
Ich bitte meine verehrten Leser, diese Reise nun noch
einmal mit mir zu beginnen, und etwas Geduld zu haben,
wenn es zuweilen etwas langsam gehen sollte.
Fuhrwerk ist nicht immer zu gebrauchen; man mufs sich
insist auf seine treuen Beine verlassen.
- Den 2ten September Abends zehn Uhr reiste ich mit
der Post von Berlin ab, und traf, nachdem ich die Stadte
Magdeburg und Quedlinburg nur bei der Durchreise be-
riihrt hatte, am Dienstag den 3ten friih in Stolberg am
Harze ein.
M i l t u o c l i d e n 4 t e n ging ich in Geselischaft
des Hrn. Dr. Phobus von Stolberg ab. Es war zwar
mein Wille gewesen, mich dieses Mai auf dem Harze
gar nicht aufzuhalten, sondern die eigentliche Reise erst
von Clausthal zu beginnen; allein die Giite meines
Freundes veranlafste mich diesen Entschlufs zu an-
dern. Derselbe hatte einen erfahrenen Bergmann be-
stellt, der uns durch Gegenden fiihren sollte, die mir,
obgleich ich schon oft den Harz in seinen verschiedenen
Gegenden gesehen hatte, ganzlich unbekannt waren, und
deimoch wegen ihrer geognostischen Eigenthumlichkei-
ten das grofste Interesse fur mich haben mufsten. Mit
diesen werden meine geneigten Leser auch fur dieses Mai
vorlieb nehmen mussen, da ich hier eine Beschreibung des
iibrigen Harzes wegen seiner aufserordentlichen Mannig-
faltigkeit anzukniipfen nicht im Stande bin. Wenn icli
n u r das Bekannt e davon geben wollte, wiirde ich
damit ein eignes Buch fiillen. Die Gegenden, welche
ich auf dieser Reise durchwanderte, haben auch einen
so durchaus selbst von den iibrigen eigenthiimlichen Cha-
rakter, dafs sie abgerissen noch ein Ganzes bilden. Es
sind dies die Steinkohlen-, Porphyr- und Mandelstein-
gegenden von Ilfeld, die wir in folgender Richtung durch-
sclmitten: Haynfeld, Yaterstein, Poppenberg, Netzberg,
Braunsteinhaus, Steinmiihlen, Siilzkam. Am Poppen-
berge und Vaterstein beschaftigten uns die Steinkohlen,
welche im Harze nur sehr beschrankt vorkommen und
auch nicht weit verfiihrt werden; sie sind auch nirgends
sehr machtig, und werden nur durch Stollen gefordert.
Die Mannigfaltigkeit der hier in Begleitung der Stein-
kohle vorkommenden Gesteine lafst nichts zu wiinschen
iibrig. Man findet sowohl den Schieferthon, als auch
den Kohlensandstein von der verschiedensten Structur
und Zusammensetzung. Der Schieferthon, bald ganz
schwarz, bald heller gefarbt, enthalt zahllose schone
Pflanzen-Abdriicke. Der Kohlensandstein, bald mehr
feinkornig, bald sehr grobkornig, oft mit Geschiebestiik-
ken von der Grofse der Taubeneier, hat bald mehr ein
graues, bald mehr ein rothes Ansehen; bald verlauft er
in den Schieferthon, bald bekommt er Aehnlichkeit mit
dem Rothliegenden. Besonders auffallend waren mir
Stiicke von heller Farbe, welche sehr festen, reinen und
aufserdem chalcedonahnlichen Quarz, und daueben grau-
wackenahnliclie, abgerundete Gemengtheile enthielten
und ungemein hart waren.
Der Geognost findet darin interessante Momente fur
das muthmafsliche Alter dieses Gebirges, kann auch die
schonsten Cabinetsstiicke sammeln; allein fiir den Bo-
denkundigen ist dies Steinkohlengebirge wegen der be