untern Flufsbezirken die Geschwindigkeit des Stromes fastallemal
geringer als in den obern ist. Diesem Grundsätze entgegen finden
w ir aber leider die meisten Bedeichungen angelegt, welches insonderheit
die zwo ejj^ten Bände dieses Werkes und die dazugehörigen
Flufskarten evident beweisen. Kein Wunder also, wenn die
mit Deichen eingeengten Flüsse in ihren unteren Bezirken so oft
anschwellen, über die Deiche stürzen, Eisstopfungen , Deichbrüche
und Ueberschwemmungen verursachen. Sind aher in den
obern Flufsbezirken die Deiche zu weit entfernt, so verliert der
hohe Strom die zur Austiefung des Bettes erforderliche Geschwindigkeit,
wie das dann der Fall in vielen oberen Flufsgegenden,
wie z. B. am Oberrhein und der Donau ist. Daher versanden sich
dann auch die Bette dieser Flüsse, steigen immer höher empor
und verändern sehr oft ihre Lage. Daher vorzüglich die Menge
Inseln, die schädlichen Seichten und Serpentinen so wie die vielen
Verwüstungen, welche diese Flüsse anrichten.
§. 16. W ir sehen also, dafs die gegenseitige Entfernung
der Deiche nicht blos von der Gröfse des Vorlandes, noch von der
Breite de| Flußbettes abhängig ist, wie so viele Schriftsteller gelehrt
haben, sondern dafs sie den hydrotechnischen Flußbau-Anlagen
, der Gorrection des Flusses und den hohen Anschwellungen
des Stromes entsprechen müsse. So muß man die Deiche z. B. öfter
näher zusammen rücken , als es die öconomischen Absichten erheischen,
um nur mitteßt Einschränkung des Stromes, dessen Geschwindigkeit
und Austiefungsvermögen zu vergrößern: insonderheit
findet dieser Fall bey solchen Flüssen Statt, deren Bett — während
der fehlerhaften Führung des Flufsbaues oder Vernachlässigung
der Kunstmittel — sich sehr erhöhet hat und das also , so
wie Durchstiche, vermittelst Leitdeichen vertieft werden m.ufs.
Dieses Mittel ist unter andern bey dem Bylandschen Durchstich
der W a a l und bey der Neuen-Yssel l .B . S. 647. und 2. B. S.. 177.
mit dem besten Erfolge angeordnet worden.
§.. 17. Qefters nöthigt indessen auch das Local zum Gegen-
theil dessen, was die, denen so eben aufgestellten Grundsätzen entsprechende,
Rechnung vorschreibt: d. i. zu größeren Deichweiten.
a.) Wenn es nämlich öconomisch nöthig ist, dafs die niedrigen
Weiden - oder Wiesenbezirke von dem mit Schlick oder Flußschlamm
gesättigten Win ter- Herbst- oder Frühlingswasser bedeckt
werden , um den Wachsthum der Gräsereyen zu befördern.
In diesem Fall ist es also zweckmäßig, die Hauptdeiche weiter als
die hydrotechnischen Absichten es verlangen, von einander zu entfernen
und vor diesen Hauptdeichen solche Sommerdeiche, welche
derCorrection des Flusses entsprechen, anzulegen. Es ist auch
diese Maafsregel um so nothwendiger, da diejenigen Wiesenbezirke
, welche hinter den Hauptdeichen liegen, die Bewässerung
mit fettem Flußwasser entbehren, wenn man keine kostbaren
Schleusen und Deiche, die das eingelassene Wasser vom Lande
abhalten, anlegen kann.
Ist der Boden dieser Bezirke porös, so daß er Quellwasser
durchläßt, dann wird dieses die Gräsereyen verderben, weil es
klar, ohne düngende Schlicktheile ist. Bey dem Eintritt des Quellwassers
ist es aber zweifach nöthig, die Wiesen zur Winterszeit
mit Flufswasser zu bedecken, damit die Gräsereyen gedüngt und
gegen die schädliche Wirkung des Quellwassers gesichert werden.
Diesen Grundsätzen* welche von der Erfahrung bestätigt sind;
zuwider, finden wir aber an den mehrsten Flüssen große, dem
Quellwasser ausgesetzte, Bezirke eingedeicht, welche vor dem
Hauptdeiche hätten liegen müssen. Sie tragen aber auch wenig
und schlechtes Gras, wenn die Wiesen des Vorlandes gesundes
und viel Futter bringen. Ja! selbst ein beträchtlicher Theil von
Holland ist um mehrere Jahrhunderte zu früh eingedeicht worden
, ehe er noch mittelst des Flußschlammes die nöthige Höhe —
um vom Quellwasser nichts mehr leiden zu dürfen — erreicht
hatte. Daher liegen dann auch jetzt die Flüsse Hollands mit ihren
Betten sowohl, aß mit ihren Oberflächen höher dann die eingedeichten
Bezirke (Polders). Daher auch zum Theil und wegen
der zu niedrigen Deiche , die vielen verheerenden Ueberschwem-
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