Mo l l i a r d spricht in solchen Fällen von „cecidies facultatives“. Ein weiteres Beispiel für
solche liefert der Käfer Apion semivittatnm auf Mercurialis annua. Daß die Zahl der „fakultativen
Gallen“ in Wirklichkeit größer sein wird als wir sie jetzt kennen, darf als sehr wahrscheinlich
angenommen werden, zumal ja der fakultative Charakter jener Gallenbildungen dem Forscher
leicht entgehen muß, der sein Augenmerk naturgemäß auf die tatsächlich eingetretenen Gallenbildungen
lenkt. Die fakultativen Gallen lehren uns, daß es Gallentiere gibt, für welche die Gallenbildungen
entbehrlich und insofern gleichgültig sind.
* *^ *
Die nächste Frage wäre die, ob wohl auch Gestalt und Leben der Gallentiere Anpassungen
an den pflanzlichen Wirt und die Eigentümlichkeiten seines Gallenprodüktes erkennen lassen. Die
Auslese ist hier gering und wir dürfen uns kurz fassen.
Am überzeugendsten dürfte die Anpassung der Tiere an die Pflanzen in gewissen phänologfechen
Erscheinungen darzutun sein. Daß die durch Generationswechsel ausgezeichneten Blatpu nd Gallwespen
an Pflanzen angepaßt sind, die auch im Sommer noch junge Triebe produzieren, ist in der Tat
sehr merkwürdig.
Auf manche weiteren Versuche, Anpassungen seitens der Gallentiere nachzuweisen, möchte
ich nicht näher eingehen. Auch hier, glaube ich, hat das Suchen nach Anpassungen vielfach zu
gezwungenen Deutungen geführt, von welchen die wissenschaftliche Erkenntnis der Gallen und
ihrer Bewohner keine Förderung zu erwarten hat.
* * *
Wir haben bisher nur die Beziehungen zwischen dem Gallentier und der gallenerzeugenden
Pflanze behandelt. Im folgenden haben wir zu prüfen, ob Gallen und Gallentiere auch zu fremden
Organismen, d. h. zu denjenigen, welche mit der Gaflenerzeugung nichts zu tun haben, irgendwelche
beachtenswerte biologische Beziehungen unterhalten.
Solche Beziehungen bestehen in großer Zahl H Beziehungen zu fremden Tieren ebenso sehr
wie zu fremden Pflanzen. Die nachfolgenden Zeilen sollen einige Beispiele hierfür bringen.
Trotz der vielen „Schutzmittel“, die man an den Gallen zu finden gemeint hat, sind diese gegen
ihre Feinde tierischer und pflanzlicher Provenienz recht schlecht geschützt.
Aus dem Tierreich stammen eine ganze Reihe von Gallenvertilgem und Gaflenschädigem.
Daß V ö g e 1 gelegentlich Gallen zerstören, ist schon wiederholt beobachtet worden; die
fetten Gallenbewohner werden von ihnen herausgepickt und gefressen.
Wichtiger sind die Feinde, die aus dem I n s e k t e n r e i c h stammen., Als solche kommen
Gallmücken und Schlupfwespen in Betracht.
Die Larven verschiedener Gallmücken leben von gallenerzeugenden Milben, den^sie zwischen
den Haaren der Erineumrasen nachstellen, andere von Blattläusen; noch andere greifen die Larven
anderer, gallenbildender Gallmücken an.
Sehr auffallende Beziehungen bestehen zu den Cynipiden. H a r t i g unterschied bei diesen
drei verschiedene biologische Gruppen: die gallenerzeugenden Pseniden, die Einmieter oder Inquilinen
und die Parasiten oder Schmarotzer. Die Angehörigen der zweiten und dritten Gruppe sind nicht
imstande, Gallen zu erzeugen, machen sich aber die von ändern erzeugten Gallen zunutze; die
Inquilinen hausen im Gewebe der fremden Galle, wohl auch in deren Larvenkammer, die Parasiten
greifen die Larven der Gallenerzeuger an und nähren sich von ihnen. Viele Cynipsgallen werden
von Inquilinen und Parasiten außerordentlich stark heimgesucht, die Gallen von Cynips terminalis
z. B. von dem Einmieter Synergus facialis und dem Parasiten Decatoma biguttata.
