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men. In dem eben genannten 40jahrigen Orte waren
trolz der Menge von Stammen die Wipfel doch schon
so diinn geworden, dafs der Graswuchs anfing bemerk-
bar zu werden.
Hat man in einem Orte einmal Eichenstamme, so
wird es aucli nicht schwer, sie durch mehrere Buchen-
Umtriebe hindurch uberzuhalten. Es ist aber nicht gleich-
giiltig, welche Stamme man dazu wahlt, und die Spes-
sarter scheinen eine besondere Uebung zu haben in der
Unterscheidung derer, die noch zu Ueberhaltern gebraucht
werden konnen, und solcher, welche eingeschlagen werden
miissen. Solche Ueberhalter, wie sie sie nennen,
miissen Klebe ra s te haben; denn nur diese sind im
Stande, ihre so viele Jahre frei iiber den emporwach-
senden Hochwald hinausragenden Schafte gegen die
feindlichen Sonnenstrahlen zu schiitzen, und nur solche
versprechen noch einen angemessenen Zuwachs, wenn
auch der Wipfel wegfault. Solche Stamme hingegen,
welche keine Kleberaste, d. h. einzelne hoch und nie-
drig am Stamme zerstreute, noch griinende Aeste haben,
werden, wenn sie auch noch so gesund sind, zu Ueberhaltern
fiir untauglich gehalten, weil der Stamm unge-
schiitzt bleibt, und mit dem Durrwerden des Gipfels der
ganze Baum verloren geht.
Untersucht man nun auf der andern Seite, welcher
Vortheile sich die Buche zu erfreuen hat, so wundert
man sich nicht dariiber, dafs im Spessart viel haufiger
reine oder gemischte Buchenbestande als reine Eichen-
bestande vorkommen. Erstens ist die Buche gegen den
Frost nicht so empfindlich als die Eiche; zweitens ist
sie dem Verbeifsen durch das Wildpret nicht so sehr
ausgesetzt; drittens wachst sie viel schneller als die
Eiche; viertens leidet sie wenig von der Verdammung.
Ueber den letztern Punkt kann man besonders im Spessart
hiibsclie Erfalirungen einsammeln; denn es wird dem
jungen Aufsclilage viel geboten, indem der Aushieb des
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alten Holzes oft lange wegen des Verkaufes verziigert
werden mufs.
Man kann daher den jungen Aufschlag immer um
10 Jahre alter ansprechen, als z. B. im Holzer Reviere.
Sobald der Abtrieb ganzlich erfolgt ist, gehen die jungen
Gerten aber auch schnell in die Hohe. Den ausge-
zeichnetsteu Schlag, in welchem die Samenbaume noch
standen, sah ich im Rothenbucher Revier, Abtheilung
Zweigrund. Mehrere Hange, wohl an 500 Tagewerke
grofs, waren vollkommen dicht und gleichmafsig mit
2 0 jahrigen, durchschnittlich 8 bis 10 Fufs hohen Gerten
bestanden. Eine eigenthiimliche Erscheinung bo-
ten uns hier die Wirkungen des diesjahrigen Friih-
jahrsfrostes. Man konnte namlich die erfrornen StSmm-
chen an dem frischeren Grim ihres zweifen Trie-
bes von den schon mehr herbstlich sich fiirbenden, un-
versehrt gebliebenen, unterscheiden. Von der Hohe des
einen Berges sah man den scharf abgeschnittenen Slrich
der erstern in der Tiefe des Thales sich hinziehen, und
nur hier und da einzelne Arme in die Hohe hinauf-
schicken.
Wahrend diese Gertenbeslande und wiederum die alten
lOOjahrigen Orte so aufserordentlich schon stehen,
vermifst man jenen wohlgefalligen Anblick an den Or-
ten von 20 bis 60 Jahren. Sie haben ein struppiges
Ansehen, zeigen verhaltnifsmafsig geringen Zuwachs, und
erscheinen auch ungleich in der Stellung der Stamme.
Dies scheint mir lediglich von dem Mangel der Durch-
forstung herzukommen, die im 60sten Jallre erst unter-
nommen und nur alle 30 Jahre wiederholt werden darf.
Bis daliin werden die unterdriickten Stammchen von den
Holzberechtigten, denen gewisse Tage zur Abholung fest-
gesetzt sind, herausgenommen. Es kann dabei aber wohl
nicht so regelmafsig und ordentlich hergehen, als wenn
der Forstmann durchforstet. Ich denke noch mit wah-
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