
Selbst Schiisse, welche uns zu Ehren am Abend aus einer
Pistole gelost wurden, rnogen schon auf einige hun-
dert oder tausend Schritte im Sturme verhallt seyn.
Die Nacht war ohne Storung voriiber gegangen.
Doch kaum dammerte der Morgen durch den dicken
Nebel, so horten wir Tritte vor der Thiire und mann-
liche Stimmen draufsen, ja es wurde sogar hier und da
geklopft. Da sind sie, dachte ich; denn von wifsbegie-
rigen und reiselustigen Fremden hatte sich doch wohl
keiner unten im Lande in dieser Nacht so friih aufge-
macht, dafs er jetzt schon hier eintreffen konnte. Die
Wirthin, welche den Hausschliissel hatte, schlief noch.
Wir lagen daher still, um die weitere Entwickelung des
sonderbaren Vorfalles abzuwarten. Da die unerwarteten
Gaste aber sehr bescheiden beim Hin- und Hergehen
blieben, so mufsten sie friedlicher Natur seyn, und wir
weckten die weibliche Bewohnerschaft, damit sie den
Harrenden, die nach einer so unwirthbaren Nacht viel-
leicht der Hiilfe bedurften, die Pforten offnete. Wie
grofs war unser Erstaunen, als einige Jager und Trager
eintraten, welche yon unserm besorgten Herrn Forstmeister
Per.schk e uns nachgesandt worden waren! Sie
hatten zwar unten schones Wetter gehabt, allein an der
diistern Verhiillung des Gebirgskammes war es wohl zu
merken gewesen, dafs es bei uns oben anders seyn
miifste.
Bald hatten wir die Freude, noch einen Besuch zu
erhalten. Der Hr.-Oberforster Haafs, welcher uns noch
gestern Ahend in der Spindler-Baude gesucht hatte, war
heute schon ganz friih mit dem Jager G o ttw a ld von
Agnetendorf aus derselben aufgebrochen, um uns hier zu
treffen. Die so vergrofserte Reisegesellschaft war vor
7 Uhr marschfertig. Die Kleider waren iiber Nacht
vollstandig getrocknet. An meinem Rocke, welchen ich
nach einer neuen Methode hatte wasserdicht machen
lassen, war der Brusttheil iiberhaupt trocken geblieben,
und nur wo die Rockschofse auseinander geweht worden
waren, wurden die Beinkleider durchnafst. Den einen oder
andern der geehrten Leser diirfte es wohl interessiren,
was ims unserm Wetter geworden sey. Wind und Regen
hatten sich zwar gelegt, aber der Nebel war noch
so undurchdringlich, wie in der Nacht und gestern Nach-
mittag. Wir fingen indessen getrost an, in die Kleine
Schneegrube hinabzusteigen, und zwar dicht vor der
Baude in einem Einschnitte in der aufsersten ostlichen
Eclce der Grube, unmittelbar an dem Felsriegel, welcher
die ostlich gelegene grofse Grube yon der kleinen trennt.
Vor einem Verirren sicherten mich ja die vielen orts-
kundigen Begleiter, und das zu sehen, was dicht um
mich her vorging, konnte kein Wetter verhindern. Ich
fing an Steine zu klopfen, Pflanzen zu sammeln, und
war ziemlich in, unser Schicksal ergeben, als plotzlich
der dichte Nebel sich theilte. Einen schonern Moment
kann man sich in der freien Natur nicht denken. Ich
mochte ihn fast dem Aufgange der Sonne an die Seite
setzen, den ich- sowohl in der Wirklichkeit auf dem
Brocken und der Schneekoppe, als auch im physikalisch
belebten Bilde bei G ro p iu s* ) gesehen habe. Wir waren
noch eben in Nacht gehiillt gewesen, und standen
nun plotzlich von der Sonne bescliienen, das iiberrasclite
Auge in die nahere, weitere und weiteste Ferne iiber
die von Norden her geoffnete Schneegrube hinaussendend.
Die erquickendste Warme durchstromte die noch von
Herbstkiihle erstarrten Glieder. Geist und Gemiith wurden
zugleich erhoben, und ein unnennbares Entziicken,
*) Im Jahre 1841 zeigte er in seinem Diorama in Berlin
zwei sehr schone Ansichten: den Aufgang der Sonne auf
dem Wetterhorn in der Schweiz, und den Untergang der
gluhenden, siidlichen Sonne in einem Klosterhofe bei Assisi.
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