
Treppe zu finden wufste. Das Haus hatte das Madchen,
ehe es ging, natlirlich offen lassen miissen. Viel lieber
ware es mir gewesen, sie hatte mich eingeschlossen;
denn nun mufste ich am Ende noch Wache halten. Es
wurde mir tausendmal leid, dafs ich nicht so lange zum
Herrn Amtmann gegangen war. Jetzt war es aber zu
spat; denn, wenn ich auch den Regen jetzt nicht mehr
so sehr gefiirchtet hatte, so war doch jetzt an ein Auf-
finden des Weges nicht mehr zu denken, und — ich
bildete ja auch die Sauvegarde des sonst ganz verlasse-
nen Hauses. Es wollte nicht einmal mit dem Suchen
der Treppe recht gehen; ich blieb also ganz ruhig
sitzen aus Furcht, dafs ich bei langerem Herumtappen
in einen Winkel gerathen konnte, aus dem ich nicht
wieder in die Stube finden wiirde. Ich hore Sie aber
sagen: wie ist es moglich, dafs man sich nicht gleich
orientirt, wo man ist? Das hatte seine eigene Bewandt-
nifs. Das Zimmer, in welches ich gelassen wurde, ent-
hielt des Herrn Oberforsters hiibsche Insektensammlung;
da dachte ich denn natiirlich nicht eher an die Umge-
bung, als bis ich keinen Kafer mehr erkennen konnte,
und nun war es zu spat zum Rekognosciren, indem der
Flur keine Fenster hatte und schon ganz finster war,
als ich in der Stube noch etwas sehen konnte.
Ich darf Sie nun wohl nicht langer mit dem unter-
halten, was ich dachte, was ich bereuete, was ich hoffte
und was fiir Reflexionen meine Lage sonst noch erzeugte.
Einige Male glaubte ich die Thiire unten aufgehen zu
horen. Ich schlich aus Furcht, als ein wirklich einge-
ladener Gast nicht anerkannt zu werden, zur Thiire.
Aber Alles war mauschenstille, und als ich so mehrmals
zwischen Furcht und Hoffen dasselbe wiederholt hatte,
wurde ich denn inne, dafs noch ein lebendiger Bewoh-
ner, wahrscheinlich Hund oder Katze, im Hause seyn
miifste. Endlich wurde es doch wahr. Die Hausthiire
ging wirklich auf, und ich horte Menschenstimmen. Wie
nun aber sich anmelden, oder nothigenfalls vertheidigen?
Ich schrie ,,Lichtu zur Thiire hinaus. Das lange er-
sehnte Licht kam herauf. Das von einem Tanzchen
heimkehrende Madchen, wie ich nachher erfuhr, eine
Beherrscherin der Kuhstalle, war ziemlich verbliifft, mich
kennen zu lernen; jedoch wurde meinen Worten, dafs
ich ein Freund des Hauses sey, bald Glauben ge-
schenkt. Nun dauerte es auch nicht lange, so waren
Wirth und Wirthin da, und zugleich meine Sachen aus
dem Wirtbshause in Volpersdorf, welche sie die Giite
gehabt hatten abzuholen, um mich nicht mehr wegzu-
lassen. Es ermittelte sich nun zu unserm gegenseitigen
Verdrufs, dafs wir uns auf dem. Wege zwischen Neu-
rode und Volpersdorf begegnet. waren, ohne in der Ver-
mummung der Mantel einander zu kennen. Das war
wieder eine praktisehe Lehre. Nie will ich unterlassen
Jemand unterweges anzureden, von dem ich irgend etwas
zu lernen oder zu erfahren hoffen darf. Der Rest
des Abends verging mir aufserst angenehm. Wir kamen
auf allerlei forstliche und naturhistorische Kapitel, besonders
Entomologie und Ornithologie. Unter den hiib-
schen ausgestopften Vogeln, welche die Schranke der
Zimmer zierten, fielen meine liisternen Blicke zuerst
auf einen sehonen jungen Vultur jfiilvus, und ich mufste
ihn am Ende beschamt als Gesehenk von meinem freund-
liclien Wirthe annehmen. Der Vogel befindet sich jetzt
in unsern Neustadter Sammlungen, und darf wohl als
eine Sehenswiirdigkeit betrachtet werden, indem von
den zu verschiedenen Malen in Oberschlesien geschos-
senen Geiern nur dieser und ein anderes Exemplar im
Breslauer Museum erhalten worden ist (s. Gloger ’s
Handbuch der Naturgesch. der Vogel Eu ro p a’s.
Bd. I. Breslau 1831. p. 557.). Wie in so vielen andern
Dingen, so zeichnet sich das schone Schlesien auch