nicht/sehr fruchtbar und hat noch kaum Europäer zur Ansiedelung
verlockt; es wohnen hier noch fast ausschliesslich Kabylen,
die theils als Holzmacher und Kohlenbrenner ihren Lebensunterhalt
gewinnen, theils als Arbeiter und Bahnwärter in Diensten
der Eisenbahngesellschaft stehen. Letztere gelten als pünktlich
und zuverlässig; sie tragen Hosen, und Blouse, halten aber zäh
an dem arabischen Kopftuch und der Karne eihaar schnür, welche
diese Stämme von den Arabern der Ebene angenommen haben,
fest. Im Uebrigen sind sie der Civilisation gar nicht abgeneigt,
schicken ihre Kinder in die Schulen und haben hier und da ihre
kleinen Steinhäuser (Gourbis) sogar, statt des herkömmlichen
Reiserdaches mit einem Ziegeldach versehen und ausser der nie
fehlenden Opuntia ein paar Birnbäume gepflanzt. Sie sind natürlich
sehr arm und halten an Vieh nur ein paar Ziegen.
Wunderbar, dass- der mexikanische Kaktus sich so leicht bei
den Eingeborenen Nordafrikas, die doch sonst von Neuerungen
nichts wissen wollen, eingebürgert hat. Selbst der nomadisirende
Araber pflanzt ihn an Stellen, wo er öfter hinkommt; an Berberdörfern
vermisst man ihn nur im Hochgebirge. Wüsste man
nicht ganz genau, wann er eingeführt worden, so müsste
man ihn für einheimisch halten. Die Araber wissen noch recht
gut, dass er ihnen von den Christen zugekommen und nennen
ihn darum Kamms nassarah, Christenfeige, im Gegensatz zu den
Kolonisten, die sie figue arabe oder figue de la Barbarie nennen. Wenn
ihre Früchte reifen, arbeitet kein Araber, denn dann braucht er
um' seine Ernährung- nicht zu sorgen. Dem Nord-Europäer freilich
fällt es schwer, an den faden Fichi d’India mit ihren vielen
Körnern Wohlgefallen zu finden; alle Südländer lieben sie leidenschaftlich.
Man findet die Opuntia desshalb auch in allen Küstenländern
massenhaft, Kleinasien vielleicht ausgenommen, dessen
Winter ihr so wenig Zusagen, wie der Aloe.' In die Aures-Thäler
hat sie sich erst im letzten Jahrzehnt verbreitet und auch in die
libysche Wüste dringt sie von Tripolis und Bengasi aus eben
erst vor.
Nach vierstündiger Fahrt, von welcher aber mindestens ein
Viertel auf die Halte kommt, ist Bou Medfa erreicht. Das kleine
Dorf hat sich vor den perniciösen Wechselfiebern, an denen das
Thal trotz seiner Enge leidet, auf eine benachbarte Anhöhe geflüchtet.
Ueber ihm erhebt sich eine weissleuchtende Kubbah,
natürlich dem grossen Heiligen Sidi Abd-el-Kader el Ghilani gewidmet;
gegenüber auf einer anderen Anhöhe liegt eine französische
Redoüte, welche den wichtigen Pass aus' dem Scheliffthal
herüber deckt. Nur ein paar Häuser liegen näher am Bahnhof,
aber die Thalebene ist ziemlich sorgsam kultivirt. Gleich beim
Aussteigen können wir erkennen, dass das Bad sich in den paar
Jahren, seit Schwar z*) hier war, erheblich gehoben haben
muss; eine Anzahl eleganter Reisekoffer stehen auf dem Perron
und eine dicke gesprächige Französin nimmt uns mit einem
kunstgerechten Knix in Empfang und geleitet uns zum Badeomnibus,
dem allerdings noch einige Verschönerung und Verbesserung
zu wünschen gewesen wäre. Später hatten wir freilich
Gelegenheit, uns zu überzeugen, dass das Badehötel auch einen
tadellosen Hötelomnibus besitzt, der aber seiner Schwere und des
steilen Weges halber nur bei Regenwetter benutzt wird. Auch
die Strasse ist anders geworden, die Bäche sind überbrückt, und
wir brauchen nicht mehr durch Furten zu fahren. Das Thal
ist weit und- flach, noch völlig unkultivirt; Oleandergebüsch'füllt
die Ebene, an den flachen Hängen sehen wir noch überall den
afrikanischen Buschwald. In wenigen Jahren wird es anders
werden und der Kolonistenpflug auch hier seine Furchen ziehen.
Im Hintergründe des Thaies erhebt sich, Alles dominirend, die
mächtige Glockengestalt des Zac c a r , und als wir uni eine Ecke
biegen, zeigt uns der Kutscher in der Ferne anf einer hohen
Terrasse die weissleuchtenden Gebäude des Bade-Etablissements.
Sie scheinen ganz nahe, aber die Strasse braucht mit den vielen
Serpentinen von Bou Medfa aus doch drei Stunden (14. Kilometer)
um die Höhe zu ersteigen.
Als wir uns gerade unter dem Hotel befanden, siegte denn
doch der Sammeleifer, wir Hessen uns absetzen und schlugen
einen steilen, direkt hinaufführenden Fusspfad ein, längs dessen
wir etwas zu sammeln hofften. Den herabrauschenden Abflüssen
der Thermalwasser entlang ist eine ziemlich üppige Vegetation
an dem sonst kahlen Hang, aber für uns bot sie nur sehr wenig
Ausbeute. Schon in halber Höhe empfingen uns die Zeichen beginnender
Civilisation, neu angerodete Ländereien, die nach und
) Algerien (Küste, Atlas und Wüste) nach 50 Jahren französischer
Herrschaft, Reiseschilderung nebst einer systematischen Geographie des
Randes. Leipzig, Frohberg 1881.