
aus, um zu sehen, ob unter den Ankommenden nicht
ein Bekannter sey; man steigt bedachtig aus und kommt
in kein Gedrange; in der Stube steht ein warmer Kaf-
fee oder sonst etwas zur Erfrischung bereit, und wer
nicht yon seinem Platze gehen will, verhungert auch
nicht 5 denn yon alien Seiten kommen Leute mit Obst
und Backwerk an den Wagen.
Des Nachts fiihlt man sich wohl etwas unbehaglieh,
wenn man durch das Auhalten und Umspannen aus dem
Schlafe gestort oder wohl gar genothigt wird, seinen
warmen Sitz auf einige Minuten zu verlassen; indessen
fehlt es dabei nicht an originellen Situationen der schlaf-
trunkenen Passagiere und der unfreiwillig muntern Wir-
the, und wenn vollends der Tag graut, und alle die
Schonheiten der erwachenden Natur, die die meisten so
oft daheim verschlafen, mit Mufse beobachtet werden
konnen, so ist man reichlich entschadigt fiir die Unbe-
quemlichkeiten der confusen Nacht.
Der geehrte Leser hat schon aus der Ueberschrift
ersehen, dafs es dieses Mai nach dem Riesengebirge geht.
Es ist das Ziel meiner Wiinsche von Jugend auf gewe-
sen. Nie verlangte ich nach den immerbliihenden Ge-
filden Hesperiens, noch weniger trachtete ieh die Meere
nach fernen Landen zu durchschiffen; aber das deutsche
Vaterland lag im Traume, wie im Wachen vor mir;
nach den Bergen von ehrfurchtgebietender Grofse und
bezaubernder Naturschonheit, wo die Edelsteine des
Orients in geheimnifsvoiler Tiefe versteckt sind, nach
der Wiege unserer schonsten patriotisclien Gefiihle sind
meine Hoffnungen gerichtet. Schon richte ich verlan-
gend meine Blicke nach der Gegend, w'o die Gegen-
stande einer erinnerungsreichen Jugendbekanritschaft am
Horizont aus dem Nebel auftauchen miissen. Die ersten
blauen Streifen derVorberge werden mit Jubel begriifst.
Bald geht es bergauf und bergab, der Hemm-
schuh wird fleifsig mit klirrender Kette in Bewegung
gesetzt, und ehe noch die zweite Nacht abgelaufen ist,
haben wir schon das schwebende Bette mit den ruhi-
gen Federn in Hirschberg, wo der Postcours endet, ver-
tauscht.
Ich sprach von einer Jugendbekanntschaft. Damit
dies Niemand mifsverstehe, fiige ich noch hinzu, dafs
ich im Jahre 1822 in der Reihe froher Gefahrten von
der Universitat aus eine grofse Ferienreise nach dem
Riesen- und dem Glatzer-Gebirge, und zum Beschlusse
durch die Sachsische Schweiz und das Erzgebirge machte.
In dem bezaubernden Lichte, wie ich die Gegenden Ja mals
sah, fand ich sie nicht mehr. Die Ausbriiche der froh-
lichen Jugend waren verhallt, die Hohen liefsen sich
nicht mehr mit der Leichtigkeit erklimmen, und die
Milch in den Sennhiitten schmeckte nicht mehr so siifs
wie friiher. Die schonen Pllanzen, nach denen damals je-
der Winkel durchsucht, jede Klippe crklettert und der
reifsendste Gebirgsbach iiberschritten wurde, schienen
sparsamer geworden zu seyn. Ich sammelte allein, und
doch fand ich nicht so viel wie damals, als im Augen-
blicke der Entdeckung einer schonen Pedicnlaris oder
Orchis gleich fiinf Bewerber iiber dieselbe herfielen.
Und dennoch gewahrten mir jene Riesenberge trotz der
20 Jahre alter wieder den schonsten reinsten Genufs.
Die langst zerstreuten, aber Gottlob noch alle lebenden
und noch zusammenhaltenden Sudetenwanderer und be-
moosten Haupter Betcke, Brandt , Leue und Spar -
mann wurden mir diesmal durch einen treuen, giitigen
Begleiter ersetzt, und die etwas verminderte Beweglich-
keit. durch verdoppelte Aufmerksamkeit, welche ich bei
gereifterer Erfahrung auf desto verschiedenere Gegen-
stande richten konnte, gut gemacht. Wir haben auch