A. Hypertrophie.
Jede Gewebeart besteht in entsprechenden Organen einer Pflanzenspezies stets aus Zellen
von ungefähr gleicher Größe.
Daß die Zellen wohl jeden Gewebes mit der Größe, die sie unter normalen Verhältnissen
erreichen, nicht die Grenze des ihnen überhaupt Möglichen erreicht haben, lehrt die pathologische
Anatomie und besonders eklatant die Anatomie der Gallen. Das Studium der letzteren zeigt uns,
daß die Zellen der Epidermis wie die des Grundgewebes sehr viel größer werden können als beim
normalen Hergang der Dinge, — ohne ihre Lebensfähigkeit einzubüßen und an Plasmaarmut zugrunde
zu gehen.
1. E p i d e rm i s .
Hervorragend lehrreich sind einige Gallen, welche durch abnorm gesteigertes Wachstum der
Epidermiszellen zustande kommen.
Von den Gallenerregem pflanzlicher Natur sind es viele Synchytrien (Chytridiaceen), welche
einzelne Epidermiszellen ihres Wirts infizieren und diese zu enormen plasmareichen Blasen heranwachsen
lassen.
Beispiele aus dem Tierreich liefern uns diejenigen Gallenmilben, welche die Filzgallen hervorrufen.
Letztere entstehen dadurch, daß zahlreiche Epidermiszellen unter dem Einfluß der die Blatt-
odef Stengeloberfläche besiedelnden Milben zu langen, fast immer einzelligen Schläuchen auswachsen:
entweder es entstehen dicht nebeneinander zahlreiche zylindrische, an der Spitze abgerundete Haare,
die in ihrer Form mit den typischen Wurzelhaaren viel Ähnlichkeit haben, sich aber von diesen durch
ihre kräftige Wand, durch ihren Reichtum an Plasma und ihre Dauerhaftigkeit unterscheiden —
oder es handelt sich um ebenfalls einzellige Haare, die in ihrem unteren Teil schlank-zylindrisch
gebaut sind oder an Breite von unten nach oben ein wenig zunehmen, während ihre oberen Teile
große, blasige, vielfach gelappte, nicht selten pilzhutförmige Erweiterungen darstellen; ihre Wand
ist häufig von ansehnlicher Dicke. Haare von solch unregelmäßiger Form stehen minder dicht als
die zuerst erwähnten wurzelhaarähnlichen nebeneinander und werden immer durch mehrere unverändert
gebliebene Epidermiszellen voneinander getrennt.
Haarrasen der geschilderten Art, die als Erineumbildungen oder Filzgallen allbekannt sind,
kommen auf Pflanzen der verschiedensten Art, insbesondere aber auf Holzgewächsen, vor; auf
der Buche, den Linden und Ahomen, auf der Weinrebe u. v. a. sind solche Erineumrasen außerordentlich
häufig anzutreffen. Sie sind erst spät in ihrer wahren Natur erkannt worden; zuerst
galten die abnormalen Haare für Pilze und wurden von P e r s o o n und F r i e s als Erineum,
Phyllerium und Taphrina beschrieben und in verschiedene Arten gebracht. Erst U n g e r erkannte
(1833), daß die Filzflecken der Blätter aus Haaren der letzteren bestehen; er stellte sie zu der
bunten, von ihm beschriebenen Gruppe der „Exantheme“ . Daß Milben in den Filzrasen der
Pflanzen wohnen und ihre Erzeuger sind, erkannte erst F é e (1834). —
Wir besprechen die Erineumgallen hier unter den durch Hypertrophie zustande kommenden
Gebilden, dürfen uns aber nicht verschweigen, daß die Hypertrophie der Epidermiszellen, von der
die Rede war, oftmals nicht das einzige, allerdings stets das auffälligste der histogenetischen Prozesse
ist, welche die Gallen mit allen ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten zustande bringen; denn
unter den zu Filzrasen verwandelten Epidermen liegen Grundgewebsschichten, welche sich durch
ihren Mangel an Gewebesdifferenzierung oft sehr deutlich von entsprechenden normalen Teilen der
Blattspreite unterscheiden; hie und da mögen im Mesophyll wohl auch manchmal Zellteilungen im
Spiele sein.
