Es unterliegt indessen keinem Zweifel, daß die Eriophyiden H H | alte, durch den Parasitismus
degenerierte und ihrer ursprünglichen Züge fest völlig berankte Gruppe därstellen. ihre
isolierte Stellung unter den übrigen Acariden und die aus Mangel v o n tlbeigangsformen resultierende
Schwierigkeit, ihren Ursprung nachzuweisen, geben Zeugnis hiefür. Sie müssen sich früh von dem
gemeinsamen Acaridenstamm abgezweigt und eine lange, selbständige Entwicklung hinter sich haben.
In der Tat sind fossile Milbengallen aus der tertiären Braunkohle bekannt.
E. R e u t e r hält es für wahrscheinlich, daß die Seitenzweige, welche einerseits zu den lyro-
glyphen, andrerseits zu den Briophyiden geführt haben, | f relativer Nfehbärschaft aus dem gemeinsamen
Acaridenstam» ihren . Ursprung nahmen. I
Einen jüngeren Seitenzweig bilden d i e P h y l l o c o p t i n e n; sie sind zur freien Lebensweise
zurückgekehrt, dabei aber Schmarotzer geblieben. Wir finden sie als Inquilinen ,m den Gallen (m
m a n c h e n F ä l l e n wahrscheinlich solcher Formen, mit welchen sie in genetischer Beziehung Stehen), dann
ganz besonders freilebend a u f B l ä t t e r n , an welchen sie Mißfärb«g, Biiahüng,Hemmungseischeinungen
des Wachstums usw. hervorrufen. An bestimmte Wirtspflanzen scheinen sie w e n i g e r streng gsbundem
zu sein als die meisten Eriophyinen; PhyUoüoptes comatus bräunt die Blatter der Ooryhts-, Carymus-
und Vibtm am-Sträucher; eines Standortes, Einige wenige Phyflocoptes-Arten sind wieder «a -
bildner geworden, o h n e a b e r i h r e n e u er w o r.b e n e n E ig e n s ch a f t c n zu v e r l
i e r e n o d e r g a r E i g e n s c h . a f t e h d°er S : t a mml o rm w i e d- e r z u ge w i n d e n .
PhyUoooptes seliger Nal . erzeugt cephaloneonartige Blattgallen an Frayana eolhna E hrl,., I h. rm^
nutus Nal . verursacht die Vergrünung der.B im ^ v tm Äspenda cynamchm L.
Daß die P h y 11 o ö o p t i n e n e i n e p h y l o g e n e t i s c h j ü n g e WsMJ r u p p e un
von den Eriophyinen abzuleiten sind, zeigen ihre den Jugendformen der Eriophyinen ähnlichen,
gleichartig geringelten Larven und Nymphen (cf. p. [29] 195).
Unter dem verändernden Einfluß der neuen, durch die freie Lebensweise geschaffenen.Essten
Bedingungen konnte sich ein größerer Formenreichtum entwickeln; im Gegensatz zu dem einförmigen
Artbild der gallenbewohnenden Eriophyinen, die sozusagen eine einzige artenreiche Gattung reprase -
tieren, weisen die Phyllocoptinen eine bedeutendere Mannigfaltigkeit in ihren Art- und Gattungs-
merkmalen auf. Vor allem fällt die mächtigere Ausbildung des Exoskelettcs auf, insbesondere an
der Rückenseite des gewöhnlich dorsoventral abgeflachten Rumpfes (Panzerung des Abdomens mit
schienenartigen B— — die für eine raschere Ortsbewegung notwendige bessere B e wicklung
des locomotorischen Apparates (längere, kräftigere Beine) und im Zusammenhang damR
die mächtigere Entwicklung des Prosoma bei gleichzeitiger Reduktion des Opisthosoma — j
häufig beobachtete enorme Verlängerung der Mundwerkzeugc ist eine Anpassung an den ver“ «
Nahrungserwerb: die. Phyllocopten sind vielfach gezwungen, die sehr derbe Cuticula M g M M
orgaue zu durchstechen, um zu den Pflanzensäften zu gelangen. Wenn auch die Phyllocopten g -
legentlich in großer Zahl auftreten und beispielsweise ganze Sträucher befallen, niemals werden sie
in so ungeheuerer Individuenzahl auf verhältnismäßig eng begrenztem Raum beisammengefunden
wie die Eriophyinen. ' _ _ . .
Manche Phyllocoptinen stimmen in gewissen untergeordneten Merkmalen auffallend ml
Eriophyinen überein, in deren Gallen sie als Einmieter leben. Diese Übereinstimmung als eme Konvergenzerscheinung
zu deuten, ist schwer möglich, wohl aber scheint sie arf eme phylogenel
Ziehung zwischen Gallenerzeuger und Einmieter zu deuten. Der Verdacht,daß es siohinsolchenFallenum
dimorpheFormen handeln könnte, h a t durchdieUntersuchungderEntwicklungkemeStntzegewoimen.
