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in ihm das Interesse für Botanik erweckt hatte, warf er sich, nachdem
er die militärische Laufbahn eingeschlagen, in seinen Musse-
stunden als Autodidact mit bewunderungswürdigem Eifer auf das
Studium der Eichenen. Als Dragoner-Offizier hatte er Gelegenheit,
die Gegend von Wetzlar und später während der Freiheitskriege
die Wälder der Ardennen in lichenologischer Beziehung gründlicli zu
durchforschen. Die Nachwirkungen einer in der Schlacht bei Gross-
Görschen erhaltenen schweren Verwundung nöthigten ihn, schon
frühzeitig als Major seinen Abschied zu erbitten und nahm er in Folge
dessen in Wohlau, später (1824) in Hirschberg seinen dauernden
Wohnsitz, um von da ab ganz seiner Wissenschaft zu leben. Intimere
Beziehungen, die er mit hervorragenden Botanikern wie Link,
G ö p p e r t , L a u r e r , insbesondere aber mit N e e s v. E s e n b e o k
einging, erhielten und förderten ihn auf dem Niveau der Wissenschaft.
Seine Sammlungen, die er durch unzählige Excursionen in
das Riesengebirge bereicherte, wuchsen mehr und mehr nnd wurden
dabei äusserst gewissenhaft und sauber geordnet; mikroskopische
Untersuchungen nnd Knlturversuche (letztere in Bezug auf Moose
nnd Algen) gingen dabei fortwährend Hand in Hand, und nicht minder
war er bestrebt, durch äusserst genaue Beschreibungen der einzelnen
Formen und durch treffende lateinische Diagnosen der generischen
und speoifisohen Typen die Systematik zu fördern. Bin getreues
Abbild seines rastlosen Fleisses und seiner bis ins kleinste Detail
gehenden Untersuohungsweise gewährt seine umfangreiche Sclirift
über Haematococeus pluvialis, in welcher er die erste Entwicklungsgeschichte
im Sinne der heutigen Phykologie gab. Um so mehr ist
es zu bedauern, dass v. Flotow sich nicht entschliessen konnte, seine
lichenologischen Studien in einem grösseren wissenschaftlichen Werke
zum Abschluss zn bringen. Wir besitzen von ihm ausser einer Reihe
werthvoller Abhandlungen über Liclienen in der Flora (z. B. licheno-
logisohe Bemerkungen [mit Laurer], Reiseberichte über Ausflüge in
die Sudeten [mit Laurer, Nees v. Esenbeok, Sendtner]), in der botanischen
Zeitung (z. B. über Sphyridium und Ephehe), in der Luinaea
(über Gollemaceae 1856), in den Akten der K. Leop. Carol. Akademie
(z. B. über Lecidea scabrosa) nur ein gedrängtes „Verzeichniss
der merkwürdigen und seltenen Flechten des Hirsehberg-Warra-
brunner Thaies und des Hochgebirges“ (veröffentlicht in Wendt’s
„Thermen von Warmbrunn“, Bresl. 1839) nnd unter der Ueberschrift
„Eichenes florae Silesiae“ eine nach seinem eigenem (namentlich auf
den Bau des Excipulums gegründeten) System entworfene Aufzählung
sämmtlicher ihm bekannt gewordenen schlesischen Flechten (abgedruokt
in den Verhandl. der Schl. Gesellschaft für vaterl. Cultui für
1849 u. 1850). Unter dem Titel „Lichenes exsiooati“ veröffentlichte
er endlich 2 Centurien vorzüglich in Schlesien, dev Mark und
Pommern gesammelter Eichenen (Leipzig 1829. 1830). Eine neue
Folge dieser Sammlung (Nnmmer 201—450 enthaltend und 1850
zusammengestellt) ist leider ebensowenig wie seine „Deutschen
Liohonen“ (eine aus 152 Nummern bestehende Sammlung interessanter
und seltener Flechten) auf den öffentlichen Markt gekommen, sondern
wurde geschenkweise an seine lichenologischen Freunde (namentlich
Schaerer, Laurer, v. Zwackh) versandt. Vollständige Exemplare dieser
Sammlungen finden sich indess noch in seinem Herbar, welches nach
seinem Tode durch Vermittelung Alex. v. Humboldt’s von König
Friedr. Wilh. IV. für die Kgl. Universität Berlin augekauft ward. —
Die philosophische Facultät der Universität Breslan hatte ihn noch,
während er an einer ihn hinwegraffenden Rippenfellentzündung krank
darniederlag, durch das Ehrendiplom eines Doctor philosophiae geehrt
und erfreut.
Vereinzelte werthvolle Beiträge für die Schlesische Flechtenkunde
lieferten um dieselbe Zeit Geh, Rath Gö p p e r t , welcher insbesondre
die Lichenen des interessanten Hochwaldes bei Sprottau sammelte,
Rittmeister Max v. Ue c h t r i t z (-¡- 1851), Dr. S e n d t n e r ( f 1859
als Professor in München), Schulrath Wimme r (-¡- 1864), Dr. L a u r e r
( f 1874 als Professor in Greifswald), Apotheker I l g n e r (t) und
Dr. W. G. S c h n e i d e r in Breslau.
Eine neue Aera begann mit Dr. G. W. Kö r b e r (geb. 1817 zu
Hirscliberg, gegenwärtig ausserordentlicher Professor an der Universität
und Professor am Gymnasium zu St. Elisabeth in Breslau). Frühzeitig
mit V. Flotow befreundet und in seine Fusstapfen tretend,
kann derselbe gewissermassen als der Vollender und Ansbauer der
Flotow’sohen Studien gelten. Aber er ging noch über v. Flotow
hinaus, indem er die Resultate seiner eigenen mikroskopischen Studien
als Grundlagen eines vollständig neuen Plechtensystems verwerthete,
das sich allgemeinen Eingang verschaffte und bahnbrechend wirkte.
Dasselbe ist niedergelegt in den zwei Werken: „Systema Lichenum
Germaniae. Die Flechten Deutschlands (insbesondere Schlesiens)
mikroskopisch geprüft, kritisch gesichtet, charakteristisch beschrieben
und systematisch geordnet. Mit 4 color. Tafeln, Breslan 1855.
XXXIV. und 468 S.“ und „Parerga lichenologica. Ergänzungen zum
Syst. Lieh. Germ. Breslau 1865. XVI. und 501 S.“ Ausserdem
schrieb er (abgesehen von kleineren Abhandlungen in verschiedenen
Zeitschriften): „de gonidiis Lichenum“ Bresl. 1839 (Inaugural-Disser