
der Ausdruck der unerwartet wieder belebten schonsten
Hoffnungen, bemachtigte sich meiner; es war mir, als
konnte und miifste ich in Einem Laufe den Grund der
Schneegrube erreichen. Ein Blick reichte aber hin, die
Tiefe zu messen, welche noch yor uns lag, und wir
thaten geduldig einen Schritt nach dem andern, vorsich-
tig die Sicherheit der Rollsteine priifend, welche ofters
schon bei der Beriihrung mit der Fufsspitze entschliipf-
ten und polternd andere eben so unsichere Stucke mit
sich fortrissen. Zur linken Seite unseres Weges standen,
vor der Sonne durch die Grubenwande geschiitzt,
noch dichte Walder der Cacalia (Adenostyles) albi-
frons und Sonchus alpinus mit ihren schonen rosafar-
benen und himmelblauen Bliithen. In lieblicher Mannig-
faltigkeit mischten sich darunter das dunkle Blau der
Gentianen, der brennend gelbe riesige Setiecio nemo-
rensis (var. 3 macrophyl lus nach G o p p e rt) und
die blafsrothen Federbiische unseres Polygormm Bistort a,
welches nach W im m e r haufig im Gebirge angesat werden
soli.
Auch grofse Massen yon Lychnis sylvatica, Conyza
squarrosa* Aspidium mit einzelnen Aconiten bestim-
men den Yegetations-Charakter. Von unserm gemeinen
Sauerampfer (Bume x Ace tosa) wachst hier, wie auf
alien Wiesen des Hochgebirges, die schone breitblattrige
Varietat (B . a r i fo l iu s A llio n .). Die Felstriimmer
sind mit der reizenden kleinen Primula und dicken
Rasen von Saxifragen iiberzogen. Hier und da blickte
noch eine bliihende Potent ilia aurea durch. Anemone
alpina kommt schon sehr hoch an den Felswanden und
zwischen dem Gerolle vor, wird aber erst sehr haufig,
wenn man auf den Grund der Grube kommt, da wo
ein undurchdringliches Dickicht von Knieholz sich wie
ein schwarzer Streifen abwarts zieht. Hier erinnere ich
mich auch vor 20 Jahren die zierliche und seltene Pteris
crispa gefunden zu haben. Allein jetzt suchte ich
sie vergebens, erfuhr aber spater von Freund G o p p e rt,
dafs sie wirklich noch an derselben Stelle, aber meist
von gewaltigem Gerolle verdeckt stehe.
Als wir wieder einen weniger steilen Grund und
Boden unter den Fiifsen hatten — ganz eben ist der
Grund der Grube nicht, denn er neigt sich noch lange
gegen den Ausgang derselben nach Norden —, schopf-
ten wir, wahrend sich der im Schreibershauer Reviere
angestelltc, ortskundige und verstandige Revier-Jager
F rey zu uns gesellte, ein wenig Athem, freuten uns
iiber das, was schon gesehehen war, und bereiteten
uns zugleich auf das noch zu Leistende vor. Beim
Umwalzen einiger Steine wurden mehrere Exemplare
eines schonen kleinen Laufkafers (Leistus coeruleus) gefunden,
der hier also nicht seiten zu seyn scheint. Gern
ware ich noch nach dem Ueberreste von Schnee gegan-
gen, welcher wie Gletscher-Eis in dem aufsersten Win-
kel der Schneegrube, von der nur eben daran vorbei-
streifenden Morgensonne beschienen, blinkte. Meine im
Schatzen der Gebirgs-Entfernungen geiibteren Begleiter
meinten aber, dafs ich die Sache fiir zu leicht ansahe,
und dafs wohl 1 Stunde iiber dem Hin und Zuriick ver-
gehen konnte. Ich verzichtete daher auf das Vergnii-
gen, im Sommer auf dem Eise zu sehlittern, und be-
nutzte die noch iibrige Zeit der Ruhe, die Grofsartig-
keit der ganzen Grube zu betrachten und in mich auf-
zunehmen. Sie hat, eben so wie die grofse Schneegrube,
wieder grofse Aehnlichkeit mit den schon be-
schriebenen Kesselthalern, besonders mit den Teichen,
nur dafs sie nicht wie diese von a lien Seiten mit Felswanden
eingeschlossen ist, sondern gegen das Land hin
sich offriet. Wahrscheinlich sind also alle diese Versen-
kungen und ihre einfassenden Wande zu gleicher Zeit entstanden
und durch gleiche Krafte erzeugt.