K e r n e r unterscheidet zunächst zwischen Krebsen und Gallen, d. h. zwischen den durch
schmarotzende Sporenpflanzen erzeugten Gewebekörpern und den durch Tiere veranlaßten Gestaltsveränderungen.
Die von Pilzen, die als schmarotzende Sporenpflanzen ausschließlich in Betracht
kommen, erzeugten abnormen Bildungen ähneln den von Tieren hervorgerufenen in morphologischer
Beziehung wie in anatomischer vielfach so stark, daß eine Trennung der mycogenen Bildungen von
den zoogenen nach meiner Ansicht keine Basis zu einer ungezwungenen Einteilung der Gallen im
allgemeinen abzugeben scheint. K e r n e r s Einteilung der Gallen bringt aber im einzelnen so viel
Brauchbares, daß wir uns hier eingehend mit ihr beschäftigen müssen.
Die „Krebse“ stellen entweder einfache Gebilde dar, „welche sich als Entartung und Umgestaltung
einiger weniger Zellen inmitten eines umfangreichen, unveränderten Gewebes darstellen“
(Synchytrium-, Exobasidium-Gallen u. a.), — oder „Wucherungen, welche ganze Wurzeln oder
Wurzeläste betreffen“ (z. B. Schinzia auf Ainuswurzeln, Plasmodiophora auf Brassica), — oder
„Krebse, welche umfangreiche Stammstücke sowohl in ihrem inneren Bau als im äußeren Ansehen
verändern“ (Gymnosporangium auf Juniperus, Aecidien auf Crataegus, Pirus u. a.,,Peziza Will-
kommii auf Larix europaea usw.). Weiterhin stellt K e r n e r „krebsige“ Entartungen ganzer
Blätter (Endophyllum Sempervivi, Exoascus deformans auf Amygdalus usw.), Umgestaltungen von
Hochblättern (Exoascus alnitorquus auf Ainus, Peronospora violacea auf Knautiä arvensis usw.) und
Krebse, welche ganze Sprosse befallen (Albugo candida auf Capsella bursa pastoris, Uromyces Pisi
auf Euphorbia Cyparissias usw., sowie die Hexenbesen) als besondere Gruppen der Krebse zusammen.
Bei Besprechung der durch Tiere bedingten Gestaltsveränderungen trennt K e r n e r die
„ e i n f a c h e n “ G a l l e n von den „ z u s a m m e n g e s e t z t e n “: wenn die Galle auf ein
einzelnes Pflanzenglied beschränkt bleibt, hegt eine einfache vor; wenn mehrere Pflanzenglieder in
Anspruch genommen werden, handelt es sich um eine zusammengesetzte.
A. Die e i n f a c h e n G a l l e n sind nach K e r n e r zu trennen in Filzgallen, Mantelgallen
und Markgallen.
1. Bei den F i l z g a l l e n handelt es sich um scharf umschriebene Stellen an Blättern
oder Wurzeln, an welchen ein abnormaler dichter Haarfilz sich gebildet hat.
2. Sehr mannigfaltig sind die M a n t e l g a l l e n : bei ihnen leben die Gallenerzeuger
stets oberflächlich und regen das Pflanzengewebe zu Wachstumsvorgängen an, deren
Produkte die Parasiten wie mit einem Mantel einhüllen:
a) bei den R o l l g a l l e n handelt es sich um eingeschlagene oder zigarrenähnlich
gerollte Blattränder oder um wulstig verbogene Blattspreiten; bei den Alpenrosen
(Rhododendron), bei Geranium sanguineum und den Melden (Atriplex hastata u. a.)
dient die obere, — bei dem Wegdorn (Rhamnus cathartica), bei den nicht windenden
Geißblattarten (Lonicera alpigena) u. a. dient die untere Seite der Blattspreite den
Parasiten zur Ansiedelung: an der ausgebildeten Galle erscheint immer die infizierte
Stelle des Blattes als Innenwand der Rolle.
