Choiseul GoufFier glaubt am nördlichen Eingänge des
Bo spo r unverkennbare Spuren eines dort ehemals
wirksam gewesenen Vulcans wahrgenommen zu haben,
und hält sich daher überzeugt, dafs ein heftiger Ausbruch
desselben den Durchbruch bewirkt haben müsse.
Er benutzt zu Begründung seiner Hypothese insbesondere
die alten dichterischen Sagen von der Beweglichkeit
der Cyaneen, von dem Uebereinanderstürzen der
Felsen u. s. w , die man in den Schilderungen der
Ar g on a u t e n f a h r t findet ( i). Seine Beschreibung
der geognostischen Beschaffenheit der dortigen Küsten
ist sehr lebendig, aber doch nicht sehr unterrichtend.
Uebrigens haben allerdings auch andere Reisende, z. B.
Olivier (2) und Clarke, dort Spuren der ehemali gen Vul-
canität des Bodens beobachtet, und man darf den Gedanken
Choiseul Gouffiers eben nicht geradezu verwerfen,
wenn gleich eigentliche historische Zeugnisse für
seine Hypothese nicht vorhanden sind. Da es übrigens
als eine ausgemachte Sache angenommen werden kann,
dafs die P r o p o n t i s (Meer von Marmora) nebst
ihrem Abflüsse dem H eil es p o n t vor der Epoche der
deucalionischen Fluth als Landsee oder Thal mit Flüssen
schon existirten; so war damals allerdings die Stelle
beym Bo s p o r u s der schmaleste und schwächste
Theil der sämmtlichen Uferdämme, welche die vereinigte
Wassermasse des S c hwa r z e n , A s s ow s c h e n
und Ca s p i s ch en Meer es und des Ar a l- S ee s umgaben.
Wenn also diese Gewässer sich mittelst eines
1 ) Voyage pittoresque, und besonders in den, Fieclierches
sur l ’ origine du Bosphore de Thrace, in Hist. et Mem.
de l ’Institut Pioy. de France, classe d’histoire T. 2d *815»
p. 484.
2) Voyage dans l’Empire Othoman etc. T. 1. p. 121.
Durchbruchs des festen Landes einen Abflufs verschaff
ten, so konnte diefs in der That am leichtesten an
dieser Stelle geschehen. Es dürfte daher wenigstens
nicht unumgänglich nöthig seyn, zu Erklärung eines
solchen Durchbruchs Erderschütterangen oder vulcani-
sche Ausbrüche zu Hülfe zu nehmen, obgleich es auch
möglich ist, dafs solche — wenn die Beschaffenheit
des Bodens diese Vermuthung gestattet — dazu mitgewirkt,
oder das Ereignifs beschleunigt haben.
Begreiflich ist, dafs, wenn das Schwarze Meer
einst ganz geschlossen war, die Wassermasse desselben,
welche, bey der nördlichem Lage nicht so viel durch
Ausdünstung verliert, als z. B- das Mittelländische
Meer, durch das Einströmen so vieler zum Theil sehr
ansehnlicher Ströme, der Do n a u , des Dn i e s t e r ,
Dni epe r , Don, der Wol g a , des Ural , Jaxartes,
Oxus , Ar a x e s , K u r , T e r e k , Ku b an , Pha s i s ,
Hal ys und vieler kleineren, die weit mehr Wasser
liefern als die ins Mittelländische Meer fallenden Ströme,
einen solchen Zuwachs erhalten mufste, dafs sie
sich bis zu der Höhe erheben konnte, die man für den
alten Wasserstand dieses Meeres angiebt. Sobald der
hohe Wasserspiegel eine Stelle der Ufer erreicht hatte,
die ebenfalls nicht höher war, mufste das Wasser anfangen
an dieser Stelle überzufliefsen. Sobald es an-
fieng überzufliefsen, mufste der Ablauf anfangen, sich
ein Bette einzuschneiden. Durch dieses Einschneiden
Wurde der Boden dieses Bettes immer tiefer, es wurde
immer mehr Wasser abgeführt, und der Wasserspiegel
mufste ebenfalls tiefer sinken. Wurden nun vielleicht
in dem neuen Bette des Ablaufs Lagen von einer nicht
sehr festen Steinart entblöfst und angespiihlt, so konnte
leicht der auf die Stelle des Ablaufs wirkende ungeheuere
Druck der Wassermasse auch auf einmal so be