Bedingungen, ihre Kolonien durch lange, über eine Vegetationsperiode hinausreichende Zeiträume
zu erhalten und zu vergrößern. Die Milben, welche im Spätsommer und Herbst in die Winterknospen
der Holzgewäehse eingewandert sind, überwintern daselbst vorzugsweise hinter den äußeren Knospenschuppen
und sichern dadurch den Fortbestand ihrer Ansiedlungen über den Winter hinaus; Jahr
für Jahr erscheinen ihre Gallen, bald in größerer bald in geringerer Zahl, je nachdem Regengüsse und
Stürme im Sommer, Frost und Windbruche im Winter hemmend in ihre Entwicklung eingnffen.
Während der vieljährigen Lebensdauer der Wirtspflanze vergrößern sieh die Kolonien immer
mehr und produzieren ungeheuere- Mengen von Milben, welchen die Ausbreitung der Art durch
Besiedlung neuer Nährpflanzen zufiffit. Für die Erhaltung der Art ist daher die lange Dauer, der
lange Bestand einer Kolonie von größter Bedeutung. Auf Stauden und zweijährigen Gewächsen überwintern
die Gallmilben an den im Spätsommer angelegten Kurztrieben und in den Verjüngungs-
knospen.
Minder günstige Verhältnisse finden die Gallmilben auf Stauden, die im Herbst keine oberirdischen
Triebe erzeugen; die auf ihnen lebenden Gallmilben haben bei der Besiedlung neuer Nährpflanzen
viele Fährlichkeiten zu überwinden und weisen daher eine große Zerstörungsziffer auf. Ihre
Gallbildungen (Vergrünungen u. a.) erreichen demzufolge einen erstaunlichen Umfang und beherbergen
enorme Mengen von Parasiten, die im Herbst massenhaft die verdorrten Wirtspflanzen verlassen und
in der Nähe geschützte Verstecke aufsuchen. Wohl nur wenige überstehen den Winter und dringen
im kommenden Frühjahr in die hervorbrechenden Triebe. Gelangen sie auf einjährige artverwandte
Pflanzen, rln/nn erzeugen sie auf diesen ähnliche Gallbildungen; so begegnet man nicht selten dem ausdauernden
Lepidium draba L. in Gesellschaft des einjährigen Sisymbrium Sophia L., beide von Eriophyes
drdbae (Nal.) besiedelt und mit vergrünten Blüten. Wegen ihrer kurzen Lebensdauer spielen jedoch
einjährige Pflanzen als Gallenträger eine untergeordnete Rolle und sind wohl immer nur als Nebenwirtspflanzen
zu bezeichnen; dagegen leisten sie der Ausbreitung der Parasiten einen großen Vorschub.
Im Kampf um die Erhaltung der Art werden jene Arten im Vorteil sein, welche nicht auf ein
Substrat beschränkt sind, sondern zahlreiche Wirtspflanzen besitzen. Aus P e y r i t s c h s Infektionsversuchen
scheint überdies hervorzugehen, daß sich in manchen Fällen Gallmilben vorübergehend
auch auf Substraten, die mit ihrer natürlichen Nährpflanze nicht verwandt sind, erhalten, ja selbst
Bildungsabweichungen erzeugen können. Auch in der freien Natur werden während des Sommers
Eriophyiden, die als Gallbildner bekannt sind, auf Pflanzen angetroffen, die zu den Wirtspflanzen m
keiner verwandtschaftlichen Beziehung stehen und keine Veränderungen aufweisen. Es sind wohl
zumeist versprengte Wanderer; es wäre von Interesse festzustellen, wie lang sie auf dem fremden
Substrat zu leben im Stande sind.
Die ärgsten F e i n d e der Gallmilben sind die Gamasiden; auf gallentragenden Pflanzenteilen
werden sie nur selten vermißt. Geschäftig sieht man sie auf diesen herumlaufen und die Galleneingänge,
Schlupfwinkel u. dgl. abspüren. Zahllose Gallmilben werden auf ihren Wanderungen eine Beute
dieser flinken und gefräßigen Räuber. Neben den Gamasiden sind es die Larven gewisser
Gallmücken (Arthrocodax), welche Gallmilben in großer Zahl vernichten; sie leben in und auf
ihren Gallen und nähren sich größtenteils von ihnen. Viele Gallmilben werden von einem Pilz befallen,
dessen braune Hyphen und keulenförmige, mehrzellige Sporen man häufig auf den Blättern antrifft.
Der Pilz pflegt die Müben während der Häutung zu befallen; die Tiere werden von den Hyphen.wie
mit Seilen an der Unterlage festgehalten, zuweilen werden sie von diesen umsponnen und stecken
in einer aus dicht verfilzten Hyphen gebildeten Scheide. Daneben findet man sehr oft das Chitinskelett
der getöteten Tiere, vollgestopft mit großen, runden, schwarzbraunen Sporen. (N a I e p a>
N. Acta Akad. Leop. 1891, p. 365.) Junge Schnecken (Helix hortensis u. a.) weiden mit Vorliebe die
Filzrasen auf den Blättern ab.
