pensionirte Beamte, die hüben alt geworden sind und sich nicht
mehr an die Verhältnisse in dem Mutterland gewöhnen können, mit
Vorliebe ihren Ruhegehalt verzehren. Hier finden sie im Sommer
kühle Luft'und köstliches frisches Wasser und können in ihrem
Gärtchen Gemüse bauen und Spalierobst züchten wie daheim in
der belle France. Mag sich immerhin der Verkehr hinab ins
Thal nach dem neuen Affreville ziehen, um so ruhiger ünd angenehmer
wird es oben, und mit der Zeit wird Milianah ganz Zu
einem algerischen Pensionopolis.
Am anderen Morgen war es auch noch hübsch frisch, wie
gemacht zu einer Besteigung des Zaccar. Diese Bergmasse hat zwei
Gipfel, die man als den östlichen und den westlichen Zaccar,
Zaccar Chergui und Zaccar Rharbi , unterscheidet; ersterer,
den wir von Hamrnam Rir’ha gesehen, ist der niedrigere, 1527 m
hoch, letzterer, 1580 m hoch, erhebt sich unmittelbar vor dem
Thore von ' Miliänah. Von unserem Wirth hätten wir erkundet,
dass durch die linke der beiden Schluchten, die vom Kamm
gerade auf die Stadt zu laufen, den Aufstieg bequem u n d ‘nicht
zu fehlen sei; ihr strebten wir darum zu. Es war hier oben
noch recht winterlich, die Thierwelt noch halb im Winterschlaf,
Schlangen und Skorpione lagen noch wie erstarrt unter den Steinen
und regten sich kaum, wenn man die schützende Decke aufhob.
In den - Gärten dominirte der Mandelbaum, der ja in den Bergen
Nordafrikas wohl seine Heimath hat*).
Einen ziemlich ausgedehnten aber schlecht gehaltenen öffentlichen
Garten durchschreitend stiegen wir dem kleinen Bache
entlang aufwärts, der vom Berge herabströmt. An den grasigen
Abhängen sah ich zu meiner Ueberraschung anscheinend ein
paar meterlange bunte Schlangen ganz langsam und ohne
sich um uns zu bekümmern dahinkriechen. Als ich hinzusprang,
*) He h n , weist in seinem klassischen Werk über Hausthiere und
Kulturpflanzen zwar unwiderleglich nach, dass den Griechen und Römern
die Mandel von Osten her zukam, aber schon Gr i e s e b a c h und
neuerdings T h . F i s c h e r haben darauf aufmerksam gemacht, dass ein
Baum, der im Januar blüht, nicht aus einer Gegend mit strengem Winter
stammen kann. Ich möchte annehmen, dass die Phönizier den Mandelbaum,
der in Nordafrika wild wächst und für welchen die kabylische Sprache den
eigenen Namen Tellust hat, in Tunisien kennen lernten, mit nach Hause
nahmen und, wie so viele andere Obstsorten, veredelten. Von ihnen kam
dann der veredelte Baum nach Griechenland ünd Rom.
sah ich aber, dass, was ich für Schlangen gehalten, Raupen waren,
die zu 20—30 eine hinter der anderen geordnet und sich berührend
dahinkrochen; sie schienen mir von denen unseres Quittenvogels
(Bombyx quercus oder auch dessen südlicherer Form B.
Trifolii) nicht verschieden, doch ist von diesen meines Wissen
ein solches Wandern in Prozession noch nicht beobachtet worden.
Der. Zug wurde nach hinten nicht breiter, wie bei den Raupen
des Prozessionsspinners; störte ich die Reihenfolge, so fanden sich
die einzelnen Thiere doch schnell wieder zusammen.
Unsfere Hoffnung auf Ausbeute wurde leider getäuscht;, erst
oben in der eigentlichen Felsenregion, bis zu deren Fuss die
Weinberge sich schon vorschieben, fand sich eine interessante
Schnecke, aber nur einzeln und fast nur todt. Von Insekten waren
nur ganz wenige Käfer da. Der Zaccar zeigt noch Spuren einstiger
Bewaldung, aber es sind nur kümmerliche Büsche übrig
geblieben; Forstschutz scheint noch nicht geübt zu werden, denn
im Gebüsch lagen, offenbar noch nicht lange gefällt, auch ein
paar starke Stämme, anscheinend die letzten, denn wir sahen
keine mehr aufrecht. Die Krautvegetation war aber zwischen
den Felsen üppig und einige Wochen später mag ein Botaniker
hier reiche Ausbeute finden. Die Aussicht ist bei klarem Wetter
wunderbar schön. Wie ein Meer dehnt sich die Cheliffebene,
denn eine Ebene muss sie genannt werden, kein Thal, zu unseren
Füssen, durchschnitten von der dunklen Linie des Flusses, der
gerade unter uns scharf nach Süden uinbiegt; wie schnurgerade
helle'Linien erscheinen die beiden Heerstrassen nach Te n i e t el
Ha ad und nach Orleansvi l le. Wie das Meer hebt sich auch
die unendliche Ebene gegen den Horizont empor und man hat
Mühe, sich es klar zu machen, dass es festes Land ist, was die
mächtige Bergmasse des Ou a r a n s e n i s drüben begrenzt. Wir
trafen e^ leider ungünstig, schwere Wetterwolken hingen auf dem
»Auge der Welt«, dem höchsten Gipfel des Ouaransenis und
auch sonst sah es in den Bergen aus, als braue böses Wetter. Die
Hoffnung, nach- dem Gipfel hin andere Schnecken oder vielleicht
auch ein paar Versteinerungen zu finden, liess uns bis zu 1100 m
emporsteigen, aber der Stein blieb sich immer gleich, ein rauher,
klingender Kalkstein, den seiner schweren Löslichkeit wegen die
Schnecken nicht lieben, und die Aussicht wurde immer trüber.
So hätte das Ersteigen des Gipfels nur den einen Zweck gehabt,
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