Wasserscheide heran. Nun war an ein Ersteigen der höchsten
Spitze, des Pic de Sainte Wi lhelmine, der wir schon ganz nahe
waren, nicht mehr zu denken, und wir eilten hinunter in das gleichnamige
Dörfchen. Dasselbe ist aber nur eine Arbeiterkolonie für
eine ausgedehnte Ferme; wir fanden dort wohl einen köstlichen
Brunnen, aber kein Unterkommen", doch gelang es uns, noch den
Bahnhof zu erreichen,, in dessen Restauration wir den Nachmittag
unthätig verdämmern mussten. Die Station ist nicht unwichtig,
da sich hier die Strasse nach Collo durch das Thal des Oued
Guebli abzweigt; aber es scheint wenig Verkehr da zu sein, und
ein Dorf hat sich noch nicht gebildet. Die Lage auf einem von
der Wasserscheide herabsteigenden Kamm ist wunderschön; man
übersieht das ganze wildzerrissene Hügelland bis zum Ds c h e b e l
Gonfi und zum Kap Bougiarone bei Collo und nach der anderen
Seite die schön geformte Kette der Deux Mamelles.
Die Gewitter machten am Col des Oliyiers keinen - rechten
Ernst, aber als wir am Abend nach Konstantine zur-ückkamen,
fanden wir sowohl unseren am Tage zuvor angekommenen Freund
Petersen, als auch den Wirth in Sorgen um uns, denn' über der
Stadt hatte sich ein furchtbares Unwetter mit HasOr elschlaOn entladen
und die Strassen zeitweise völlig überschwemmt.
Nun waren wir mit der Umgebung von Konstantine fertig,
und es war die höchste Zeit, wenn wir Biskra noch besuchen
wollten. Am anderen Morgen wurden die Kisten nach-Deutschland,
der Koifer nach Tunis expedirt, auch sonst noch ein paar
Sachen erledigt, die lächerlich kleine Rechnung berichtigt, dann
waren wir reisefertig. Unsere Abfahrt gestaltete sich einiger-
massen dramatisch. Wieder zogen schwere Wetterwolken auf und
als vorsichtige Leute gingen wir eine Stunde früher als nöthig
zum Bahnhof und sahen dort in aller Ruhe das Gewitter heranziehen.
Der Zug war formirt, meine Frau schon eingestiegen,
ich stand mit unserem Begleiter und einem jungen französischen
Geologen, den wir am Morgen kennen gelernt, noch auf dem
Perron, ,da brach mit einem Mal ein so furchtbares Hagelwetter
los, dass wir nur rasch unter das Schutzdach zurückspringen
konnten und für mich keine Möglichkeit war, ins Coupee zu gelangen.
Eine halbe Stunde verging, bis die Elemente sich soweit
beruhigt hatten, dass der Dienst wieder aufgenommen werden
konnte. Zehn nasse Personen wurden dann in das einzige vorhandene
Coupee zweiter Klasse gestopft und bei immer noch
strömendem Regen ging es hinaus. Die mitfahrenden Franzosen
schimpften weidlich über Grevy und seine übelangebrachte Milde
gegen Verbrecher, denn wir waren nur deshalb so zusammengedrängt
worden, weil das zweite Coupee für einen zu Zuchthaus begnadigten
Giftmischer und seine Begleitung bestimmt war. Aber bald wurden
sie'still und es kam-ein unheimlicher Moment. Gleich hinter
dem Hippodrom überschreitet die Bahn in schwindelnder Höhe
ein Seitenthal, und die Brücke schien nicht sonderlich in Ordnung,
-denn man arbeitete daran und die Züge passirten sie immer im
langsamsten Tempo. Diesmal hielten wir, die Wagen wurden
einer nach dem ändern abgehängt und von den Bahnarbeitern
hinübergeschoben, während Schlag auf Schlag folgte und Regen
und Hagel auf die Decke prasselten. Es gehörte wahrhaftig keine
grosse Phantasie dazu, um ein Schwanken der ganzen Brücke
zu empfinden.
Endlich waren wir drüben wieder alle beisammen und nun
ging es rasch aus dem Bereich des Gewitters hinaus und das Thal
des Bou Merzoug hinauf bis el Guerrah. Die Gegend sah erheblich
anders aus, als bei unserer Ankunft; in Folge der schweren
Reuen führte der Fluss auch über die Einmündüngsstelle der
Quelle hinaus noch Wasser und ganze Strecken des Thalbodens
waren überschwemmt. Kurz nachdem die Bahn nach Batna sich
abgezweigt, erweitert sich das Thal zu einer geräumigen Ebene,
offenbar einem alten Seebecken, das von drei nackten, seltsam
geformten Kalkbergen, dem Dschebel For t a s , dem Dschebel
Guerioun und dem Ni f -en-Sser (Adlerschnabel) malerisch eingefasst
wird. Unmittelbar am Fuss des letztgenannten Berges
liegt A'in Mlila, wo die grossen Rennen stattfinden; in der
sumpfigen Umgebung weiden arabische Heerden, die hier ausgezeichnete
Sommerweide finden, unter ihnen auch einige Kameele.
Eine niedere, kaum wahrnehmbare Schwelle trennt diese Fläche
von dem etwas höher liegenden Bassin her Salzseen, das einen
Theil der Gewässer aus den Aures aufnimmt, aber keinen Abfluss
nach dem Meere zu hat. Auf einer schmalen Landenge zwischen
den Seen Tinsi lt zur Rechten und Mzouri zur Linken liegt die
Station les Lacs, nicht unwichtig für die Salzgewinnung, eine
halbe Stunde weiter folgt Ain Y a c o u t ’ wahrscheinlich das alte
Numi d i apol i s , wo sich die vertriebenen Kanaaniter niederliesen