Gewalt durch die Deichbrüche, führt dann Sand und Kiesel auf
die Fluren, über welche der unbeschränkte, also niedrige Strom
nur sein feinstes, d. i.: fettes Material verbreitet, und das gröbere
in des Flusses Bett gelassen haben würde , wenn Seitenströme,
welche die Deichbrüche formiren, nicht Statt gefunden hätten.
Die Deichbrüche schwächen auch überdies die Geschwindigkeit
des eigentlichen Stroms, indem sie tiefe Seitenströmungen bilden;
denn es steht zuweilen das Eis noch im Flufsbette in Eisdämmen
fest, wenn es durch die Deichbrüche zieht. Daher tragen denn
auf diese Weise die seitwärts des Flusses durch Deichbrüche aus-
getretene Eisgänge nicht nur nichts zur Reinigung der Flufsbetten
bey, sondern sie häufen dieselbe noch mit groben Kiesel und Material
an; ja sie verstopfen sogar Flufsärme, die sie nicht nur rein
gehalten, sondern noch vertieft haben würden, wenn man die
gesammte Wasser - und Eismasse zwischen hohen Deichen zu
fliessen genöthigt hätte.
§. 26. Wiewohl nun im Wasserbau manche sonderbare
Verfahrungsarten anzutrelfen sind, so ist doch wohl keine zweckwidriger
, als dafs man die Hauptdeiche unter die höchsten W asserstände
legt und doch findet dieser Fall selbst in Holland und an
den mehresten Flüssen statt, wie die zwo ersten Bände zeigen.
Auch im "Venetianischen Oestreich ist derselbe an der Brenta, dem
Bacchiglione und an mehreren Flüssen zu Hause. Der Deich
soll ja das Land gegen alle Ueberschwemmungen schützen ; wenn
man nun Deiche h at, die niedriger als die höchsten Wasserstände
liegen und bey denen zur Zeit der Gefahr wegen ihrer Länge keine
schleunige hinreichende Aufdämmung möglich is t, so müssen
ja nothwendig die hohen Anschwellungen des Stromes über die
Deiche stürzen , diese zerreissen, und Ueberschwemmungen verursachen.
Ueberdies aber müssen, alle Deiche nach und nach niedriger
werden, weil die Regengüsse, der Frost und das Eintrock-
nen die Erdtheile ablöfst und den Deichkörper schwinden macht;
mithin mufs man ihre Höhe gleich nach allen diesen Rücksichten
einrichten und stets erhalten.
$. 27. Haben nun auch die Deiche eine Reihe von Jahren
der nothwendigsten Ausbesserungen entbehrt, so ist es ganz begreiflich,
dafs sie niedriger, als das anfängliche Besteck besagt,
sevn müssen. Bey der Rectificirung der Deiche , oder bey einer
neuen Bedeichung müssen daher auf 5o Ruthen Abstand Nummer
Pfähle, tief in dem alten Deiche oder in dem festen sich gesetzten
Theil des neuen Deichs, placirt werden, woran die Höhe
des Deiches über den Nullpunkt des Pegels bezeichnet is t, und die
man stets conserviren mufs. Diese Pfähle geben auch bey Reparaturen
die Bezeichnung der Deichstellen ab.
28. Endlich werden die Deiche fast an allen Flüssen relativ
niedriger, weil die Flufsbetten bey Unterlassung zweckmäfsi-
ger hydrotechnischer Hülfsmittel sich erhöhen, also auch die
Oberfläche des hohen Stromes steigt, und Eisstopfungen, mithin
Anschwellungen und ein hoher Stand des Eisstromes darauf folgen.
Man mufs also auch nach diesen Erhöhungen der Flüsse
die Deiche erhöhen.
§. 29. Wenn nun gleich alle diese Fälle bey den mehrsten
Flüssen und Bedeichungen eingetreten und Ueberschwemmungen
derer Landesbezirke, welche mittelst der Deiche beschützt
werden sollten, bey jedem ausserordentlichen Wasser erfolgt sind,
als wovon die im 2. Bande gegebenen Nachrichten die auffallendsten
Beweise sind, so wird doch nur in wenigen Flufsgegen-
den auf eine Erhöhung der Deiche gedacht. Selbst in Holland,
dessen Existenz vom Wasserbau abhängt, dem eine ähnliche
Ueberschwemmung, wie die von 1799, Millionen kostet; dessen
Flüsse dadurch, dafs die Eismassen sich seitwärts ins Land er-
giefsen und nicht zwischen den Deichen bleiben, gar nicht tief
erhalten werden können , sondern für die Auswässerung des
Landes und die Schiffahrt auf die beunruhigendste Weise emporsteigen.
— Selbst dort sind die Hauptdeiche längs der Waal
und dem Niederrhein zwey bis drey Schuh und darüber zu
niedrig und überdies äufserst ungleich ; Ja ! wiewohl diese Mängel
vor Augen liegen, auch die Erfahrung uns lehrt (2. Band) :