und der Kameelhaarschnur. Ihre Frauen gehen sämmtlich unver-
schleiert und sind nicht gerade scheu zu nennen; sie tragen ein
grosses turbanartiges Kopftuch mit schwarzen Bändern umbunden
und sind über alle Maassen schmutzig. In der Stadt dagegen
sind nur wenige Frauen sichtbar, am meisten noch Jüdinnen, welche
sich hier durch eigenthümliche spitze Häubchen auszeichnen.
Da wir am 7. Mai erst mit dem Mittagszug nach Konstantine
fahren wollten, hatte ich noch Zeit zu einer Exkursion nach
Fe rma to u , wo wir • . im Vorbeif' ahren eine MenOg e Schnecken ogesehen
hatten. Im Fort fiel mir die Unmasse von Schwalben auf,
die an den Kasernendächern zu vielen Hunderten ihre Nester angeklebt
hatten; die Dachvorsprünge schienen freilich auch eigens
dafür eingerichtet. An dem Kehrichthaufen jenseits des Exer-
cierplatzes hatte ich ein sonderbares Schauspiel. Verkommene
Araber haben dort ihre erbärmlichen Hütten aufeeschlagen und o o / - • - , *
ernähren sich mit dem Durchwühlen des Kehrichts und dem
Sammeln von Allem was noch irgendwie yerwerthbar erscheint;
sie haben eine ganz besondere Vorliebe für die Blechkannen, in
welchen das Petroleum aus Amerika herüberkommt; in hohen
Haufen hatten sie sie um ihre Hütten aufgeschichtet. Als ich in
die Nähe kam, waren gerade ein paar Kehrichtwagen gekommen;
die erwachsenen Araber und die Schw' ' eine in • dichtem GedränOge
durchstöberten deren Inhalt. Die halbverhungerten räudigen Hunde
hätten auch gerne mit geholfen, aber sie wurden von den Zwei-
und Vierfüsslem um die Wette zurückgetrieben und mussten wie
die Kinder heulend ihre Zeit abwarten. Die frechen Raben dagegen
sassen ganz ungenirt den Schweinen auf dem Rücken,
lasen ihnen das Ungeziefer ab und schnappten ihnen wohl auch
einmal einen guten Bissen weg, die schüchterneren Geier schwebten
theils über dem Knäuel, theils sassen sie in einem nahen Gerstenfeld.
Ich hielt sie mit ihren nackten Hälsen > anfangs für Truthühner,
bis ein paar aufflogen.- Die Geier finden sich überall in
Nordafrika-, auch schon m Südspanien, aber sie scheinen nach
Osten hin immer häufiger zu werden; in Algier fielen mir keine
auf, die ersten sah ich bei Beni Mansour und Bougie; hier waren
sie schon häufig, und bei Konstantine flogen sie zu Hunderten.
Es schienen zwei Arten zu sein, eine grössere graue, wohl Gyps
fulvus, der Igui'der der Kabylen, Nasser oder Nasr der Araber,
und eine kleinere häufigere bunte, Neophron percnopterus Sav.,
von den Kabylen Jsri, von den Arabern Uakhina genannt; beide
nisten in den unzugänglichen Felsen des Hochgebirges, aber sie
suchen ihre Nahrung in der Umgebung der Städte und da man
sie, wie überall, als harmlose Strassenreiniger hegt, sind sie nicht
im Mindesten scheu.
Setif, ob’schon die Nachfolgerin der alten Sitifis, nach welcher
eine Hälfte von Nordafrika benannt wurde, bietet dem Touristen
absolut nichts, nur eine Anzahl in der Promenade aufgestellter
Grabsteine und Inschriftstafeln erinnern an die Römerstadt.
So hielt uns denn nichts mehr zurück und mit dem
Mittagszug fuhren wir nach Konstantine. Ich hatte viel von der
Fruchtbarkeit dieser Hochebene gehört, aber längs der Bahn ist
es nicht weit her" damit; das Larid erinnert stellenweise mehr an
die Crau, als an eine Kornkammer, und die spärlichen Unkräuter,
selbst der unvertilgbare Asfodill, sahen zwerghaft und verkümmert
aus. In den flachen Durchstichen erschien in geringer Tiefe unter
der Oberfläche, eine starke Schicht Geröll, welche die Unfruchtbarkeit
erklärt. Nur um St. Arnau d waren bessere Felder und
einiger Baumwuchs, sonst ist die Hochfläche noch eben so kahl,
wie zur Zeit der Eroberung, wo ein' alter knorriger heiliggehaltener
Dornbaum *) ein Chiffonier, wie die Franzosen sagen, weil die
Eingeborenen solche Stämme mit bunten Lappen als Opfergaben
zu behängen pflegen —- die ganze Baumvegetation zwischen Setif
und Konstantine repräsentirte. Die Haltestellen liegen durchschnittlich
drei Viertel bis eine Stunde Fahrzeit auseinander, und weit
von den zugehörigen Orten ab; von Menschenwohnungen - sieht
man nur die' der Bahnbeämten und die daneben aufgeschlagenen
Zelte der arabischen Bahnarbeiter.
So geht es über drei Stunden lang durch trostlose Einsamkeit
; das Terrain ist so eben, dass keine Brücke, kein Durchstich,
kein Damm nöthig geworden ist; nur am Horizorit in blauer Ferne
erscheinen ein paar Bergzüge. Dann beginnen flache Einsenkungen,
hier und da mit etwas fliessendem Wasser, die obersten Anfänge
*) Heilige Dornbüsche finden sich überall im Araberland, auch in Syrien,
wo sie Zar’ür oder Azerole heissen, ebenso im Kurdenlande. Dass es uralter
heidnischer Araberbrauch, beweist der in den vormuhamedanischen Zeiten
in ganz Hedschas verehrte Dornbusch in Na chl a Dass Jehovah dem Moses
in einem feurigen Dornbusch erschien,' hängt wohl auch mit diesem Kultus
zusammen.