
durch das Dtistere der Witterung den ersten Eindruck
ganz verfehlte.
Meine giitigen Leser werden nicht oft bemerken,
dafs ich mich durch einen Thurm, Schlofs, Haus oder
sonstwie genannten kiinstlich zusammengetragenen Stein-
haufen hinreifsen lasse, .hier aber bin ich entziickt, und
der Eindruck, welchen der Dom auf mich machte, ist
kein geringerer, als der den ich beim Anblicke eines schonen
Felsens, einer prachtigen Blume oder eines andern
ahnlichen Tempels der Natur, welcher von Gott selbst
entworfen, ausgefiihrt und bewohnt ist, empfinde. In
diesem Kunstwerke wohnt die Gottheit auch 5 sie hat
die Menschen, welche es anlegten, wirklich inspirirt.
Die Grofse des Ganzen, obgleich es nur einen Theil des
ungeheuren Plans wiedergiebt, die Idee in der Archiifek-
tur, ja die Ausfiihrung bis auf die kleinsten Sculptur-
Arbeiten — Alles tragt das Geprage des Gottlichen im
Menschen. Nur wenige Kunstwerke haben mich in detn-
selben Mafse je gefesselt, nur die schonen S c h liite r-
schen Bauwerke in Berlin, einige Ruinen, selbst die we-
niger bekannten unserer Mark Brandenburg, und yor al-
lem der Bamberger Dom. Hier lcommt nun noch hinzu,
dafs dies Gebaude gerade eine noch viel hohere Be-
deutung gewinnt. „Wer fiihlt sich nicht im tiefsten Ge-
miithe ergrilfen, heifst es in einem Aufrufe des Coiner
Dombau-Vereins, bei dem Gedanken, dafs ein Bau, des-
sen Ruhm durch so viele Lander tont, dessen riesenhaf-
ter Plan die menschliche Kraft weit zu iiberragen schien,
dafs der Bau ohne Gleichen vielleicht noch vor den Au-
gen der lebenden Generation dastehen wird in der Glo-
rie seiner Vollendung? Der Katholik baut an seinem
Gotteshause, in welchem der Genius der Kunst auf den
Schwingen der Religion den hochsten Flug genommen;
Alle aber fbrdern das lierrlichste Denkmal d eu tsch en
Sinnes, deutscher Kraft, deutscher EinlrachL Unser er-
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lauchter Herrscher geht uns voran, lafst uns Alle ihm
folgen; es gilt ja das Heiligste und Schonste: Religion,
Vaterland, Kunst, sie rufen mit vereinter Stimme. Der
allmachtige Gott, zu dessen Preis und Ehre das Werk
gereichen soli, moge demselben seinen Segen verleihen
— unser Wahlspruch aber sei: „Einlracht, Ausdauer !*4
Eine schonere Gewahr fiir unsere Einigkeit kann es
nicht geben. So lange am Coiner Dome noch ein Stein
auf dem andern bleibt, kann auch Deutschland nicht wieder
sich trennen, von woher auch der Sturm kommen
mag.
Indessen konnte ich es doch nicht lange auslialten,
diesen Betrachtungen allein obzuliegen; denn mein er-
ster Gedanke, der schon bei dem Erblicken des erhabe-
nen Gebaudes in weiter Ferne bei mir aufstieg, gehorte
eben sowohl der Materie, wie der Idee und der Form.
SeitJahren schon lebte die Vorstellung in mir: der Coiner
Dom ist aus dem schonsten Trachyt der Welt, von
dem ich mir nur wenige und kleine Kabinetstiickchen
verschaffen konnte, erbaut! Man kann sich also meine
Ungeduld denken, diesen ersehnten Trachyt in unzalili-
gen Stiicken zu sehen. Ich fiel wie ein Hungriger iiber
seine Speise her, und, wenn ich mich nicht durch Ver-
nunft hatte beherrschen lassen, wenn ich nicht im Sie-
bengebirge reiclie Ausbeute erwartet hatte, ich wiirde
einen Frevel begangen und Stiicke aus den Mauern ge-
schlagen haben. Ich will nun meine Leser nicht langer
damit aufhalten, wie ich von einem Punkte zum andern
ging, immer neue Exemplare mit grofsen und klei-
nen, glanzenden und matten, ganzen und zerborstenen
Kryslallen, mit fester oder lockerer, heller oder dunkle-
rer Grundmasse u. s. f. aufsuchend. Am Drachenfels, wo
dieser merkwiirdige Trachyt ansteht, miissen Sie mir doch
noch einmal Gehor sclienken.
Leider hat dieser Trachyt aber nicht ganz den Er