Sowohl bei Dipteren- als auch bei Hymenopterengallen linden wir außer einem inneren
noch einen äußeren mechanischen Mantel, der entweder sich als allseits geschlossenes Gebilde
um den inneren legt oder nur als uhrglasförmig gewölbter Teil oder wie ein tief gehöhlter
Napf sich über den inneren stülpt. Von der Lage des äußeren mechanischen Mantels gilt
dasselbe, was vorhin von dem in Einzahl vorhandenen zu sagen war: d. h. er liegt bald
unmittelbar unter der Epidermis oder tiefer im Gallengewebe. Die Zellen, welche die beiden
mechanischen Mäntel aufbauen, sind keineswegs immer einander gleich; oft sind vielmehr die
Zellen des äußeren größer als die des inneren; die Zellen des letzteren sind oft dickwandiger
als die des äußeren Mantels.
Sind zwei mechanische Gewebemäntel vorhanden, so ist das zwischen ihnen liegende Parenchym
meist reich mit Nährstoffen gefüllt.
3. H a u t g e w e b e . Die Epidermen der Gallen sind oft derb und stark kutikularisiert,
vielfach mit verdickten Außenwänden ausgestaltet und nicht selten dicht behaart; daß bei den
Beutel- und Umwallungsgallen die den Larvenraum auskleidenden Epidermen ändern Charakter
haben, war sub 1 bereits zu erörtern. Kork- und Borkenbildung ist bei Gallen selten.
Haare erscheinen auch an denjenigen Gallen, die als „freie“ (s. o.) zu bezeichnen sind. Ungewöhnliche
Formen zweiarmiger Haare finden sich auf den Gallen von Neuroterus numismatis.
4. A s s i m i l a t i o n s g e w e b e . Grüne Gewebe treten bei den Gallen stark zurück; es ist
ein Ausnahmefall, wenn wir z. B. bei einigen Pontaniagallen im Innern ein sattgrünes, chromatophorenreiches
Gewebe finden. Die für Gallen gewöhnliche Chlorophyllarmut kennzeichnet auch sehr viele
Pilzgallen.
5. L e i t b ü n d e l g e w e b e . Trotz der Größe und des Saftreichtums vieler Gallen ist die
Ausbildung ihrer Leitbündel, die sich in irgend einer Weise an die Leitbündel des Mutterorgans
anschließen, innerhalb der Gallen eine spärliche zu nennen. Der Bau der Leitbündel und ihrer
einzelnen Teile gleicht im allgemeinen dem der normalen Anteile oder den in Wundgeweben auftretenden
Leitbündelelementen. Für die Gallen von Andricus albopunctatus und Trigonaspis mega-
ptera gibt B e y e r i n c k konzentrische Leitbündel an.
Die Anordnung der Leitbündel in den Gallen ist verschieden; entweder sie sind in einen
Kreis gestellt wie in den Achsen der Dikotyledonen und wenden dabei ihren Xylemteil der Gallenhöhle
zu und ihren Phloemteil nach außen — oder sie durchziehen die Gallenrinde mit einem Geflecht, das
dem aus Früchten mit fleischigem Perikarp her bekannten ähnelt. Der doppelte Leitbündelring
in den Gallen von Pemphigus comicularius erklärt sich nach C o u r c h e t durch eigenartige
Faltungs- und Verwachsungsvorgänge am gallentragenden Organ.
6. D u r c h l ü f t u n g s g e w e b e . 1 Als solche dürfen wir z. B. die aus seltsam gestalteten
Sternparenchymzellen zusammengesetzten Rindenschichten vieler Cynipidengallen (Kollarigallen u. a.)
bezeichnen. Die einzelnen Zellen sind oft deutlich getüpfelt und fallen durch ihren Reichtum an
Gerbstoffen auf.
Auffällige Lentizellen sind von verschiedenen blattbürtigen Pemphigus- und Pontaniagallen
(auf Populus und Salix) her bekannt.
7. S e k r e t o r g a n e . Entstehen Gallen auf Organen, die normalerweise mit Sekretorganen
ausgestattet sind, so können die Gallen ebensolche Organe mehr oder minder reichlich enthalten,
können aber auch frei von ihnen sein (Pistacia, Eucalyptus).
