Die Größe und auch die Form der kataplasmatischen Gallen ist abhängig von der Verbreitung,
welche der Parasit auf oder in der Wirtspflanze findet. Daß infolgedessen Größe und Form bei den
kataplasmatischen Gallen außerordentlich wechseln und daher keine spezifischen Merkmale abgeben,
war schon oben zu betonen.
2. Prosoplasmatische Gallen.
Unter den Mycocecidien gibt es nur wenige, die als prosoplasmatisch bezeichnet werden dürfen.
Prosoplasmatisch sind z. B. die Galle der auf Polygonum chinense heimischen Ustilago Treubii, die
Galle der Ustilago Greniae auf Grenia venusta, vielleicht auch die des Exobasidium Rhododendri
auf Rhododendron-Arten und des Synchytrium pilificum auf Potentilla Tormentilla.
Eine ungleich größere Rolle spielen unter den prosoplasmatischen Gallen die Zoocecidien.
Als Erzeuger von solchen kommen in Betracht zahlreiche Milben, deren Produkte allerdings histologisch
recht einfach sind, Dipteren mit oft sehr komplizierten Gallen, Hemipteren, Coleopteren,
Lepidopteren und vor allem die Hymenopteren. Die Gallen der zu ihnen gehörigen Blattwespen und
Gallwespen sind die kompliziertesten aller Gallbildungen, wie denn überhaupt eine Fülle von allgemeinen
biologischen Problemen grade aus der Struktur der prosoplasmatischen Gallen zu dem
aufmerksamen Forscher spricht.
a) Ä uß e r e Form und E n t w i c k l u n g s g a n g der p r o s o p l a s m a t i s c h e n Ga l l e n .
Was die in der Überschrift genannten Gesichtspunkte betrifft, so dürfen wir hier an das früher
über die Einteilung der Gallen Gesagte erinnern, und insbesondere an die von K e r n e r gebrauchten
Termini anknüpfen, da zunächst von der Entwicklungsgeschichte der Blattfalten- und Rollgallen,
der Beutel-, der Umwallungsgallen, der Markgallen und einiger anderer Typen die Rede sein soll.
Schon vorhin sagten wir, daß bei der Bildung einer Galle auf dem Wege der Hyperplasie
nicht nur die Z a h l der Zellenteilungen weit über das Normalmaß hinausgeht, sondern auch hinsichtlich
ihrer R i c h t u n g besondere Regeln gelten. Es ist offenbar von größter Bedeutung-für
die definitive Gestalt einer Galle, ob die Zellenteilungen an der unter die Wirkung des Gallenerzeugers
geratenen Stelle eines Pflanzenorgans nur parallel zur Oberfläche des letzteren erfolgen, oder senkrecht
zu dieser, oder ob Zellenteilungen in allen beliebigen Richtungen erfolgen, d. h. ob die neuen Querwände
als Perikline oder als Antikline zu bezeichnen sind, oder ob sie wechselnde Orientierung
haben. Der Unterschied zwischen Flächen- und Dickenwachstum der infizierten Organe wird bei
den nachfolgend genannten Gruppen nicht ohne Bedeutung bleiben.
1. B l a t t f a l t e n g a l l e n : sie sind die einfachsten prosoplasmatischen Gallbildungen.
Wenn die Gallenerreger auf der Ober- oder Unterseite eines Blattes in der Nähe des Blattrandes sich
ansiedeln und'die Zellen des infizierten Gewebes veranlassen, mit Flächenwachstum sich zu betätigen,
derart, daß die eine Seite des Blattes stärker wächst als die andere, so bildet sich eine Blattfalte oder
Blattrolle. Wie bekannt, fallen diese Blattbiegungen stets so aus, daß die Parasiten auf die innere
(konkave) Seite der Falte oder Rolle zu hegen kommen; es muß also immer die vom Parasiten abgewandte
Seite die stärker wachsende sein, sei es, daß sie, wie wir soeben annahmen, zu abnorm
starkem Wachstum angeregt wird, sei es, daß sie in der Betätigung ihres „normalen“ Wachstums
weniger gehemmt wird als die in unmittelbarer Nähe der Parasiten befindliche Seite.
2. B e u t e l g a l l e n und ähnliche Formen. Auch die Beutelgallen kommen dadurch
zustande, daß ein eng umgrenzter Bezirk in einer Blattspreite zu lebhaftem Flächenwachstum
angeregt wird. Als Resultat des letzteren entsteht eine Vorwölbung der affizierten Spreitenteile.
