
das Seiffershauer Revier herabzusteigen und unsern Heim-
weg anzutreten (bis zur Schreiberhauer Forsterei sind
es, nach Hrn. Ste rni tzky, circa 524 Ruthen Entfer-
nung). Nach viertiigiger Abwesenheit, nachdem Vieles
gesammelt und beobachtet worden war, wurde es Zeit,
dies zu ordnen und in’s Tagebuch einzutragen. Es gab
aber unterweges noch vieles Interessante zu sehen. Wir
waren nur einige Hundert Schritte abwarts gestiegen,
als uns auch schon eine schone iiber 30 Jalire alte Ficli-
tendickung vor der brennenden Sonne schutzte. Wer
sich dariiber belehren will, wie die Natur ihre Culturen
aufbringt, ohne kiinstliche Aussaat, ohne Sclionung, an
den steilsten und rauhesten Gebirgspartien, der mufs diesen
Weg nehmen; verfehlen kann er ihn nicht, denn es
fuhrt hier nur der eine abwarts, und rechts und links
abzuweiclien, wiirde wohl kaum moglich seyn, wenn
man nicht stundenlang mit der Axt zubringen wollte,
um sich nur einige Schritte durch die wie eine Mauer
geschlossenen Stamme zu bahnen. Ueberall stecken hier
einzelne Weifstannen unter den Fichten, hier und da
Ahorne. Es erwachst hier also gerade wieder ein soldier
Bestand, wie wir ihn als Urwald unter’m Reiftrii-
ger gesehen haben. Hier und da steckte zwar noch eine
Tanne so tief in den Fichten, dafs man an ihrem Auf-
kommen hatte zweifeln mogen. Wenn man aber immer
weiter nach andern sucht, und die 25—30jahrigen theils
schon die Fichten durchbrechen, theils schon etwas iiber-
ragen sieht, so hat man auch fur jeue keine Sorge mehr.
Wahrscheinlich gehen in einem solchen von der Natur
bewirthschafteten Walde nur wenige Weifstannen ver-
loren, wahrend wir nach einem Kahlhiebe kaum eine
nachzuziehen vermogen. Die Losung des ganzen Rath-
sels ist selir einfach. Dort wurde die Bodenkraft n:cht
geschwacht. Die unerschopfliche Quelle von Humhs,
unterstutzt von der Jalirhunderte lang dauernden Verwesung
von Stocken und Lagerholzern, verbesserte den
an sich schon kraftigen Mineralboden. Hohe Stocke,
abgebrochene Stamme und einzelne noch stehende Pflanzen
schutzten den jungen Anflug. Die junge Tanne
konnte schon friih so viele Krafte sammeln, dafs sie 10
bis 20 Jahre dem Drucke zu trotzen vermochte, und
sich dann doch hervorarbeitete. Daher war auch das
Aussehen der Stammchen, welche noch tief in den Fichten
safsen, keinesweges kranklich. Es hatte nur dazu
beigetragen, dafs die Stammchen schon friih anfingen
sich von Aesten zu reinigen und dann spater desto
schneller in die Hohe gingen. Wollte man einen soL-
chen Bestand kahl abtreiben, so wiirde man gewifs (in
diesem Alter von hochstens 35 Jahren!) pro Morgen 90
Schocke Gebiindholz (a 25 Cubikfufs Masse) erhalten,
also mindestens 70 Cubikfufs jahrliche Zuwachsmasse
freilicli nur in Gebund- und nicht in Schnittholz-Quali-
tat — rechnen konnen. Am Hochwege ging’s dann in
ostlicher Richtung zur Urle und dicken Tanne. Unten,
am Urlenplane genannt, (etwa 1000 F. unter’m Hochsteine)
liegt eine grofse Hauung, deren kahle Flache allerdings
sehr unangenehm gegen den sehonen Bestand,
den wir eben verlassen hatten, contrastirte. lndessen
ist hier iiberall die Bodenkraft vorziiglich — die Unter-
lage ist der Gneufs'vom Hochsteine —, wie man aus
der ungewohnlichen Menge von Tussilago Farfara, welche
ganze Flachen iiberzieht, ersehen kann. Es ist daher
nicht zu bezweifeln, dafs auch hier die alten guten
Zeiten dereinst wiederkehren werden.
Wir friilistiickten hei der dicken Tanne. Es ist dies
ein alter Stock von vorziiglicher Starke. Ungeachtet
die nach Stockholz Suchenden ihm schon manchen Hieb
heigebracht hatten, mafs er doch noch 4' Durchm.
Diese Gegend hatte ehemals zu den holzreichsten
des ganzen Riesengebirges gehort. Noch jetzt sieht man
18**