2. G r u n d g e w e b e .
Die „Blasengallen“, welche auf den Blättern von Viburnum Lantana von Oligotrophus Solmsii
erzeugt werden, kommen ausschließlich dadurch zustande, daß das Mesophyll der infizierten Blattstellen
zu dicken, linsenförmigen Gebilden anschwillt; es handelt sich dabei um reine Hypertrophie
der Mesophyllzellen, die sämtlich zu außerordentlich umfänglichen, chlorophyllfreien oder chlorophyllarmen,
aber stets äußerst eiweißreichen Schläuchen heran wachsen; große Interzellularräume
liegen zwischen den einzelnen Zellen, so daß das abnormale Mesophyll ganz lockere Textur bekommt.
Von Interesse ist, daß die Epidermiszellen, welche unmittelbar neben den stark vergrößerten
Grundgewebszellen liegen und die letzteren dauernd umspannen, sowie die Büschelhaare, keine
nennenswerte Veränderungen erfahren.
Gallen, welche lediglich durch Hypertrophie der Grundgewebszellen zustande kommen, gibt
es wohl noch viele andere; doch sind nur sehr wenige durch das überraschend hohe Maß der Volumenzunahme
so auffällig gekennzeichnet, wie die erwähnte Viburnumgalle.
B. Hyperplasie.
Die Zahl der Zellenschichten, welche irgend ein Pflanzengewebe, beispielsweise das Mesophyll
eines Laubblatts," zusammensetzen oder gar die Haut eines solchen oder eines Achsenorgans
bilden, sind für bestimmte Organe ein and derselben Spezies nahezu oder völlig konstant. Trotzdem
wäre es unberechtigt anzunehmen, daß die Zahl der Teilungen, welche bestimmte Zellen durchzumachen
vermögen, bevor sie zu Elementen des Dauergewebes werden, in der Natur ihres lebendigen Inhaltes
irgendwie begründet sein müsse; vielmehr ist weder die Zahl der Teilungen noch deren Richtung,
wie wir sie bei Untersuchung normaler Objekte ermitteln und konstant finden können, in den protoplasmatischen
Qualitäten der Zelle ein für allemal festgelegt, sondern es hängt von den auf die lebende
Zelle einwirkenden Umständen ab, wie oft sich diese teilt und nochmals teilt; auch auf die Richtung,
in der die neu gebildeten Querwände der Zellen stehen, haben die während der Zellenteilung
wirksamen äußeren Bedingungen maßgebenden Einfluß. Hieran läßt das Studium der pathologischen
Gewebe, besonders das der Gallen, keinen Zweifel; gerade die sinnfälligen Gallen kommen
dadurch zustande, daß die Zellen einer von irgend welchen Parasiten infizierten Stelle eines Pflanzenorgans
sich sehr viel öfter und auch in anderer Richtung teilen als unter normalen Verhältnissen.
An dieser Stelle mag mit einigen Worten auf die Frage eingegangen werden, ob Gallen nur aus
jugendlichem, meristematischem Gewebematerial hervorgehen können, d. h. aus solchem, dessen
Zellen noch teilungsfähig sind, oder auch aus älteren Pflanzenteilen, und aus Dauergewebe, —
mit anderen Worten, ob der von. den gallenerzeugenden Parasiten ausgehende Reiz nur solche Zellen
zu abnormalen Teilungen anregen kann, die an sich schon zu Teilungen sich vorbereiteten, oder ob
jener Reiz auch Zellen, die — nach normalen Entwicklungsverhältnissen beurteilt — ihre Teilungstätigkeit
schon abgeschlossen hatten, wieder „embryonal“, d. h. teilungsfähig machen kann. Die
Frage hat unzweifelhaft große theoretische Bedeutung, und einer unserer hervorragendsten Gallenkenner,
T h o ma s , hat ihr mit Recht seine besondere Aufmerksamkeit zugewandt und sie in dem
Sinne entscheiden zu müssen geglaubt, daß Gallen stets nur an jugendlichen, noch meristema