Von dem Kamme des Kaps hat man einen Ueberblick über
den ganzen Nordabhang des Edough, eine wilde zerrissene Felsenmasse,
gegen das Meer überall steil abfallend und von dort aus
unnahbar. In der Bucht unmittelbar hinter dem Vorgebirge
scheiterte kurz nach unserer Anwesenheit ein französischer Passagierdampfer
in heller klarer Nacht und beim ruhigsten Wetter, weil
Kapitän 'und Offiziere mit den Passagieren beim Absynth sassen
und das Steuer einem unerfahrenen Matrosen überliessen, welcher
das Schiff hinter dem Kap statt vor demselben hereinlaufen liess ;
zum Glück gingen keine Menschenleben dabei Verloren. Dicht
unter dem Kamm, am Westabhang, sind ein paar interessante
Grotten, Gro t t e s aux Saint-s genannt, und dem Anschein
nach den Heiligen im Allgemeinen gewidmet; sie sind meines
Wissens noch nicht auf prähistorische Spuren untersucht, wir
konnten sie auch nicht betreten, da eine Anzahl eingeborener
Frauen dort Schutz vor der Sonne gesucht hatten. Auch dem
aus Marmor erbauten Leuchtthurm konnten wir keinen Besuch
abstatten, denn hinter dem Edough begann es , in verdächtiger
Weise zu brauen, und die Gewitter dieser Nordostspitze Algeriens
sind berüchtigt. Wir hatten den Wagen zurückgeschickt, es
blieb uns also nichts übrig, als im Geschwindschritt der Stadt
zuzueilen.. Die Hitze war glühend und der Durst quälend; nach
mehreren vergeblichen Versuchen erhielten wir endlich in der
Hütte eines armen Kalabresen Wasser und Wein. Der Bursche,
der mit seiner Frau und zwei Kindern ganz einsam in einem
Weinberge hauste, arbeitéte als Tagelöhner für einen Franzosen;
obschon seit drei Jahren im Lande, hatte er als Fremder keinè
Kolonistenstelle erhalten können, und er klagte mir, dass viele
seiner Landsleute in derselben Lage seien. Es ist das eben einer
der schlimmsten Zöpfe in Algerien; in der Absicht, der Kolonie
ihren französischen Charakter zu wahren, hält man die Kolonisation
überhaupt zurück.
Das Gewitter hatte die Freundlichkeit, hinter dem Edough
zu warten, bis wir glücklich wieder im Hôtel waren; dann brach
es aber mit furchtbarer Gewalt los und dauerte bis zum Abend.
Der hohe isolirt liegende Berg wirkt auf die Wolken wie ein
Magnet und das untere Sevbousethal bedarf kaum der künstlichen
Bewässerung.
Den folgenden Tag widmeten wir den Ruinen des alten Hippo,
die freilich unbedeutend genug sind. An den ausgedehnten Niederlagen
vorbei, wo die Eisenerze von Ain Mokra zum Verladen
zurecht gemacht werden, gingen wir zunächst zur Mündung des
Bou d jima , um im Genist nach Schnecken zu suchen; die Ernte
war nicht sonderlich reichlich, aber zahlreiche Blüthenkäfer hielten
uns dafür schadlos. Dann gingen wir dem Fluss, welcher mit
dem Seybouse zusammen mündet, ,aber durch eine. Barre völlig
vom Meer abgesperrt ist, entlang bis zur 'Strasse. Die Brücke,
welche heute noch den ganzen Verkehr vermittelt, ist eine viel-
bogige Steinbrücke, der Oberbau vielleicht maurisch, die Grundlage
aber wohl sicher noch römisch, und mag schon in den Glanzzeiten
der Stadt gedient haben. Jenseits führt ein bequemer
Fahrweg zwischen prächtigen Qelbäumen zum Stadthügel. -In halber
Höhe liegen die gewaltigen Cisternen des alten Hippo, noch gut
erhalten, auch die Gewölbe noch zum grösseren Theile vorhanden,
nur hier und da durch moderne Pfeiler gestützt. Eine Hinter-
thüre gestattet, jetzt bequemen .Eingang, und man kann ganz
behaglich sich einen Begriff von der Art O tj und Weise verschaffen,
wie die Alten solche Bauwerke ausführten. Unmittelbar darüber
hat man dem grossen Nationalheiligen von Böne , dem Kirchenvater
August inus, eine Statue errichtet, aber sie ist so winzig
klein, dass- sie auf ihrem Piedestal von weissem Marmor wie eine
Nippfigur aussieht. Dafür ist die Aussicht von dem kleinen Plateau
aus um so schöner. Oben, wo einst die Akropolis der Karthager
stand, errichten eben die p e t i t e s soeurä des p a u v r e s ein
Waisenhaus in gewaltigen Dimensionen, jedenfalls eines der am
schönsten gelegenen in Algerien. Wir stiegen bis zu seinem Eingang
empor und überzeugten uns, wie ausgezeichnet die Karthager
den Platz für ihre Ansiedelung gewählt hatten; unten am
Seybouse erkennt man noch die Reste des Handelshafens. Aber
wir konnten uns nicht lange der Aussicht freuen; wieder kam ein
schweres Gewitter heran und zwang uns zu- schleuniger Flucht.
Auch am 20. Mai war das Wetter nicht sonderlich versprechend,
und so ..entschlossen wir uns, von einem grösseren Ausfluge auf
den Edough abzusehen und auch die Fahrt nach Philippeville aufzugeben,
und lieber Guelma einen Tag zu widmen. Die Wälder
des Edough, von denen Cha r l e s Mar t ins*) so herrliche
*) Yon Spitzbergen bis zur Sahara. Deutsche Ausgabe II, p. 240.