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Iu nördUcher und nordweslUclier BlcUung von BelUeliem sind die Waldungen
liclile Slniigeiihölzer vou Eichen ohne alles Unlei-holz, da hier das Rindvieh seinen
Weidgaiig hatle. - AUe jene inleressanteii Excursionen vei-schaffieu unseren Samin-
hmgcr retaheii Zuwachs, und Herr Pfarrer S e id e l , welcher eine sehr gute Bibliothek
uud viel Siiiu für das Studium der Natur besass, halte die Güte, uns mit
den Uterarischeii Hülfsnülleln zu versehen. Wir lebten hier sehr angenehm in Berührung
mit gebildeten Mämierii und Landsleuten, nud unsere am Bude des Ortes,
unmittelbar an Wälder raid Felder grenzende Wohnung hot günstige Gelegenheit
für unsere naturliislorischen Arbeiten nnd Beschäftigungen. In unserem Garten
konnten wir lägUch an den hockrothen Blumen der Feiterbohiien (Phaseolus mulli-
flonis W . var. coccimm) die schwirrenden FUegenvögel heohacliten, und unser
Wirth W ö h le r ans Weslphalen that, was in seinen Kräften Stand, um unsere
ITiileriiehmungeu zu erleichtern. Diese Thätigkeit entschädigte mich in gewissem
Grade für deu beklagenswerllieii Zeitverlust, welchen mir das Zurückbleiben meines
Gepäckes verursachte. Ich würde längst die westUchen Staaten erreicht haben,
wenn ich nicht jene iiöthigen Gegenstände hätte abwarten müssen. Während raisers
hiesigen Aufenthaltes sahen wir öfters deutsche Auswanderer aiikomiiieii, die beinahe
sämmtlich aus Würtemberg, dem Badischen oder Bhein-Baiern zu Hause
waren. In UägUchem Zustande, ohne Geld, ohne alle Kenntmss des Landes und
der Sprache zogen sie ihrem ungewissen Schicksale entgegen. In dem englischen
Gaslhofe des Ortes wiess man sie gewöhnlich ab, und W ö h le r nahm sich ihrer
alsdami nicht ohne bedeutende Kosten an, um sie weiter zn schaffen.
Aus Philadelphia erhielten wir Nachricht, dass die Cholera etwas in der Abnahme
sey, sie halte die Gegend von Belhlehem gänzlich verschont. Die Canal-
Kohleiiböte gaben mir Gelegenheit, meine Sammlungen nach New-York abzusenden,
welches im Anfänge des Monats September geschah. Die Flora der Gegend halte
damals schon ihre weissen, gelben, oder violetten Herbstblumen hervor gebracht, Soli-
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dago-, Eupatorium-, Helianthus- und einige Aster-Arten blüheten jetzt, und die
weisseu Blumen der Clematis virginiaiia.
Die Witterung war den ganzen Juli und August hindurch sehr gleichförmig
heiss gewesen, nur zuweilen durch Gewitterregen unterbrochen, und wenn die
Sommer der Vereinten Staaten gewöhnlich diese Temperatur haben, wie mau uns
versicherte, so siud sie weit gleichförmiger und anhaltender heiss, als diese Jahreszeit
in Deutschland. Um auch die andere benachbarte Niederlassung der mährischen
Bmder kennen zu lernen, fuhr ich in Begleitung des Herrn Pfarrers S e id e l dahin.
Der Ort liegt 10 Meilen von Bethlehem, luid man berührt auf dem Wege Altona,
ehüge zerstreut liegende Wohnungen, dann nachdem man sich der Mouöcasa genähert
hat, das Dörfchen Hecktown, über dessen Namen Herzog B e rn h a rd von
Sachsen Weimar schon redete. Nazareth ist ein freundlicher Ort, mit einigen un-
gepflasterteu Strassen, uud liat ein Gymuasixun oder höhere Lehranstalt für junge
Geistliche. Die Lehrer desselben sind sämmtlich Deutsche, der Unterricht wird
aber iu englischer Sprache ertheilt. Das Gymnasial-Gebäude scheint ziemlich alt
uud nicht besonders geräumig. Oben auf dem Dache hat man eine weite, schöne
Aussicht nach den blauen Uferhöhen des Delaware, und auf die grünen Waldufer
der Lecha. Es befuidet sich in diesem Gebäude auch ein kleines Naturalien-Cabinet.
Die Kirche ist weniger gross als zu Bethlehem, lässt sich aber im Winter
sehr gut erwärmen. Nicht weit über dem schattenreichen Garten befindet sich der
Kirchhof, wo die platten viereckigen Grabsteine mit einer kurzen Inschrift in regelmässigen
Reihen neben einander liegen. Die Namen der hier beerdigten Brüder
zeigten, dass sie grösstentheils Deutsche waren. Au der Hölie dieses Kirclihofes
hat mau eine vorzüglich schöne Aussicht. — Der Rasen ist liier gedrängt mit dem
europäischen Thymian (Thymus SerpyUuni) bewachsen. Nazareth hat etwa 3 5 0
Seelen, iu dem Gymnasium etwa 60 junge Leute. Man findet hier einen guten
Gasthof, Kaufläden verschiedener Art u. s. w. Herr H e rrm a n n , der jetzige Director
der Anstalt, hatte die Güte, uns alles Sehenswerihe zu zeigen, und wir be