Die Wu r z e l n sind das ZieloBjekt verschiedener Organismen, die dauernd im Boden leben
oder wenigstens einige Phasen ihrer Entwicklung unterirdisch absolvieren. Als allbekannte Beispiele
von Wurzelgaüen nenne ich nur die Bakterienknöllchen der Leguminosen, die koralloiden Alnus-
Wurzelknollen, welche Schinzia entstehen läßt, die Gallen, welche Plasmodiophora hervorruft,
die Wurzelgallen der Älchen, die Phylloxera-Nodositäten der Rebstockwurzeln. Daß auch Tiere,
welche niemals unterirdisch leben, hinsichtlich der Gallenerzeugung an die Wurzeln gebunden sein
können, lehrt das Beispiel der wurzelbewohnenden Cympiden (Aphilothrix radicis, A. Sieboldi u. a.),
deren Gallen insbesondere an dem noch oberirdischen Wurzelanlauf der Eichen zu finden sind.
Weitaus die meisten Gallen finden sich an den oberirdischen Teilen der Wirtspflanzen.
Es gibt zwar Gallenerzeuger, welche auf a l l e n oberirdischen Teilen der entsprechenden
Wirtspflanzen anzutreffen sind oder gar eine ganze Pflanze zu e i n e r Galle umzuwandeln imstande
sind IB. ich erinnere an die von Uromyces befallenen Euphorbiaexemplare, an die Verbreitung von
Albugo candida auf den Wirtspflanzen —, im allgemeinen und zumal bei den tierischen Gallen-
erregem macht sich aber doch eine Beschränkung örtlicher Art geltend, in der Weise, daß ein
bestimmter Parasit entweder nur in der Blütenregion oder nur an den vegetativen Teilen einer Pflanze
sich anzusiedeln vermag oder einen bestimmten Teil der Pflanze wenigstens bevorzugt. Die Vorliebe
der verschiedenen Parasiten für bestimmte Teile der Pflanzen geht nicht nur so weit, daß viele Gallen
z. B. ausschließlich an Achsen, andere nur an Blättern Vorkommen, wie es von hundert und tausend
Beispielen her bekannt ist,, sondern auch am Blatt feine Unterschiede zu treffen und ständig innezuhalten
imstande sind: viele Milben, welche Eilzgallen oder beutelartige Gallen an Blattspreiten
hervorrufen, bedenken ständig die Unterseite der Blätter mit ihrem Besuch, andere suchen die Blaffe
ränder auf und siedeln sich entweder blattoberseits oder unterseits auf diesen an; noch andere halten
sich stets in unmittelbarster Nähe der Rippen, wie z. B. von dem „Erineum nervisequum“ der Linden
bekannt ist, oder bevorzugen die Winkel, die sich blattunterseits zwischen Hauptnerv und Seiten-
rippen bilden (Eriophyes Nalepai auf Ainus). Eriophyes diversipunctatus erzeugt nur auf den Blattdrüsen
der Zitterpappel Gallen, zahlreiche Gallenerzeuger sind nur.auf Blattstielen heimisch usw. usw.
Eine weitere Art der Anpassung an bestimmte Verhältnisse, die ständig oder doch oft bevorzugt
werden, spricht sich darin aus, daß bestimmte Gallenerzeuger Sprosse bestimmter Qualität,
genauer gesagt: solche von bestimmter Ernährung auf suchen; so z. B. kommen die Gallen der Conta-
rinia tiliarum merkwürdig oft auf Wurzelschößlingen der Linde vor. Daß kleine kümmerliche!
Weidenexemplare — zumal im Gebirge — von gallenerzeugenden Wespen (Pontania-Arten) oft
überreichlich bedacht werden, ist schwerlich ein Zufall.
Die Gallenerzeuger sind nicht nur wählerisch den verschiedenen Organen einer Pflanze gegenüber,
sondern scheinen oft auch an bestimmte Gewebe eines bestimmten Pflanzenorganes angepaßt
zu sein; wenigstens machen viele Gallentiere ihre Entwicklung in der Wirtspflanze stets im Kontakt
mit bestimmten Gewebeschichten durch. Die Milben leben auf der Epidermis ihres Wirtes, gleichviel
ob sie zwischen Erineumhaaren ihr Leben verbringen oder im Hohlraum geräumiger Beutelgallen
sich entwickeln oder in Unterschlupfen anderer Art. Überhaupt sind alle Bewohner von Rollgallen,
Beutelgallen und anderer Eormen der Mantelgallen (s. o. p. 116) der Epidermis am nächsten. Im
Grundgewebe der Blätter dagegen entwickeln sich die weidenbewohnenden Pontaniaarten; in der
primären Rinde lebt (nach Houard) Eriophyes pini; Aulax hieracii und viele andere machen ihre
Larvenzeit im Grundgewebe des Markes durch; während Ceutorrhynchus pleurostigma (auf Brassica)
und viele andere im sekundären Zuwachsgewebe der Achsen anzutreffen sind.
