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Thal des Tetfoa-River, welches als ein grüner Streife« eine augenehme Unterbrechung
in der gelblich-verbrannten Prairie hervor brachte; in dem Thale sahen wir
zwischen hohen Pappelstämmeu drei oder vier indianische Zelte hegen. Blickte
man links von diesem Höhenkarame hinab, so übersah man nahe vor sich einen
grossen Bogen des Missouri, an welchem mehre schöne Pappelholzungen und grüne
frisch begraste Plätze lagen, und etwas höher aufwärts öffnete sich am südlichen
Ufer der von L e w i s uud C la r k e Snow-River genannte Bach, der entfernteste
Punkt meiner Reise am obereu Missouri, ob ich gleich damals noch hoffte die drei
Hauptqueilen des Missouri, den Jefferson, Madison und Gallatin erreichen zu können.
Vor uns etwas links in südwestlicher Richtung zeigte sich in einiger Entfernung die
erste Kette der Rocky-Mouutaius, welche die Schneeregion nicht erreicht, und
hinter uns das schöne Gebirg Bears-Paw. Von diesem erhöhten Punkte mit der
schönen Aussicht ritten wir links über steile Hoheu nach dem Missouri hiuab uud alsdann
durch Weiden- und audere duukelschattige Gebüsche von Pappeln, Negundo-
Ahorn und ülmeu, gemischt mit Buffaloe-Berry-, Rosen-, Cornus- u. a. Gesträuchen
läugs dem Flusse hin. Ein schöner üppiger Graswuchs deckte hier den Boden,
aus welchem mau vom Forte aus etwas Heu gemacht und dieses schon auf Haufen
gebracht hatte. Der Pfad führte nahe am nördlichen Ufer unter niederen dicken Bäumen
hin, und wir übersahen alsdann die Gegeud von einer tiefen Fläche herab, iu
welcher Herr M itc h ill am entgegengesetzten Ufer das neue Fort in einer grün
bewachsenen Prairie in der Nähe eines grossen Pappelwaldes zu erbauen beschloss.
Wir sahen dort mehre Grosvenires umhergehen und ihre Pferde weiden; ihre Zelte
waren in einem benachbarten Holze aufgeschlagen.
Kaum batten wir deu Rückweg augetreten und die schattige Uferstelle wieder
erreicht, als einer unserer Leute, D au p h in , athemlos auf einem indianischen Pferde
aiigesprengt kam uud Herrn M itc h ill meldete „N in o c h -K iä iu lasse uns benachrichtigen,
dass sein Neffe von den Blood-Indians ermordet worden sey, er werde
desshalb diese Indianer unverzüglich augreifen, und rathe uns desshalb möglichst
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schnell zurückzukehreii. E r habe auch die nach der Stelle des neuen Fortes bestimmten
Arbeiter schon umkehren lassen.“ Wir ritten nun schnell auf die Höhe zurück
und erreichten daselbst unsere Leute, welche mit mehren Indianern auf dem
Rückwege waren. Herr M itc h ill verwiess ihnen sehr ernstlich ihr eigenmächtiges
Betragen, da er seinen Befehl noch nicht widerrufen habe; worauf L a t r e s s e sehr
laut das Wort nahm: „sie seyeu nicht gesonnen sich von den Indianern todisclnesseo
zu lassen, desshalb seyen sie nicht hieher gekommen,“ kurz sie benahmen sich feig
und aufrührerisch; allein es war hier nichts zu thun, und wir kehrten sämmtlich
nach dem Forte zurück. Man erfuhr nun, dass der Neffe des Bären-Chefs, ein
guter und stiller Indianer, heute Morgen ausgeritteii war, um ein ihm gestohlenes
Pferd aufzusucheii, und nicht gar weit von hier auf den Höhen am Tetton-River von
den Blood-Indians mit Flintenschüssen, Messerstichen und Streitkolben-Scfalägen
ermordet worden sey. N in o c h -K iä iu war wütheiid! Mau batte sogleich einige
Blood-Indians vergebens verfolgt und wollte den bei dem Forte wohnenden Mann
umbringen, in dessen Zelt wir neulich eiugeladen gewesen waren; jedoch man hatte
sich besonnen, da er ganz unschuldig war, ihn begnadigt und die Pfeife mit
ihm geraucht. Einen ändern dieser Indianer hatte man mit Schüssen über den Fluss
verfolgt. Der Bären-Chef kam jetzt zu Herru M itc h ill, um mit ihm zu berathen
was zu thun sey. Ein vernünftiger, ältlicher Indianer rieth, man solle diese Sache
nicht zur Angelegenheit des ganzen Stammes machen, sondern sie als Privatstreitig-
keit behandeln; also ruhig eine Gelegenheit abwarten, wo man Rache an irgend einem
Gliede der Familie des Thäters werde nehmen können»). Der tief gekränkte Chef
war still und nachdenkend. E r hatte als Zeichen seiner Trauer, seine schlechtesten
Kleider angezogen, aber seine Haare nicht abgeschnitten, indem er sagte: „sein
Herz sey zu gross und stark für diese Handlung.“ Seine neu erhaltene Doppelflinte
hatte er scharf geladen und hef nun plötzlich davon, ohne eiu Wort zu reden.
* ) Die Blutnache ist auch in anderen WeUtheilen Sitte; so erwähnt derselhen auch R ö p p e l von Ahyssinien
(s. Reise nach Abyssinien B. 1. pag. 3 4 8 ) , wo daher eine zahlrsiche Verwandtschaft von Nutzen ist.
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