Die E r i o p h y i n e n . sind Gallenbewobner und als solche dem Wechsel äußerer Einflüsse
nahezu vollständig entrückt: sie zeigen aus diesem Grunde im Gegensatz zu den freilebenden PhylLo-
coptinen eine große Gleichförmigkeit ihres Baues, die in der auffallenden E i n f ö r m i g k e i t ihres
A r t b i 1 d e s zum Ausdruck kommt. Diesem Umstand ist es zuznsohreiben, daß die Trennung
der Arten lange nicht gelang; man zog die Existenz zahlreicher Arten in Zweifel oder begnügte sich,
die Gallenerzeuger nach ihren Nährpflanzen oder nach den von ihnen erzeugten Gallen zu benennen
(Ame r l i n g , v. F r a u e n f e l d ) . Zuweilen geschieht dies noch’heute. Dieser Vorgang ist vom
Standpunkt des Systematikers nicht zu billigen. Soll die wissenschaftliche Systematik auch einem
praktischen Bedürfnis entsprechen, dann kann sie von dem Grundsatz, daß nur morphologische
Qualitäten für die Spezifität der Formen maßgebend sein dürfen, nicht abgehen; die Angabe der Nähr-
pflanze, bezw. der Gallenform ist aber keine Diagnose, welche die Identifizierung der von ihren Gallen
getrennten Tiere gestattet. Aus diesem Grund sind auch biologische Rassen (Arten) als solche
zu kennzeichnen und von der betreffenden morphologischen Art nicht zu trennen. Aufgabe vergleichender
Untersuchungen wird es sein, nach äußerlich erkennbaren Unterschieden zu suchen. Da
die physiologische Differenzierung mit der morphologischen Hand in Hand zu gehen pflegt, so läßt
sich erwarten, daß solche Unterschiede in den meisten Fällen aufgedeckt werden. Sie zu erkennen,
wird nur gelingen, wenn dem Untersucher ein reichliches, vor allem aber reines, d. i. von Inquilinen
freies U n t e r s u c h u n g s m a t e r i a l zur Verfügung steht; denn wo, wie es erfahrungsgemäß
häufig vorkommt, äußerlich wenig verschiedene Formen nebeneinander als Gallenerzeuger und Einmieter
auftreten, ist der Untersucher allzu leicht geneigt, die scheinbar unbedeutenden Unterschiede
der weniger zahlreichen Einmieter auf das Konto individueller Variation des Gallenerzeugers zu
setzen. Die Unterschiede beziehen sich zumeist auf die Größe, Ringelung, Punktierung, Länge und
Feinheit der Borsten, die Gestalt der Eier usw.; sie sind so geringfügig, daß sie weder an sich noch
in ihrer Gesamtheit das Artbild erheblich beeinflussen. Die betreffenden Formen mit der Hauptart
zu vereinigen, ist deshalb untunlich, weil sie auf demselben Substrat andere Gallen erzeugen als diese,
also von ihr physiologisch gut unterschieden sind.
Wir wollen solche Formen, welche auf derselben oder auf verwandten Nährpflanzen verschiedene
Gallen hervorrufen und durch ihre Übereinstimmung in ihren Artmerkmalen ihre genetische Verwandtschaft
dokumentieren, als U n t e r a r t e n (Subspezies) einer Art (Hauptart) auffassen und ternär
benennen. Also nicht das geringe Maß von morphologischen Unterschieden soll für die Aufstellung
einer Unterart allein maßgebend sein, sondern diese in Verbindung mit biologischer Differenzierung.
Da sich wohl in den meisten Fällen mit Sicherheit nicht nach weisen lassen wird, welche Art die Stammart
ist, so empfiehlt es sich aus praktischen Gründen, die zuerst beschriebene und veröffentlichte Art
als Sammelart (Hauptart) einzuführen.
Formen, welche gleiche Gallen auf verwandt en Nährpflanzen erzeugen, werden wir dagegen,
wenn sie von der zuerst besehriebenen Art durch geringfügige Abweichungen unterschieden und
mit dieser durch Übergänge verbunden sind, als V a r i e t ä t e n bezeichnen. Durch Infektionsver-
suche wird festzustellen sein, wie weit die biologische Trennung vorgeschritten ist.
Vielfach lassen schon Wirtspflanze und Oecidium einen Schluß auf den Gallenerzeuger zu.
Erfahrungsgemäß sind dabei folgende Regeln zu beachten:
I. Morphologisch gleichwertige Gailbildungen auf Nährpflanzen, zwischen welchen eine engere
Verwandtschaft nicht besteht, wie Z. B. die Knospenanschwellungen von öorylus und Betula u. a.,
werden von verschiedenen Arten erzeugt.