Besonderes Interesse gewähren die Fälle, in welchen Gallen mit Sekretorganen ausgestattet
sind, die an den normalen Organen der Wirtspflanze sich nicht finden: es handelt sich alsdann vorzugsweise
um oberflächliche Drüsen, deren Produkte die Gallen wie mit einem glänzenden Lack
überziehen (Eichengallen von Cynips Mayri, C. argentea, Andricus Sieboldii, Bassorahgallen usw.).
* *. *
Ein Vergleich zwischen den Gallen und den normalen Organen der betreffenden Pflanzenspezies
führt zunächst zu der Frage, ob die Zellenelemente, welche die Gallen aufbauen, auch normalerweise
in den Wirtspflanzen auftreten, ob in den Gallen nur die Bausteine sich wiederfinden, die von
der normalen Anatomie her bekannt sind, nur in anderer Gruppierung als in den normalen Teilen, —
oder ob auch „ n e u e “ Zellenformen in den Gallen auftreten können. Eben diese Frage nach dem
etwaigen Auftreten „neuer“ Zellensorten wird sich nur schwer lösen lassen und in verschiedenem
Sinne ihre Beantwortung finden, je nach der Bedeutung, die wir mit dem Worte „neu“ verbinden
wollen.
Ich habe bereits bei früherer Gelegenheit (Pathologische Pflanzenanatomie, Jena 1903) ausführlicher,
als ich es hier wiederholen möchte, dargetan, daß unzweifelhaft bei vielen Gallen g r ö ß e r e
Zellen Vorkommen als in allen normalen Teilen der betreffenden Wirtspflanzen; als Beispiel mögen
diejenigen Gallen hier angeführt werden, welche durch Hypertrophie zustande kommen (Erineum-
rasen, Blasengalle von Viburnum Lantana u. a.). Manche Erineumgallen lehren uns ferner — ich denke
an diejenigen Arten, deren Haare auf dünnem Fußteil mächtig verbreiterte, regellos gelappte Köpfe
tragen —, daß auch die F o r m der Zellen, aus welchen sich Gallen zusammensetzen, unzweifelhaft
„Neues , von der normalen Wirtspflanze her nicht Bekanntes, bieten können. Dagegen wiederholt
sich in der inneren Ausgestaltung der Zellen, ihres Inhalts und ihrer Wand nur das, was wir von
den normalen Teilen her kennen (Anhäufung von Stärke, Ausbildung von Steinzellen, Verholzung ihrer
Wände u. dergl.). •—
Die histogenetischen Prozesse, durch welche eine Galle zustande kommt, können sich sehr
wesentlich von den normalen unterscheiden. So z. B. können Epidermiszellen, die unter normalen
Verhältnissen sich niemals — auch bei der Korkbildung nicht — durch Perikline teilen, unter dem
Einfluß des Gallengiftes mehrfach parallel zur Oberfläche des Organs septieren. Die Bildung von
„freien“ Gallen (s. o.) stellt einen Prozeß dar, der mit allem, was wir von der Entwicklungsgeschichte
normaler Achsen und Blätter wissen, in Widerspruch steht und höchstens mit der Entstehung von
Nebenwurzeln in manchen Punkten verglichen werden kann, — und dergl. mehr. —
Die eben erwähnten „freien“ Gallen machen es uns weiterhin klar, daß von einer S p e z i f
i t ä t d e r G e w e b e bei Pflanzen nicht gesprochen werden darf. Während bei den tierischen
Geweben nach der allgemein herrschenden Auffassung in dem Sinne eine Spezifität besteht, daß aus
Epithel z. B. niemals Bindegewebe, aus diesem niemals Epithel hervorgehen kann, sehen wir, daß
bei den Pflanzen unter dem Einfluß der Gallengifte aus dem kleinen Teil der Leitbündel, der
z. B. bei Bildung der Neuroterusgallen infiziert wird, Gewebewucherungen mit Leitbündelgewebe,
Grundgewebe und typischer Epidermis hervorgehen können.
Vergleichen wir schließlich noch die verschiedenen Gewebearten miteinander auf ihre Beteiligung
an der Gallenbildung, so stellt sich heraus, daß in vielen Fällen nur eine bestimmte Gewebeart
die Gallen schafft — n u r die Epidermis, oder n u r das Grundgewebe, oder n u r das Leitbündelgewebe.
Wir werden auf Beispiele hierfür bei späterer Gelegenheit noch zurückkommen müssen.