wirklicher Verbrauch des auf dem Erdbälle vorhandenen
Wassers statt finde, oder der Erde ein Theil
desselben auf irgend eine Weise entzogen •werde; so
bleibt uns zu erwägen übrig, ob nicht vielleicht die
Natur noch andere Mittel hat, allen vorgedachten Erscheinungen
unbeschadet, und ohne Verlust an der ge-
sammten Wassermasse, ein Gleichgewicht zwischen ihE
und dem trocknen Lande zu erhalten?
Vielleicht führt die merkwürdige Vertheilung der
Wassermasse auf dem Erdbälle zu einer Erklärung'dieses
Phänomens. Bekanntlich ist die Südliche Halbkugel
der Erde viel tiefer im Wasser eingetaucht als die Nördliche.
Der wahre Grund dieser Vertheilung des Wassers
ist noch unerforscht. Dals aber diese Vertheilung
mit der Lage des Schwerpunctes der Erde in einer genauen
Verbindung stehen mufs, liegt in der Natur der
Sache.
Ob die Lage des Schwerpunctes selbst von irgend
einer besondem der Erdkugel eigenthümlicben oder
kosmischen Ursache abhängig ist? ob diese Lage auf
die Vertheilung des Wassers und des Landes gewirkt
hat, oder umgekehrt, ob diese Vertheilung die Ursache
und die Lage des Schwerpunctes die Wirkung ist? —
das sind noch zur Zeit eben so unbeantwortete Fragen
wie die Frage: ob das Ey früher bestand oder die
Henne ? Mit mathematischer Zuverlässigkeit aber kann
und mufs man annehmen, dafs die geringste Veränderung,
welche in der bestehenden Vertheilung des Flüssigen
und Festen auf der Erdkugel vorgeht, eine wenn
auch noch so geringe Einwirkung auf die Lage des
Schwerpunctes der Kugel äufsern mufs. Wie also,
wenn die Anhäufung der vom festen Lande abgerissenen
und in das Becken des Oceans versenkten Theile,
von den Gegenden der Erdkugel her, in welchen die
grofse Masse des. festen Landes mit ihren Gebirgen hervorragt,
und die in den Meeren von geringerer Tiefe
lebende organische Welt, mit jeder Erhöhung des Meeresbodens
nur die Massermasse mehr und mehr nach
dem Theile der Kugel drängten, in welchem die Eine
Ursache der Erhöhung des Meerbodens ganz mangelt,
und die Andere vielleicht in einem weit geringem
Grade wirksam ist? Wie, wenn die hiernach modi-
ficirt werdende Wölbung des allgemeinen die Kugel umgebenden
Wasserspiegels den Grund enthielte: warum
man gerade an den Küsten desjenigen Theils des festen
Landes, der uns seit einem Paar Jahrtausenden bekannt
ist, das zu erwartende Steigen dieses Spiegels noch
nicht hat wahrnehmen können?
Eine nähere und auf Berechnung gegründete Untersuchung
dieses Gedankens dürfte der Bemühungen
unserer bedeutenderen Geometer nicht unwürdig seyn;
wir konnten ihn hier nur andeuten. Der Gedanke
der Veränderlichkeit des Schwerpunctes der Erdkugel
ist übrigens — wie wir kaum zu erwähnen iiöthig haben—
nicht neu, sondern schon von Physikern älterer
Zeit aüfgestellt, und in der neuesten nahment-
lich wieder von Bertrand (1), Lamark (2) und von
PVrede (3) hervorgehoben worden. Er scheint nur 1
1) Renouvellemçns périodiques des continens terrestres. Paris
an 8- (1801).
2) s. folgende Streitschriften: a) J. L . M . Poiret Conjectures
sur les causes de la diminution des eaux de la mer, im
Journal de Phys. T. 6c. p. 226. — b) E . WL. L . Patrin Remarques
s. la diminut. de la mer et s. les iles de mer du
Sud. ebend. p. 306.— c) Poiret's Antwort darauf, in dems.
Journ. T. 61. p.17. u* ^5 Lamarck in den Annales du Muséum
d’hist. nat, T . 6. Çl8o5-)- P- 26-
3^) Beobachtungen über die Südbaltischen Länder.