b) Die S t u l p g a l l e n (Ausstülpungsgallen) kommen nach K e r n e r s Schilderung
dadurch zustande, daß sich das Gewebe der Blattspreite oder des Blattstiels „an
jener Stelle, wo von den angesiedelten Tieren (Gallmilben, Blattläusen, Zweiflüglern)
ein Reiz ausgeübt wird, als eine Ausstülpung erhebt, deren hohle Seite den betreffenden
Tieren zeitweilig als Wohnort dient“. Je nach der Form der Ausstülpung kann man
unterscheiden:
F a l t e n g a l l e n — wenn tiefe faltenförmige Gebilde entstehen, die oben einen
schmalen Spalt freilassen und unten als Schwiele vorspringen, (Milbengallen an Car-
pinus Betulus, Clematis flammula usw.); R u n z e l g a l l e n — wenn sich die
Ausstülpungen auf das von einigen kräftigen, rippenartig vorspringenden Strängen
begrenzte grüne Gewebe des Blattes beschränken; „die obere Seite des Blattes erscheint
mit Buckeln und Höckern, die untere mit Mulden und Gruben versehen. Da immer
zahlreiche solche Ausstülpungen nebeneinander entwickelt werden, so ist die
betroffene Stelle des Blattes in auffallender Weise gerunzelt“ (z. B. Schizoneura Ulmi
auf Ulmus campestris); K ö p f c h e n g a l l e n (Cephaloneon) — bei kugelähnlicher
Gestalt des Gewebesackes; ferner H ö r n c h e n g a l l e n (Ceratoneon), T a s c h e n g
a l l e n , B e u t e l g a l l e n , S a c k g a l l e n , N a g e l g a l l e n usw. je nach
Größe und Gestalt der Ausstülpung. „Der letzterwähnte Name rührt davon her,
daß sich der Körper mehrerer hierher gehöriger Gallen sowohl über die obere als über
die untere Seite des Blattes erhebt, so daß es den Eindruck macht, als sei ein Nagel
durch das Blatt durchgesteckt worden.“
o) Die U m w a l l u n g s g a l l e n sind dadurch gekennzeichnet, daß bei ihrer Entstehung
das Gewebe in der Nähe der infizierten Stelle in Form von Schwielen oder
Wällen die Parasiten umwächst. Hierher gehören die Gallmückenlarven an Urtica
dioica und Ainus glutinosa (Dasyneura Urticae, D. alni), die Galle von Tetraneura
ulmi an Ulmus campestris, die Produkte von Pemphigus bursarius und P. spirothece
an Pappeln u. v. a.
3. M a r k g a l l e n hegen vor, wenn der gallenerzeugende und -bewohnende Organismus
nicht auf der intakten Oberfläche der Wirtspflanze lebt, sondern von vornherein in
deren Innerem sich entwickelt; die Markgallen sind entweder einkammerige oder viel-
kammerige Gebilde.
B. „ Z u s a m m e n g e s e t z t e Ga iMe n werden wir zitieren wiederum Ke rne r — diejenigen
genannt, zu deren Aufbau mehrere unmittelbar aneinandergrenzende Glieder einer Pflanze
einbezogen wurden.“ Als Untergruppen werden Knoppergallen, Kuckucksgallen und Klunkergallen
unterschieden.
1. Die K n o p p e r g a l l e n umfassen mehrere, oft sogar alle Glieder eines Sprosses;
die Sproßachse erscheint immer gestaut und ungewöhnlich dick. „Man kann von den
Knoppergallen wieder zweierlei Formen unterscheiden, erstens blattlose, welche der
Blätter entbehren oder besser gesagt, bei denen die Blätter in Höcker, Zacken und Kolben
umgewandelt sind, die ohne Grenze in die angeschwollene, die Larvenkammer enthaltende
Achse übergehen, und zweitens in beblätterte, welche mit schuppenförmigen Hochblättern
oder mehr oder weniger entwickelten grünen Laubblättern besetzt sind.“ Blattlose
Knoppergallen erzeugen Cynips polycera und C. lucida an Quercusarten u. v. a.; beblätterte
Knoppergallen rufen Aphilothrix gemmae und Andricus inflator an Eichen,
Aulacidea hieracii am Habichtskraut hervor u. a. Auch die Blütengallen, welche Con-
tarinia Loti an Lotus corniculatus erzeugt, und andere ähnliche mehr rechnet K e r n e r
zu dieser Gruppe.
2. Die K u c k u c k s g a l l e n fallen durch ihre bleiche weißliche Farbe, durch ihr weiches
schwammiges Gewebe und namentlich dadurch auf, „daß sie nur den Grund der Sprosse