Ob dabei der Ausschlag nach oben oder unten erfolgt, hängt offenbar davon ab, welche Seite des Blattes
stärker wächst; wüchsen beide gleich stark, so bliebe es dem Zufall überlassen zu entscheiden, ob
eine nach oben oder unten konkave Galle entsteht. Bei Erineumgallen (z. B. an Acer platanoides), bei
welchen nicht nur abnormale Haarbildung eintritt (s. o. p. 140), sondern auch der infizierte Blattteil
sich mehr oder minder kräftig wölbt, sehen wir oft an einem und demselben Blatte die flachen Beulen
bald nach oben bald nach unten sich vorwölben; — ob in solchen Fällen das Wachstum oberseits
und unterseits gleichstark ausfällt oder bald auf der infizierten Seite, bald auf der ändern ein wenig
überwiegt, ist schwer zu sagen. Bei den typischen Beutelgallen kommen dergleichen Unregelmäßigkeiten
nicht vor, und der Ausschlag erfolgt hier stets in der Weise, daß die Parasiten auf die
konkave Seite kommen, also ins Innere des Beutels oder der Tasche. Unzweifelhaft werden also
hier die vom Parasiten entfernter liegenden Schichten des Blattgewebes zu stärkerem Wachstum
angeregt als die ihm unmittelbar anliegenden.
3. Als N a g e l g a l l e n können wir schlauchähnliche Gallen bezeichnen, welche auf
b e i d e n Seiten eines Blattes als Hervorragungen sichtbar sind. Sie kommen dadurch zustande,
daß auf der vom Parasiten besiedelten Seite des Blattes am Ausgang des Beutel- oder Schlauchhohlraumes
ein ringförmiger Gewebewulst sich bildet. Das Größenverhältnis zwischen dem beutelähnlichen
Teil und dem Ringwulst kann sehr verschieden sein, der Habitus der hierher gehörigen
Gallen daher stark variieren.
Bei Nagelgallen herrscht wohl in dem schlauchförmig sich vorstülpenden Teil Flächenwachstum
der infizierten Blattspreitenteile vor, während bei dem ringförmig vorspringenden Wulste Dickenwachstum
die Hauptrolle spielen dürfte.
Die Nagelgallen vermitteln den Übergang zwischen den Beutelgallen und den Umwallungsgallen.
4. U m w a l l u n g s g a l l e n , die in ihren typischen Formen von Dipteren, Hemipteren
und Hymenopteren erzeugt werden, kommen an Vegetationspunkten (Taschenbergigalle), an jungen
Achsen- und Blattorganen, auf dem durch Verwundung bloßgelegten Inneren von Pflanzenorganen
(Cynips terminalis) durch „Umwallung” der Parasiten zustande: entweder es entstehen allseits völlig
geschlossene Gebilde, oder solche, die noch einen offenen Porus behalten. Formal sehr auffällige
Umwallungsgallen sind von den australischen Coccidien bekannt (z. B. von Aphiomorpha auf
Eucalyptus).
Die Wachstumsvorgänge, die bei der Bildung von Umwallungsgallen in Betracht kommen,
bestehen entweder in Dickenwachstum der infizierten Gewebe, deren Zellen vorzugsweise durch
Perikline sich teilen, oder es handelt sich um Zellenteilungen in wechselnder Richtung.
Die äußere Gestalt der Umwallungsgallen ist bald kugelähnlicb, bald langgestreckt, eiförmig,
walzenähnlich, kegel- oder flaschenförmig. —
Wie merkwürdige Wachstumsvorgänge sich mit der eigentlichen Umwallung der Gallenparasiten
kombinieren können, mag die Entwicklung der Galle von Oligotrophus annulipes (Hormo-
myia piligera) zeigen. Blattunterseits wird der Gallenerzeuger vom Gewebe des infizierten Buchenblattes
umwallt; der die Larvenhöhle umgebende Teil erfährt hiernach eine starke Streckung in der
Richtung senkrecht zur Blattoberfläche, derart, daß die Larvenhöhle stark verlängert und auf der
Oberseite der Blätter ein spitzer schlanker Beutel sichtbar wird, dessen Oberfläche mit Haaren
bekleidet ist. Merkwürdig ist nun, daß bei der Bildung dieses blattoberseits vorragenden Teiles
nicht alle Gewebeschichten des Blattes gleichmäßig beteiligt sind, sondern nur das Grundgewebe
Zoologica. Heft 61; 1 9