Auch unter ändern Insektengruppen finden sich Fälle, die mit dem Inquilinentum der
erwähnten Cynipidengruppe verglichen werden dürfen.
Der Stich der fremden Insekten, welche selbst Gallen zu erzeugen imstande sind, vermag die
bereits vorhandenen Gallen immerhin in der einen oder anderen Weise zu verändern. Entweder es
entstehen um den Fremdling herum neuartige Gewebe, ohne daß der äußere Habit as der Galle verändert
würde, oder die infizierte Galle wächst stärker als beim normalen Fortgang ihrer Entwicklung und
ändert mehr oder weniger ihre Gestalt.
Pflanzliche Feinde der Gallen finden sich in großer Zahl unter den Pilzen. Die Gewebe der von
Tieren erzeugten Galle nsind gegen Pilzinfektion keineswegs geschützt; kommen grade doch auf dem
pathologisch veränderten Gewebe, aus dem sie bestehen, viele Pilze besonders gut fort (z. B. Phragmi-
dium subcorticium auf den von Rhodites Rosae und Rh. spinosissimae erzeugten Rosengallen).
Einige Pilze sind bisher nur auf Gallen gefunden worden.
Pflanzliche Parasiten der angeführten Art treten zu dem Erzeuger und Bewohner der Gallen
insofern in Beziehung, als sie dem Gallengewebe Stoffe entziehen, die andernfalls wohl dem Ceci-
dozoon zugute gekommen wären. Davon, daß diese Pilze auf die Gewebe der Gallen irgend
welchen formativen Einfluß haben könnten, scheint nichts bekannt zu sein.
Daß die Praedisposition der Gallengewebe für Infektionen durch Pilze größer ist als bei normalem
Gewebe, entspricht übrigens dem Verhalten anderer abnormer Pflanzengewebe: auch Callus-
wucherungen, Wundholz u. dergl. sind Infektionen leicht zugänglich. Dasselbe was für Tiergallen
gilt, dürfte auch für viele Mycocecidien zutreffend sein; nach Ma g n u s dringt Peronospora para-
sitica auf Capselia bursa pastoris leichter in die von Albugo candida erzeugten Gallen ein als in die
ausgebildeten Gewebe der älteren Stammteile.
Daß auch Bakterien auf Gallen gefunden werden können, wird nicht Wunder nehmen. Ob
die auf Milbengallen von Juglans und Acer nachgewiesenen Bakterien für die Galle und die Gallentiere
irgend welche Bedeutung haben, muß unentschieden bleiben.
Während die bisher erwähnten Mikroorganismen auf den Gallen die Rolle von Schädlingen
oder gleichgültigen Gästen spielen, gibt es einige andere Fälle, in welchen der Pilz als notwendiges
Glied zu der Entwicklung der Galle bezw. des Gallentieres gehört. Beispiele hierfür liefern eine Reihe
Asphondyliagallen: die auf Capparis spinosa von Asphondylia capparis, auf Prunus myrobalana von
Asph. Prunorum, auf Coronilla Emerus von Asph. Coronillae erzeugten und noch mehrere andere
Asphondyliagallen sind stets von einem imperfekten Pilz bewohnt, dessen Mycel die Larvenhöhle
auskleidet. Die Zellen des Mycels, die vielfach rosenkranzartige, leicht zerfallende Reihen bilden,
dienen den Larven als Nahrung. N e g e r hat die Pilze der Asphondyliagallen als Macrophoma
bestimmt; sie scheinen nur im Zusammenhang mit den Gallen aufzutreten und sind mit den Phoma-
arten, die auf den normalen Teilen jener Wirtspflanzen Vorkommen, nicht identisch.
Die früher vorgeschlagene Bezeichnung: Mycozoocecidien für die pilzbewohnten Asphondyliagallen
darf aufgegeben werden, da es feststeht, daß die Pilze bei ihnen nicht als Gallenerzeuger, sondern
nur als „Inquilinen“ in Betracht kommen. N e g e r hat die Pilze mit den in den Gängen der
Bostrychiden gefundenen, die als „Ambrosiapilze“ bezeichnet worden sind, verglichen und hat
vorgeschlagen, die pilzbewohnten Asphondyliagallen als A m b r o s i a g a l l e n zu bezeichnen.