Die W id e r s ta n d s fä h ig k e it der Gallmilben g eg en T em p e ra tu r - und Feucht i gk
e i t s e i n f 1 ü s s e ist groß. Die zahlreichen Gallen, welche alljährlich im Frühling auf den
Blättern unserer Bäume und Sträucher erscheinen, zeigen, daß selbst die starken, langanhaltenden
Fröste des vorausgegangenen Winters nicht alle hinter den Knospenschuppen und in den Rindenspalten
verborgenen Milben zu töten vermochten. Auch Feuchtigkeit, selbst Nässe ertragen die Gallmilben
gut; unter der Schneedecke überwintern zahlreiche Arten, welche auf krautigen Pflanzen
parasitieren. Am meisten leiden die Gallmilben unter anhaltender T r o c k e n h e i t , insbesondere
wenn sich zu derselben Nahrungsmangel gesellt. Die Tiere werden sichtlich kleiner, durchsichtiger
und schrumpfen schließlich ganz zusammen. Doch erweisen sie sich auch dann noch sehr widerstandsfähig:
es gelingt unschwer, Gallmilben bei einer Temperatur von 16—20 0 C ohne Nahrung
durch 8— 12 Tage und selbst darüber im Trockenglas am Leben zu erhalten.
Durch ihre parasitische Lebensweise sind die Gallmilben in ihrer individuellen Existenz vom
Leben ihrer Wirtspflanzen im hohen Grad abhängig geworden. Darin liegt eine Gefahr für die
Erhaltung der Art, denn der Untergang des Gallenträgers bedeutet fast immer auch den Tod seiner
Schmarotzer. Den Gallmilben, die weder als Larven noch als ausgebildete Tiere für weite Wanderungen
gerüstet sind, ist aber die B e s i e d l u n g n e u e r W i r t s p f l a n z e n und das Eindringen
in neue Wohngebiete durch aktive Wanderung äußerst erschwert und vielfach unmöglich gemacht,
wiewohl ihre Beweglichkeit keineswegs so unbedeutend ist, als man anzunehmen geneigt ist; sie ist
vollkommen ausreichend, um bei dichtem Stand und niedrigem Wuchs der Nährpflanzen — günstige
Boden- und Witterungsverhältnisse vorausgesetzt — den unmittelbaren Übergang der Parasiten
von einer Pflanze zur anderen mit Hilfe der eigenen Bewegungsorgane zu bewerkstelligen. Die Ausbreitung
der Gallmilben von einem Infektionszentrum aus wird daher durch Pflanzen, welche sich
durch große Individuenzahl auszeichnen, mit Vorliebe dichte Bestände bilden oder gesellig leben,
besonders begünstigt. Immer sind es jedoch kleine Entfernungen, die der Parasit durch a k t i v e
W a n d e r u n g zu bezwingen vermag: die Höhe des Stammes, die Breite des Weges sind für ihn,
wie der aufmerksame Beobachter lange weiß, bereits unbezwingliche Entfernungen. Die Besiedlung
neuer Nährpflanzen in entfernten Wohngebieten ist aus diesen Gründen nur durch p a s s i v e W a nd
e r u n g , durch Übertragung, möglich. Auf welche Weise diese erfolgt, ist eine Frage, die in ihrem
vollen Umfang noch nicht gelöst ist.
Das häufige Auftreten ausgedehnter Gallenkolonien in den Baumkronen scheint für eine Übertragung
der Parasiten unter Vermittlung fliegender Kerfe zu sprechen (vgl. N a lep a , 1887). In neuerer
Zeit treten Wa r b u r t o n und E m b l e t o n für dieselbe ein, indem sie auf ihre Beobachtung
hinweisen, daß Gallmilben sich an Insekten anzuhängen pflegen, wenn sie auf ihren Wanderungen
mit solchen Zusammentreffen. Nun ist es leicht einzusehen, daß nur jene Milben Aussicht haben, auf
entfernte Nährpflanzen zu gelangen, die fliegende Insekten und zwar solche, die in irgend einer Beziehung
zu denselben stehen, als Träger wählen. Da wohl nicht anzunehmen ist, daß die Milben unter
den sich darbietenden Transportmitteln eine Auswahl treffen, so könnte es immer nur eine verschwindend
kleine Zahl sein, die zufällig ihr Ziel erreicht. Käme fliegenden Kerfen tatsächlich die
Hauptrolle als Vermittlern der Infektion zu, wie wäre es dann möglich, daß Bäume, die viele Jahre
Nachbarn eines gallentragenden Artgenossen sind, nicht schon längst infiziert worden sind?
Zoologien. Heft 61. 2 6