nur aufs Dringendste ratlien, in Bougie auszusteigen und von dort
aus durch Chabet el Akra, die. Schlucht des Todes, die Bahn in
Setif zu gewinnen.
Die Stadt liegt am Abhange des 700 m hohen Dschebel
Gouraja auf einem von mehreren tiefen, mit,üppigem Grün erfüllten
Schluchten zerrissenen Plateau, das bis ins Meer hinein vortritt
und nach drei Seiten steil, fast senkrecht abfällt. Vom Hafen aus
ist die Senkung weniger jäh und führt eine Fahrstrasse in steilem
Anstieg zur Stadt; eine andere hat man auf der entgegengesetzten
Seite mühsam dem schroffen Hang abgewonnen und die Verbindung
zwischen dem Hafen und der Ebene auf der Südseite, wo
sich die Unterstadt zu bilden anfängt und ein spekulativer Kopf
schon ein Café de la Gare future errichtet hat, haben schon die
Mauren in den senkrechten Kalkfelsen gesprengt. Die Häuser
liegen zerstreut den Bavins entlang, alle von Gärten umgeben,
von Fruchtbäumen beschattet. Die Feigen wie die Orangen von
Bougie sind berühmt. Die maurischen Wasserleitungen führen
noch die Quellen vom Berge herunter und wenig Städte in Algerien
sind so überreich an köstlichem Trinkwasser wie Bougie. Bougie
ist aber die Achillesferse von Algerien. Die geschützte .Bucht
gestattet jederzeit das Einlaufen von Flotten und das Landen von
Armeen, und die Franzosen wissen genau genug, dass ihre getreuen
kabylischen Unterthanen jedem landenden Angreifer in Masse Zuströmen
würden. Darum hat man sich nicht wie in anderen
Städten damit begnügt, die beiden Plateauecken, welche auf dem
'steilen Felsen ßa. 50 nv über dem Meere den Hafen direkt beherrschen,
zu befestigen und die Stadt mit einer krenelirten, vielfach
von Thürmen verstärkten Mauer zu umgeben, sondern man hat
auch in der Ebene nach der Sahelmüudung hin ein paar Batterien
angelegt, über der Rhede von Sidi Yahia das starke'Fort Abd
el Kader mit zahlreichen Blockhäusern und landein das ebenfalls
starke Fort Groselles errichtet, und.schliesslich den fast uner-
steiglichen Feisengipfel- mit einem Fort gekrönt, das freilich im
Frieden nur von ein paar Mann besetzt wird, abér Stadt und
Hafen völlig beherrscht und bei genügender Verproviantirung als
absolut uneinnehmbar bezeichnet werden muss. Ein vorzüglich
tracirter, bis obenhin fahrbarer Weg führt bis zu dem senkrecht
abfallenden Gipfelfelsen und bietet einen reizenden Spaziergang.
Unmittelbar vor den Thoren beginnt der Buschwald: man will
offenbar im Gebiete der Festungswerke keine Ansiedelung und
hat die früher hier hausenden Kabylen vertrieben. Anfangs mischen
sich zwischen die Büsche noch blüthenbedeckte Oelbäume und
einzelne Johannisbrodbäume, die Ende April schon mit jungen
Schoten behängen waren, Ueberreste der maurischen Kultur; weiter
'oben wird die Vegetation auf dem sonnendurchglühten Boden
magerer, bietet aber dem Botaniker reiche Ausbeute. Der Fels
ist Kalkschiefer, durchzogen von Adern von Cipollin, hier und da
mit kleinen Grotten, in denen sich die heute noch am Berge lebenden
Schneckenarten subfossil finden. Nach Wirbelthierknochen
sah ich mich vergeblich um. Kurz unter dem Gipfel ist ein
kleines Plateap, wo man a u s g e z e i c h n e t e Pflastersteine und Platten
aus marmorartigem Kalk bricht. Hier liegt von Gärten und Feldern
umgeben eine kleine militärische Ansiedelung, deren Insassen
das Fort Gouraja auf der Höhe bewachen. Trümmer von arabischem
Mauerwerk beweisen, dass auch schon früher hier eine Niederlassung
bestand, vielleicht bestimmt für die Wallfahrer zu dem hochverehrten
Heiligthume der Lel la Gouraja*), einer der heiligen
Frauen, die man bei den Kabylen nicht selten, bei den Arabern
aber nie findet. Doch# deuten Gräben und starke Mauei fundamente
auch auf die Existenz einer maurischen Befestigung in
dieser Höhe. Die Aussicht'muss bei schönem Wetter sehr umfassend
sein; wir sahen uns leider bei unserem Besuche schon auf diesem
Plateau in dichte jVVolkennebel gehüllt und mussten, auf die Besteigung
des höchsten Gipfels verzichtend, froh sein, ohne gründliche1
Durclinässung das Hotel wieder zu erreichen.
Noch schöner ist ein Spaziergang nach dem etwa anderthalb
Stunden von der Stadt entfernten Grand Phar e, dem grossen
Leuchtthurme auf dem Kap Carbon. Man verlässt die Stadt durch
ein mehr nördlich gelegenes Thor. Unmittelbar vor demselben
liegt der Friedhof, ein liebliches, von Eukalypten und Cypressen
dicht beschattetes Plätzchen. Am Wege stehen ein paar riesige
Eschen, Charakterbäume der Kabylie, wo sie von den Eingeborenen
*) Die arabische Tradition leitet den Namen der Heiligen von dem des
Berges ab, nicht umgekehrt: Der Berg soll seinen Namen von den Vandalen
erhalten haben und nach Ibn Khaldoun bedeutet Gouraja in der »vandalischen
Sprache« einen Berg. Wahrscheinlicher dürfte aber eine Ableitung aus dem
Phönicischen. sein. Die Kubbah der Heiligen ist innerhalb des Gipfelforts
noch erhalten.