
wir wunderbare Tone, die uns erst erklarlich wurden,
als wir hinter der Hiitte beina Ersteigen des Berges einen
Mann bemerkten, der auf den Felsen liingestreckt
ein Instrument, halb Leierkasten halb Klavier, spielte,
dessen Construction ich nicht recht begriff. Das war
uns aber bald klar, dafs er es bei diesem Wetter nicht
aus Passion trieb; denn er verschmahte die dargereich-
ten Munzen nicht. So wenig Aufmerksamkeit wir auch
in Hermsdorf oder in Berlin fur einen solchen Kiinstler
gehabt hatten, so konnten wir ihm doch an diesem
Orte deu Beifall nicht verweigern. Die Macht der Tone
versagt nie ihre Wirkung, und zeigt sich, je nach der
Umgebung, wunderbar verschieden. Das einfachste
Glockengelaute der Heerden, das Pfeifen eines Hirten
oder der kunstlose Gesang der Culturarbeiter an den
Felsen entziickt den Reiseuden im Freien. Auf mich
kann die zusammengesetzleste Concert-Musik nicht den
Eindruck machen, wie ihn der Bohmische Musikus mit
seinem Leier-Klavier liervorbrachte. Das Gemiith er-
heiterte sich; es glaubte eine gleiche Stimmung in der
ganzen umgebenden Natur wahrzunehmen; die Felsen,
hier und da in menschenahnliche Gestalten gekleidet,
welche noch eben duster in die Nebel hinausstarrten,
erschienen weaiger finster. So uberliefs ich mich ein
Weilchen angenehmen Traumereien keuchend auf den
knotigen Stock gestiitzt und den Herrn Forstmeister er-
wartend, der etwas zuriickgeblieben war. Endlich ver-
stummlen die Tone, und mit ihnen waren auch die
freundlichen Illusionen verschwunden; der Sturm trat
wieder in sein Recht; die Nebel zogen mit erneuerter
Kraft und Schnelligkeit vorbei; die bartigen Felsenman-
ner hatten ihr voriges diisteres Ansehen wieder ange-
nommen. Die Nebel fingen schon an zu nassen, der
arme Spielmann mufste sein Instrument in Sicherheit
bringen, und die Reisenden mufsten ihre Kleider noch
fester verwahren.
Wir hatten allmalig die Grofse Sturmhaube gewon-
ncn. Aber kein freundlicher Blick liefs sich mehr in
die Umgebung thun; nichts war hier mehr zu hoffen,
als einiger Schutz, den wir hinter den Mannstein-Felsen
auf der Hohe der Sturmhaube vor dem Unwetter,
welches in stromenden, vom Sturme gepeitschten Regen
ausgeartet, war, suchteu. Hier konnten wir aber doch
nicht bleiben. Wir rafften daher die letzten Kraft e zu-
sammen, um zur Grubenbaude zu gelangen, die nach
unserer Rechnung keine halbe Stunde mehr entfernt
seyn konnte. Das Hohe Rad und die Grofse Sturmhaube
waren erstiegen. Schweigend iiberschritten wir
das todte Steinmeer und warfen nur dann und wann
einen traurigen Blick nach der Gegend, wo in demselben
Augenblicke wahrscheinlich die unter unsern in
Wolken gekiillten Fiifsen liegende Landschaft den freund-
lichsten Sonnenschein genofs. Mich schiitzte noch so
ziemlich mein wasserdicht appretirter Tuchrock; der
arme Hr. Forstmeister aber war bis auf die Haut, durch-
nafst. Schon verkiindete der Fiihrer die Nahe der Baude,
als ich vorauseilend kaum im Stande war die Schritte
zu hemmen. Ich war dicht an den Rand der Grofsen
Schneegrube gekommen, die mir der dichte Nebel ver-
deckt hatte. Mit Entsetzen wandte ich mich von der
schwarzen Kluft ab, deren Tiefe ich schon friiher von
demselben Standpunkte kennen gelernt hatte. Ich machte
einen grofsen Umweg, um auch den iibrigen Randern
der zackigen Felsschlucht nicht zu nahe zu kommen,
und in wenigen Minuten war die Baude erreicht, die
mich eben so freudig uberraschte, wie mich die uner-
wartete Erscheinung der Schneegrubenrander erschreckt
hatte. Ich war nur wenige Schritte von derselben ent