perige Treppe leitet hinauf zum Eingang und zwischen Mauern
in den Festungshof. Hier standen wohl ein paar Kanonen in
Position, aber ausser zwei Ziegen und einem Hunde war kein
lebendes Wesen zu sehen. Auch am Eingang des in gutem Stand
erhaltenen und armirten Kastells stand kein Posten, nur die harmlose
Inschrift: Defense d’entrer dans le fort. Wenn ein preussischer
Offizier das gesehen hätte!
Eigentlich hätten wir nun den Kastellan aufsuchen und uns
von ihm das sagenhafte Gefängniss des Grafen von Monte- Christo
und das wirkliche des jungen Mirabeau zeigen lassen müssen, aber
wir dispensirten uns davon und sammelten auf dem sonnverbrannten
Raume, auf dem fast nur noch die Sommerlevkoje, blühte,
Schnecken und Insekten. Ganz besonders häufig fand sich unter
den Steinen der gemeine Skorpion, freilich in bei weitem kleineren
Exemplaren, als drüben in Nordafrika. Die Aussicht nach dem
Festlande ist köstlich, diese Inseln sind am Ende noch nicht die
allerschlimmsten Gefängnisse.
Geg en Mittag führte uns ein frischer 'Südost in kurzer
Zeit wieder in den Hafen zurück; das Meer war etwas bewegter,
als uns in Hinsicht auf die Reise nach Algier lieb war, aber der
Schiffer tröstete uns, es sei nur Südost, und das Wetter werde für,
die nächsten acht Tage gut bleiben. Den Nachmittag verwandten
wir zu einer Exkursion in die Campagne von Marseille, zunächst
in der Hoffnung, zu den benachbarten Bergketten durchdringen
zu können. Einer der Omnibus, wie sie hier auf allen Strassen
bis weit hinaus verkehren, brachte uns fü r-15 Cts. bis in das
nächste Thal, aber dort ging es -uns wie schon mehr im Süden,
wir liefen fast zwei Stunden lang zwischen hohen Gartenmauern
in tiefem Staub und Sonnenbrand herum, ohne einen Ausweg zu
finden; nur hier und da konnten wir durch ein Thor einen
flüchtigen Blick in eine der unzähligen Ba s t i d e s , der Landsitze
werfen, in denen die , reichen Kaufleute von Marseille den
Sommer verbringen. Auch die Wälder sind hier überall mit
Mauern umgeben, Privateigenthum, dem Deutschen, der von Kind
auf gewöhnt ist, den Wald als frei anzusehen, eine eigenthümliche
Erscheinung. Es sind noch reizende Gruppen von Strandkiefern
und immergrünen Eichen da, und die Rückseite des Hügels von
Notre Dame de la Garde trägt einen förmlichen Wald. In den
Gärten sieht man viele seltene Nadelhölzer, aber für die Dattelpalme
ist der Thalgrund denn doch zu zugig. Um so besser gedeihen
unsere Obstbäume, die überall in voller Blüthe standen.
Abends nahm ich geschwind noch Billete nach Algier, und ich
that gut daran, denn der Moeris, das fällige Dampfschiff,
gilt für das beste der Messageries maritimes, und die besten
Kajüten waren schon vergeben.
Auch der vierzehnte März war ein herrlicher sommerwarmer
Tag, den wir benützten, um die schönste Fahrt zu machen, welche
man in Marseille überhaupt machen kann, die längs der Ro u t e
de la Corniche. Von der. Place de Castellane 'aus, dem
Mittelpunkt der Trambahnlinien, gelangt man über die reizende
Promenade de Prado zu der vier Kilometer entfernten Meeresbucht
an-der Mündung der Huve au ne , welche die Campagne
von Marseille bewässert. Von dort führt eine prachtvolle Kunststrasse,
immer längs des Meeres hin und meist- in die Feisen gehauen,
nach der Stadt zurück, zur Linken immer das blaue Meer
zur Rechten den steilen Hang, an dem jeder Punkt zur Anlage
eines Landhauses oder eines Gärtchens benutzt ist. Die Flora ist
indessen noch nicht recht südlich; Orangen, Karruben und Zwergpalmen
fehlen noch ganz, auch der- Kaktus scheint - noch nicht
recht zu gedeihen, nur die Aloe klammert sich auch hier schon
überall an den Felsen. Es ist das einigermassen auffallend, da
der Kaktus sonst härter ist als die Agave, und vorausgesetzt, dass
er sein richtiges Quantum Sommerwärme erhält, wie z. B. an den
zerklüfteten Porphyrwänden bei Bozen, noch Kälte bis zu 8° R.
ganz gut aushält, während die Agave dort schon im Winter gedeckt
werden muss.*) Dem Thierleben nach waren wir auch hier
am warmen Südabhang noch im vollen Winter; Käfer sah man
noch kaum, von Schmetterlingen nur die Arten, die auch bei uns
'überwintern und in den esten warmen Märztagen erscheinen.
Auch Schwalben waren noch keine da und von Nachtigallen nichts
zu hören, das Schwarzplättchen dagegen um so häufiger. Freilich
hatte es hier auch seit zwei Monaten nicht geregnet; wo
nicht gesprengt wurde, deckte handhoher Staub die Strasse, wo
gegossen wurde, war er in einen zähen Schlamm verwandelt, in
dem zu Fusse zu gehen gerade keine Freude war. Die Eingeborenen
gehen freilich auch fast nie zu Fuss; wer kein eigenes
*) Im Januar 1871 erfroren bei -ififC. die Cactus in der ganzen Provence,
die Agaven hielten aus.