Wasserfall überschritt der Pfad endlich eine tiefeinschneidende
Querschlucht und brachte mich nun rasch auf die Laüdstrasse, auf
welcher ich in wenigen Minuten das Dorf Bouzarea erreichte.
Hier auf dem flachen Rücken, 400 m über dem Meere, mit freier
Aussicht nach dem Meer wie nach der Metidja, ist seit einigen
Jahren ein reizendes Städtchen entstanden, in dem die Algeriner
mit Vorliebe ihre Sommerfrische nehmen. Allenthalben wird gebaut,
doch sind auch noch grosse Strecken frei und mit Asphodill
bewachsen, der, eben blühend sich weithin durch seinen unangenehmen
Geruch bemerkbar macht; er deutet auf stagnirendes
Wasser in geringer Tiefe. Ein noch sichereres Anzeichen von
Wasser ist hier unsere Brombeere ; will man auf einem Gut einen
Brunnen anlegen, so sucht man immer die mit Brombeergebüsch
bewachsenen Stellen aus.
Ein prachtvoller Weg führt von Bouzarea nach der Stadt
zurück ; steile Traversen kürzen ihn erheblich ab und gestatten
einen Einblick in die wunderbare Ueppigkeit, welche die Vegetation
in den reichbewässerten Thalgründen entwickelt. Ich spegnete
den Club alpin français, der diese Pfade, denen ich mich
sonst nicht anvertraut haben würde,. mit W egweisern versehen
hat. Die wild zerrissenen Abhänge, die mit Orangen, Zitronen
und Bananen erfüllten Schluchten erinnerten mich auffallend an
die neptunischen Berge bei Messina, die ich vor elf Jahren durchstrichen.
Nur bestehen hier die'Wände nicht aus lockeren Schuttmassen,
sondern aus festem Schiefergestein und darum sind sie
an den Schattenseiten wenigstens mit einem üppigen Moospolster
überzogen, das um Messina fehlt, weil es bèi dem ewigen Wechsel
der Oberfläche nicht Zeit findet, sich anzusiedeln; aus demselben
Grund ist das Thal keine verheerende Fiumara.
Die Nacht brachte einen tüchtigen Regen, aber da, es sich
seither jedesmal am Tage aufgehellt hatte, liessen wir uns durch »
den trüben Himmel nicht abhalten und begaben uns gegen neun
Uhr zur Bahn, um nach Maison Car rée zu fahren. Die
Exkursionen in den Sahel hatten uns für mein Lieblingsfach
nur sehr geringe Ausbeute gebracht, von den Dünen an der
Harraschmündung und den mergeligen Höhen jenseits des Flusses
hofften wir Besseres. Der Bahnhof von Algier liegt auf dem
schmalen Raum zwischen der Hafenterrasse und dem Hafen, eng
genug und wahrscheinlich bald für den zunehmenden Verkehr
nicht mehr ausreichend; rangirt muss jetzt schon draussen bei
Agha werden, wo sich auch die Bureaux und Werkstätten befinden.
Die Bahn läuft immer dem Str.and entlang; das Meer
tobte und warf seinen Schaum' bis fast herüber auf die Schienen.
Man durchfährt die Station Agha , die eigentlich noch zu
Algier gehört, und Hussein Dey; dann wendet sich die Bahn
vom Meere ab und erreicht, dem Harrasch aufwärts folgend,
Maison Carree. Der Fluss, im Sommer fast wasserleer, war durch
die Regengüsse im Gebirg hoch angeschwollen und wälzte gewaltige
Massen schlammigen Wassers dem Meere zu, das auf eine
breite Strecke hin schmutzig gelb gefärbt war. Kaum waren wir
aus dem Zug: heraus, als es tüchtig zu regnen begann; wir flüchteten
in das an der Harraschbrücke belegene Café de l’Harrach
und warteten dort bei einem recht guten Frühstück das Weitere
ab. Im Städtchen war reges Leben, denn es war Freitag und
alle Freitage findet hier ein weitberühmter Viehmarkt statt, zu
dem die Araber aus der ganzen östlichen Metidja und selbst aus
entfernteren Gegenden zusammenströmen. Die ganze Umgebung
des Harraschthales bietet eine ausgezeichnete Weide und alle dort
wohnenden Eingeborenen beschäftigen sich eifrig s mit Viehzucht.
Auch heute waren trotz des Regens Massen von Araber zu-
sammerigeströmt und grosse Viehheerden drängten sich in den
Umzäunungen. Die Rinder gehörten ausschliesslich dem kleinen
brandrothen oder schwarzbraunen arabischen Schlag an und sahen
nicht sonderlich gut gehalten aus; Pferde waren nur wenig vorhanden,
dafür wohnen hier zu vieb Kabylen, die für Pferde keinen
Sinn haben und .sie in ihren Bergen auch wirklich kaum gebrauchen
können. Nur die Stämme am Isser, welche früher den
Türken als Makhzen (eine Art regulärer Kavallerie, die zum
Steuereintreiben unentbehrlich war) dienten, halten auk alter Gewohnheit
noch Pferde, sonst gehen die Kabylen stets zu Fuss,
wie in alten Zeiten Massinissa, dieser typische Kabyle, der
sich als uralter Mann gegén den jüngeren Scipio rühmte, nie ein
Pferd bestiegen zu haben. Nur die Reichsten halten sich Maul-
thiére oder Esel, und diese Thierklassen waren auch . auf dem
Markt zahlreicher vertreten. Den Haupthandelsgegenstaüd bildeten
mdess die Schafe , ziemlich . unansehnliche Thiere, unter denen
ich nur ganz einzelne Fettschwänze bemerkte; das Gebiet dieser
Rasse beginnt erst weiter östlich.