geladen hatte, ihn zu besuchen. Um nach ihm Umschau zu halten,
schienderten wir durch die Strassen des anscheinend recht gut
gedeihenden Ortes, der schon zu einem kleinen Städtchen heran-
g-ewachsen ist und nicht nur von Europäern , sondern auch von
Kabylen, die Handwerke betreiben, bewohnt wird. Als wir über
den Platz gingen, kam uns ein Junge nachgesprungen und holte
uns an das kleine Schulhaus, das wir hinter den schattigen Eukalypten
des Vorgartens gar nicht bemerkt hatten. Wir fanden
Herrn Sabatier m dem engen Schulzimmer, das für ca. 20 Schüler
nur nothdürftig Raum bot. Kabylen, eingeborene Juden und Kolonistensöhne
sassen bunt durcheinander. Die Schule'war ganz
nach französischem Muster eingerichtet, aber die besten Zöglinge
waren ein paar Kabylenjungen, welche das Französische vollkommen
fehlerfrei sprachen und lasen, und deren Hefte und
Kartenzeichnungen wenig zu wünschen übrig liessen. Einer da-*
von -ptar sogar nach Algier auf die Ecole normale geschickt worden,
um zum Lehrer ausgebildet zu werden, aber der Sohn des
Gebirges hatte das Heimweh bekommen und zurückgeschickt werden
müssen.
Der Nachmittag verging uns nur zu rasch in Gesellschaft
des Herrn Sabatier und seiner Frau, einer Elsässerin, die zwar
als Tochter eines französischen Officiers eine arge Preussenfeindin
war, aber sich doch kindlich freute, wieder einmal ihr gemüth-
liches Elsässer Deutsch sprechen zu können. Der Lehrer ist seit
sieben Jahren in-Akbou angestellt und kennt das Land und die
>Leute genau; ich erfuhr von ihm gar Manches über die Kabylen,
was mir neu war, aber ich ziehe vor, das später im Zusammenhang
zu berichten, da ich den Urbewohnern Nordafrikas ja doch
ein eigenes Kapitel widmen muss. Da Herr Sabatier auch ein
eifriger Sammler ist, hatten wir Berührungspunkte genug, und
gern wäre ich noch einen oder zwei Tage in Akbou geblieben,
wenn das Wetter nicht , gar zu fürchterlich" gewesen wäre. Aber
so prasselte der Regen fortwährend gegen die Scheiben, die
Wolken senkten sich immer tiefer am Gebirge herab und Herr
Sabatier meinte, vor der nächsten Woche werde es schwerlich
besser werden. Da blieb nichts übrig, als am Abend Plätze in
der Diligence zu nehmen, da eine Tag-Gelegenheit nach Bougie -
leider nicht existirt. Die Fahrt war sehr unerquicklich; was seit
Monaten nicht vorgekommen, ereignete sich gerade heute, es war
noch ein anderer Coupé - Passagier da, und so sassen wir wie die
Häringe zusammengedrängt und konnten bei dem schajiderhaften
Regen noch nicht einmal die Fenster öffnen. Wir waren alle
froh,. als der Morgen anbrach und wir gegen sechs Uhr unser
Reiseziel Bougie vor uns liegen sahen.
Dié Kolonisation im Sahelthal datirt erst von 1871, nach
der Niederwerfung des grossen Aufstandes, sie hat für diese kurze
Zeit schon ganz respektable Resultate erzielt. Ausser Akbou und
Tizimalt liegen noch eine ganze Anzahl von Fermen am Abhang
der Berge, die Hügel verwandeln^ sich rasch in Weinberge und
bereits hat ein Marseiller Haus eine grossartige und rationell betriebene
Oelmühle angelegt *). Trotzdem sind die Bedingungen
für den Ansiedler hier nicht so günstig, wie sie auf den ersten
Blick scheinen. Nicht umsonst liegt der grössere Theil des Thalbodens
wüst, und haben sich alle Ansiedelungen an die Berghänge
geflüchtet. Jahrhunderte lang hat der Sahel oder, wie er von der
Einmündung des Bou Sellam an im Lande gewöhnlich genannt
wird, der Souman, sich sein Bett durch die Ebene gegraben, wo
und wie er wollte; so sind unzählige Altwasser und Wasserlöcher
entstanden, deren Verdunstung die Luft mit Miasmen erfüllt und
perniciöse Wechselfieber erzeugt. Auch der Kabyle erliegt ihnen ;
eine Anzahl unternehmender Leute, die nach der französischen
Eroberung die Besiedelung versuchten, sind zu Grunde gegangen
und selbst die Hirten scheuen im Sommer die Ebene. Akbou ist
besonders deshalb auf der unbequemen Höhe erbaut worden; eine
Verbesserung des Klimas ohne Regulirung des noch ungebändigten
Flusses ist kaum zu erhoffen. —. Dann aber ist das Sahelthal,
das gerade von Süden1 nach Norden die gewaltige Bergmasse der
Kabylie durchschneidet, dem Scirocco ausgesetzt, ' wie wenig andere
Gegenden Algeriens. Mit furchtbarer Gewalt und sengender
Gluth stürzt er von der Hochebene herunter in die tiefe Einsenkung
zwischen den hohen Bergrändern und vernichtet, wenn er
schon früh im Jahre eintritt, oft die ganze Ernte. Im vorigen'
Jahre blies er im Juli 18 Tage ununterbrochen, und der Thermometer
stand im Schatten unverändert auf 4 4 0 C., so dass das
Laub an den Bäumen sich kräuselte und die Weinbeeren am
Stock zu Rosinen einschrumpften. Mehr noch als sonstwo im
*) Ich entlehne diese Specialangahen einèm im Bulletin de la Société
géographique de Marseille 1885 veröffentlichten Artikel des Herrn Sabatier.