhänge und
steigen empor zu der immer höher sich aufthürmenden Stadt,
von deren Felsenzinne ein paar reizende Kaskaden herabschäumen;
fast in jedem Garten steht ein Steinhäuschen mit Ziegeldach. Auf
den ersten Blick sieht man, dass hier Kabylen wohnen. Zahlreiche
Kinder spielen auf der Strasse; sie reiten vergnügt Steckenpferd,
wie unsere deutschen Kleinen und starren uns neugierig an; ohne zu
betteln. Fast die Hälfte hat blondes Haar und blaue Auog en,■ und
auch bei den Erwachsenen sieht man auffallend viele Blonde oder
ganz hell Braune.-Sie gehören zum Stamm der B e n i Me-
nas s e r , der das ganze Zaccargebiet bewohnt und in Verbindung
mit den Hadschuten den Franzosen viel zu schaffen gemacht hat.
Eine ganze Armee was jedesmal nöthig, um die Garnison von
Milianah zu verproviantiren ; die erste Expedition hatte die Stadt
von den Einwohnern völlig zerstört gefunden. Heute haben
die Beni Menasser sich völlig mit den Franzosen ausgesöhnt;
ja die Stämme um Affreville ^ haben der Regierung einen Theil
ihres überflüssigen Landes zu Kolonisationszwecken zur Verfügung
gestellt, allerdings wohl nur in der sicheren Voraussicht,:
dass sie dann den Rest ihres Landes und ihre Produkte zu guten
Preisen würden verwerthen können.
Am Abhang des Boutan-Thales ist freilich für europäische
Kolonisten kein Raum mehr, die überreichen Quellen des Zaccar
gestatten eine genügende Bewässerung und wo das Terram nicht
gerade in senkrechten Felsen abstürzt, hat man es terrassirt und
bepflanzt. Je höher wir steigen, um: so heimathlicher wird das
Bild; zwar fehlen Aloe und Kaktus nicht und die Feige ist sehr
häufig, wenn sie auch weiter oben sich oft wie Schutz suchend
an die Felsen drückt, daneben aber kommen die Gewächse der
Heimath, Birnen und Pflaumen stehen in voller Blüthe, selbst
der Mandelbaum, dessen unreife Früchte uns in Algier schon als
Dessert angeboten werden, blüht hier und da noch, und Pappeln
und Ulmén bilden die Alleen. Mitten dazwischen aber stehen drei
Palmen, trotz Winterfrost und Schnee ganz prächtig entwickelt.
Gegen fünf Uhr sind wir oben und fahren durch eine freundliche
Strasse auf die P lace de 1’Hör löge. Sie trägt ihren
Namen von dem eigentümlichsten Uhrthurme, den ich je gesehen.
Als die Eingeborenen beim Anmarsch der i ranzosen ihre Stadt
verbrannten, blieb von der Hauptmoschee ein Minareh aufrecht;
irgend ein Troupier pflanzte Epheu an die Mauer und dieses
wucherte so rasch, dass man von dem Thurme heute nichts mehr
sieht, als das Zifferblatt der Uhr, die man später hierangebracht.
Ganz in der Nähe ist das treffliche Hotel, aber in seiner Hausflur
stand eine Engländerin, die wir schon unten am Bahnhof
mit ihrem prächtigen Greyhound, Stallmeister und zwei Begleiterinnen
gesehen und die uns in einem Miethwagen zuvor-
gekommen, mit so bedenklich langem Gesicht, dass wir nicht im
Zweifel waren, welche'Antwort unserer hier warte. Wirklich
war Alles überfüllt, aber ein Logis in einem Privathaus noch zu
haben, und da die Lady zögerte, es anzunehmen, wurde es uns
angeboten, und wir griffen natürlich sofort zu. Das Zimmer war
allerdings nicht glänzend, aber wir hatten doch ein Obdach, und
während es eingerichtet wurde, machten wir trotz der späten
Stunde noch eine kleine Promenade vor das nahe Thor. Von
Schnecken war hier nicht viel zu spüren, doch fanden wir eine in
Westalgerien häufige Nacktschnecke, die wir bei Algier nicht
getroffen (Parmacella Deshayesii), häufig unter Steinen. Uebrigens
wehte es ziemlich kühl hier oben und beim Abendessen that uns
das prasselnde Feuer im Kamin recht wohl. Hier sind alle
Zimmer zum Einheizen eingerichtet und im Winter mag es
manchmal ungemüthlich sein, aber man erträgt das gerne, und
Milianah ist trotzdem oder vielleicht gerade deshalb der Ort, wo