Daß die Lage des Parasiten bei Stengelgallen für die Symmetrieverhältnisse der Cecidien in
erster Linie bestimmend ist, ergibt sich von selbst. —:
Schließlich mag hier noch auf die Bedeutung hingewiesen sein, welche die Stellung einer Galle
am Körper ihrer Wirtspflanze für Gestalt und Leben der letzteren oder deren Teile haben kann.
Viele Gallen stören die Symmetrieverhältnisse des von ihnen in Anspruch genommenen Organes
sehr erheblich. Im kleinen finden wir dergleichen Störungen z. B. bei Weidenblättern, die von
Pontania vesicator besiedelt worden sind: die gallentragende Seite des Blattes ist oft sehr viel länger
als die andere, das Blatt ist daher sichelartig gebogen und die gallentragende Seite zur konvexen
geworden. Wie sehr Gallentiere die Wachstumsrichtung von Zweigen beeinflussen können, lehrt
zum Beispiel Adelges abietis: die von ihr befallenen Äste sind an der Infektionsstelle meist mehr
oder weniger stark gebogen, nicht selten sogar scharf geknickt, — aber derart, daß die Gallenseite
zur konkaven wird. Weitere Beispiele ließen sich aus der Reihe der Pilzgallen anführen; zahlreiche
Uredineen veranlassen scharfe Biegungen an den von ihnen infizierten Blattstielen oder Stengeln
(z. B. beim Veilchen) oder posthornartige Krümmungen an infizierten Achsen (z. B. bei Urtica) u. a. m.
Auf die Verzweigung der Wirtspflanzen wirken die Gallen sehr verschieden ein; — von den
Hexenbesen, auf die wir später zurückkommen werden, wollen wir zunächst absehen. Auffällige
Anomalien in der Verzweigung kommen z. B. dann zustande, wenn der Vegetationspunkt eines
Sprosses von dem Gallentier infiziert oder vernichtet wird: als Beispiel mag die Galle von Cynips
terminalis dienen; viele Blattrosetten schließen einen Sproß, deren Vegetationspunkt den Parasiten
anheim gefallen ist, definitiv ab, so daß auch durch sie Anomähen im Verzweigungsbild der Wirtspflanze
zustande kommen.
Eine weitere dritte Wirkungsweise besteht darin, daß die Gallen Wachstum und Entwicklung
der über ihnen stehenden (distalen) Pflanzenteile hemmen oder völlig zum Stillstand bringen. Bei
blattbürtigen Gallen ist gar nicht selten zu beobachten, daß die Spitzen der Blätter verwelken oder
verblassen, wenn irgendwo auf dem Mittelnerv eine Galle aufsitzt. Offenbar ist die Ernährung der
oberhalb der Galle liegenden Teile der Blattspreite ungenügend; die zuströmenden Nährstoffe werden,
wie es scheint, von der Galle gleichsam abgefangen. Sehr deutlich sieht man an den Blättern der
Buche, die eine oder mehrere Gallen von Mikiola fagi tragen, daß der über der Infektionsstelle
liegende Teil der Blattspreite, der von dem infizierten Haupt- oder Seitennerven zu versorgen ist,
blasser ist als die normalen Teile des Blattes. Ähnliche Wirkungen gehen vielfach von den stengel-
bürtigen Gallen aus, welche das normale Wachstum der infizierten Achsen hemmen oder völlig zum
Stillstand bringen; bei Lindenzweigen, welche von Contarinia tiliarum infiziert sind, läßt sich oft
leicht beobachten, wie sehr die über der Galle liegenden Sproßabschnitte in ihrer Entwicklung gehemmt
werden.
Schließlich mag noch eine vierte Wirkung der Gallen, die mit ihrer Stellung am Körper
der Wirtspflanze zusammenhängt, erwähnt werden, nämlich die lebensverlängemde Wirkung mancher
Gallen. Organe, die im normalen Entwicklungsgang der betreffenden Pflanzen nur kurze Zeit am
Leben bleiben, können durch Galleninfektionen bestimmter Art zu sehr viel längerem Leben befähigt
werden: als Beispiel dienen die Spindeln der männlichen Infloreszenzen der Eiche, welche nach
Infektion durch Spathegaster baccarum die normalen, nicht infizierten Organe gleicher Art lange
überleben. Eine ähnliche Lebensverlängerung beobachtet man bei vielen Blütengallen: die zu grünen
laubblattähnlichen Teilen umgewandelten oder in anderer Weise umgebildeten Corollen oder die
petaloid gewordenen Staubblätter können viel langlebiger sein als die entsprechenden normalen Teile.